Eine schwangere Frau liest im Mutter-Kind-Pass
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Ausstiegsdrohung

Mutter-Kind-Pass neu soll bald kommen

Angesichts der Drohung der Ärztekammer mit einem Ausstieg aus dem Mutter-Kind-Pass hat das Gesundheitsministerium am Freitag bekräftigt, dass die geplante Reform dieses Vorsorgeprogramms bald fertig sein werde. Es habe alleine während der vergangenen Tage mehrere Gespräche dazu mit der Ärztekammer gegeben. „Mit einem Ergebnis ist recht zeitnah zu rechnen“, teilte das Ressort von Johannes Rauch (Grüne) mit.

Nach Angaben der Ärztekammer haben Wien, Niederösterreich und die Steiermark bereits den Ausstieg mit Ende März 2023 beschlossen, in den Ärztekammern in Oberösterreich und Kärnten liefen die Vorbereitungen darauf.

Die Standesvertretung begründet das damit, dass die Honorare für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen trotz eines gestiegenen Volumens an Leistungen seit 28 Jahren nicht valorisiert worden seien. Sollte es tatsächlich zu einem solchen Ausstieg kommen, würden die Mediziner die im Pass angeführten Untersuchungen dann nicht mehr als Kassenleistung anbieten.

„Im Finale“

Das Gesundheitsministerium versicherte am Freitag, dass sich die umfassende Reform des Mutter-Kind-Passes „bereits im Finale“ befinde. Sie sei „ein zentrales und gemeinsames Anliegen des Gesundheits-, des Familienministeriums und der Sozialversicherung“. Dabei werde eine fachliche Weiterentwicklung angestrebt, wobei auch fachliche Empfehlungen, etwa den Untersuchungsprozess betreffend, erarbeitet worden seien.

Drohendes Aus für Mutter-Kind-Pass

In fünf Bundesländern steht der Mutter-Kind-Pass vor dem Aus. Der Grund: Ärztevertreter fordern mehr Honorar für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen.

Es werde auch die Anpassung der Ärztehonorare diskutiert, versicherte das Gesundheitsministerium. Die fachliche Weiterentwicklung solle im Zuge der Digitalisierung des Mutter-Kind-Passes Berücksichtigung finden.

Ausdehnung bis zum 18. Lebensjahr

Die Sozialversicherung hatte bereits im Mai angekündigt, den Mutter-Kind-Pass auf eine elektronische Variante umzustellen. Geplant sei ein Erinnerungssystem via SMS oder E-Mail für die regelmäßigen Mutter-Kind-Untersuchungen und eine lückenlose Dokumentation der verpflichtenden Untersuchungen im E-Card-System. Für die Umsetzung des Projekts wurden damals allerdings insgesamt dreieinhalb Jahre vorgesehen.

Eine Reform hat sich die Koalition bereits in ihrem Regierungsprogramm vorgenommen. Dort wird eine Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum „Eltern-Kind-Pass bis zum 18. Lebensjahr“ angekündigt. Weiters ist eine Aufnahme von standardisierten und qualitätsgesicherten Screenings zur psychischen Gesundheit, zu Ernährung und sozialer Kompetenz vorgesehen, ebenso bessere Informationen und Beratungen über Impfungen.

Taten eingefordert

„Die Botschaft hör ich gerne. Ich würde aber gerne Taten und auch eine Umsetzung sehen“: Der Bundesfachgruppenobmann der Ärztekammer, Thomas Fiedler, drängte im Ö1-Mittagsjournal auf Konkretes zur Reform. In den letzten zehn Jahren sei immer nur diskutiert worden, auch eine Expertenkommission der Ärztekammer sei nicht gehört worden. Man verspreche Reformen, „aber passiert ist nichts“, beklagte der Standesvertreter.

Auch FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak forderte dringend Taten. Er unterstützte auch die Forderung der Ärzte nach höheren Honoraren. SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner forderte die angekündigte Ausweitung des Mutter-Kind-Passes und warnte vor Kürzungen, die vor allem zulasten der Mütter und Kinder gehen würden.

Für Christian Moser, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf, ist eine Reform ebenfalls überfällig. Auch kritisierte er, dass seit Jahren von den jeweiligen Regierungen eine Weiterentwicklung versprochen werde, bis dato aber ohne Ergebnis. Moser betonte in einer Aussendung, dass die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen kassenfinanziert bleiben müssten. Eine sofortige Lösung im Sinne der Mütter und Kinder verlangte auch der Katholische Familienverband.

Erfolgsgeschichte seit fast 50 Jahren

Der Mutter-Kind-Pass wurde 1974 eingeführt. Das Programm wird seither kontinuierlich weiterentwickelt. Bei der Einführung vor 48 Jahren war es das Hauptziel, die Säuglings- und Müttersterblichkeit zu senken – was auch gelang.

Heute stehe die Früherkennung von Gesundheitsrisiken, Erkrankungen und Entwicklungsstörungen im Vordergrund, heißt es auf der Website des Gesundheitsministeriums. Durch das frühzeitige Entdecken kindlicher Defizite können rechtzeitig Fördermaßnahmen ergriffen werden. Der Pass gilt als Grundpfeiler für die Gesundheitsvorsorge von Kindern – auch aus Bevölkerungsgruppen, für die Arztbesuche oft eine Barriere darstellen. Angesichts des Ausdünnens des Netzes von Kinderärzten mit Kassenverträgen in Teilen Österreichs wurde es vor allem für diese Gruppen in den vergangenen Jahren schwieriger.

Voraussetzung für Kinderbetreuungsgeld

Nach Feststellen einer Schwangerschaft erhält jede Schwangere mit Wohnsitz in Österreich von ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin einen Mutter-Kind-Pass. Der Pass dient der gesundheitlichen Vorsorge für Schwangere und Kleinkinder bis zum fünften Lebensjahr. Die Durchführung der Untersuchungen in der Schwangerschaft und bis zum 14. Lebensmonat des Kindes ist Voraussetzung für den Erhalt des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe.

Für den vollen Bezug des Kinderbetreuungsgeldes sind fünf Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen der werdenden Mutter und die ersten fünf Untersuchungen des Kindes verpflichtend durchzuführen und durch die ärztlichen Bestätigungen im Mutter-Kind-Pass nachzuweisen.

Vorarlbergs Ärztekammer hält an Pass fest

In Vorarlberg soll im Gegensatz zu den anderen Bundesländern der Mutter-Kind-Pass beibehalten werden. Man habe zwar darüber diskutiert, diesen Schritt jedoch nicht für notwendig gehalten, betonte Ärztekammer-Präsident Burkhard Walla – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at