Hilfspakete werden im Südsudan verteilt
APA/AFP/Simon Wohlfahrt
„Multiple Krisen“

Zahl hungernder Menschen steigt stark

Jeder zehnte Mensch auf der Welt hat nicht genug zu essen: Weltweit leiden 828 Millionen Menschen an Hunger. Die Zahl ist in den letzten Jahren stark gestiegen, nicht zuletzt wegen der „mutliplen Krisen“, wie österreichische NGOs am Montag warnten. Sie fordern vor dem Welternährungstag am Sonntag und vor Beginn der Budgetverhandlungen mehr Mittel für die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.

„Nicht zuletzt wegen des Ukraine-Krieges, aber auch als Folge der Klimakrise, der Covid-19-Pandemie, lokaler Konflikte und des Inflations- und Preisdrucks erleben wir aktuell eine dramatische Hungerkrise in vielen Weltregionen“, sagte Andreas Knapp, Auslandshilfe-Generalsekretär der Caritas. „Österreich hinkt bei der Entwicklungszusammenarbeit hinterher. Deutschland beispielsweise investiert fast viermal so viel in direkte Projekthilfe.“

In Ostafrika bahnt sich laut Caritas eine Hungersnot ungeahnten Ausmaßes an, auch im Nahen Osten sei die Situation dramatisch. Neun von zehn Syrerinnen und Syrern würden bereits unterhalb der Armutsgrenze leben. Knapp 15 Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter rund 6,5 Millionen Kinder.

Bald eine Milliarde Menschen betroffen

Die Zahl der Hungernden weltweit droht laut der Hilfsorganisation Care noch heuer auf eine Milliarde zu steigen. „Weltweit stirbt alle vier Sekunden ein Mensch an Hunger“, sagte Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager. „Die Zahl der hungernden Menschen steigt, während die Finanzierung für Entwicklungshilfe sinkt. Das ist keine Frage von Leistbarkeit, sondern eine Frage des politischen Willens. Wir appellieren daher dringend an die Regierung, die Mittel für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit im Budget 2023 wie im Regierungsprogramm vorgesehen aufzustocken.“

Weil die Bundesregierung die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds erhöht hatte, „konnte Österreich in der Ukraine-Krise oder den verheerenden Überschwemmungen in Pakistan schnell reagieren und Hunderttausenden Menschen helfen. Diese und noch mehr Investitionen wird es angesichts der multiplen Krisen auch langfristig brauchen.“ Die Dotierung des Auslandskatastrophenfonds solle daher beibehalten und an die Inflation angepasst werden, fordert Care.

Hilfsconvoi in Syrien
APA/AFP/Omar Haj Kadour
Nach vielen Jahren Krieg im eigenen Land trifft der Ukraine-Krieg die Menschen in Syrien wegen ausbleibender Weizenlieferungen zusätzlich. Die Bevölkerung ist auf die Hilfskonvois der NGOs angewiesen.

Hilfen auch Mittel für „Stabilität und Sicherheit“

Auch die langfristig angelegte bilaterale Entwicklungszusammenarbeit müsste erhöhen werden, unterstrich die Caritas. Bei derzeit 0,31 Prozent des Bruttonationaleinkommens sei bis zum international vereinbarten Ziel von 0,7 Prozent noch Luft nach oben. „Investitionen in die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind Gelder, von dessen Ertrag letztlich auch wir in Österreich in Form von Stabilität und Sicherheit profitieren“, unterstrich Knapp.

Diese Forderungen erhob auch Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes: „Um das bisherige Engagement auch in Zeiten multipler Krisen sinnvoll weiterzuführen, braucht es mehr Investitionen in langfristige und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit“, so Opriesnig. In der Arbeit der Hilfsorganisationen mache sich eine doppelte Verwundbarkeit bemerkbar, „die einerseits durch die zunehmende Häufigkeit und Schwere von Katastrophen und andererseits durch die längerfristigen sozioökonomischen Auswirkungen der Klimakrise bedingt“ sei.

„Bald eine Milliarde“ Menschen in extremer Armut

Aktuell sind laut Diakonie und Brot für die Welt 300 Millionen Menschen von humanitärer Hilfe abhängig, so viele wie nie zuvor. Und noch nie hätten so viele Menschen in extremer Armut gelebt, „bald eine Milliarde“.

„Nothilfe allein wird aber nicht ausreichen. Zusätzlich zum Feuerlöschen braucht es in Krisenzeiten auch mehr Investitionen in dringend benötigte Entwicklungszusammenarbeit“, sagte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. „Die Bundesregierung sollte das in ihrem Budget für 2023 berücksichtigen, die höhere Dotierung des Auslandskatastrophenfonds in den kommenden Jahren beibehalten und die Mittel für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wesentlich erhöhen.“ Bis 2030 könnten weltweit 700 Millionen Menschen durch weitere Klimakatastrophen genötigt sein, ihre Heimat zu verlassen.

Hilfpakete werden im Jemen verteilt
APA/AFP/Khaled Ziad
An den Folgen des seit 2015 dauernden Krieges im Jemen starben bereits rund 380.000 Menschen, der größte Teil durch Hunger, Krankheiten und Trinkwassermangel. Die UNO betrachtet die Krise im Jemen als größte humanitäre Katastrophe weltweit.

Inflationsanpassung gefordert

Auch Julia Moser, Geschäftsführerin von Licht für die Welt, forderte im Vorfeld der Budgetrede die Regierung auf, „ihre internationale Verantwortung wahrzunehmen und die Mittel für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (EZA) substanziell anzuheben und einen verbindlichen Stufenplan zum Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels zu verabschieden.“ Zudem müsse der Auslandskatastrophenfonds an die Inflation angepasst und 2023 mit mindestens 115 Millionen Euro dotiert werden.

„Wir ersuchen die Bundesregierung, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen und dazu beizutragen, die lebensbedrohliche Krisenspirale zu stoppen. Damit nicht mehr fast 50 Millionen Menschen an der Kippe zum Hungertod stehen“, hieß es von Südwind-Geschäftsführer Konrad Rehling. Bis Jahresende könnten rund 860 Millionen Menschen in extremer Armut leben, so die Menschenrechtsorganisation vor dem internationalen Tag für die Beseitigung von Armut nächsten Montag (17. Oktober).

Hilfspakete werden in Pakistan verteilt
Reuters/Yasir Rajput
In Pakistan ist heuer die Lage nach heftigen Monsunregenfällen und Überschwemmungen besonders ernst. Mehr als 5,8 Mio. Menschen haben nicht genug zu essen.

Als extrem arm gelte, wer weniger als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung hat. Vor allem Menschen in Südasien und Subsahara-Afrika seien betroffen. „Für Menschen in Ländern des Globalen Südens, die bereits extrem arm sind, ergeben die multiplen Krisen eine lebensbedrohliche Spirale“, so Rehling.

SPÖ mahnt Erhöhung von Entwicklungsgeldern ein

„Die österreichische Entwicklungshilfe stagniert bei 0,31 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) auf niedrigem Niveau – kein berauschender Wert“, sagte Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung und Obfrau des Unterausschusses Entwicklungszusammenarbeit. „Wo bleibt die im Regierungsprogramm versprochene schrittweise Erhöhung der Entwicklungsgelder Richtung 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens?“