Manuskript der Budgetrede 2023
APA/Helmut Fohringer
Budget 2023

Fachleute vermissen Reformen

Das am Mittwoch präsentierte Budget ist aus Sicht von Fachleuten von Krisen geprägt. WIFO-Ökonomin Margit Schratzenstaller, Franz Schellhorn von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria und Oliver Picek vom gewerkschaftsnahen Momentum Institut vermissen Strukturreformen. Sie warnen, dass das Budget keine Spielräume habe. Schratzenstaller und Schellhorn raten dringend zum Schuldenabbau.

Mit seiner ersten Budgetrede wollte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) klarmachen, dass er Österreich nicht nur gut durch die Krise bringen werde, sondern auch, dass er dafür sorgen werde, dass das Land gestärkt daraus hervorgeht. Er definierte drei Schwerpunkte: Abgesehen von der Krisenbewältigung investiere die Regierung in die militärische, soziale und wirtschaftliche Sicherheit und fördere die ökologische Transformation der Wirtschaft. Tatsächlich ist sein Haushalt aber von hohen Schulden und hohen Zinsen gezeichnet.

„Es ist ein Krisenbudget“, sagte Schratzenstaller im Ö1-Mittagsjournal. „Wir haben Stagflation: fast kein Wachstum, eine hohe Inflation, die Zinsen steigen; und wir haben das Erfordernis, die negativen wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Energiekrise, der Inflation für Haushalte und Unternehmen abzufedern“, sagte sie.

Im Gespräch mit der APA bezeichnete sie das Budget als „solide“. Es würden auch strukturelle Akzente wie Pflege, Klimaschutz, Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit gesetzt. Allerdings machten sich die Verschuldung und hohen Zinszahlungen relativ stark bemerkbar. „Die Bedingungen für die Budgeterstellung waren besonders schwierig“, so Schratzenstaller.

„Wir brauchen Budgetspielräume"

Es sei dennoch dringend notwendig, von den Schulden herunterzukommen, denn diese schränkten die budgetären Spielräume ein. Einschränkungen der Spielräume gebe es auch durch die automatische Abschaffung der kalten Progression, die automatische Valorisierung von Sozialleistungen und durch die hohen Aufwendungen für die Pensionen.

„Wir brauchen jetzt zwei Dinge: Wenn es weiter Unterstützungsleistungen gibt, müssen diese stärker fokussiert und treffsicherer gemacht werden. Das Zweite, das passieren muss, sind Strukturreformen.“ Diese seien in den Krisenjahren ins Hintertreffen geraten. Schratzenstaller nannte den Föderalismus, der ineffizient sei, das Förderwesen und das Pensionssystem. Das faktische Antrittsalter müsse angehoben werden. Österreich müsse die Ausgabendynamik dämpfen. „Wir brauchen Budgetspielräume, um strukturelle Akzente für die Zukunft setzen zu können.“

Schellhorn: Abschaffung der kalten Progression Lichtblick

Ins selbe Horn stieß Schellhorn. Der große Lichtblick des Budgets sei die Abschaffung der kalten Progression, der große Schatten die fehlenden Strukturreformen. Österreich gebe nächstes Jahr 25 Mrd. Euro für Pensionen aus, bis 2026 seien es 145 Mrd. Euro. Das seien enorme Summen, und darüber werde nicht einmal diskutiert. Ganz im Gegenteil würden Anreize gesetzt, damit man früher in Pension gehe, kritisierte Schellhorn.

Mit dem Ende der Niedrigzinsen verliere Österreich jeglichen budgetären Spielraum. „Wir haben in den guten Jahren zu viel Geld ausgegeben, das kann ein Bumerang werden“, warnte Schellhorn. Die wichtigste Sache wäre es, eine Ausgabenbremse einzuführen.

Treffsicherheit von Hilfen im Fokus

„Wir müssen endlich dazu übergehen, in guten Jahren Überschüsse zu erwirtschaften, wie das Schweden und Dänemark in den vergangenen Jahrzehnten gemacht haben“, so Schellhorn. Diese beiden Länder hätten einen genauso gut ausgebauten Sozialstaat und halb so hohe Schulden wie Österreich. „An diese Staaten sollten wir uns orientieren und nicht an Italien und Frankreich.“

Sollten nächstes Jahr wieder Unterstützungen nötig sein, müsse man diese gezielter einsetzten. Die Unternehmen müssten sich bewusst sein, dass ihnen der Staat nicht jedes Risiko abnehmen könne. Auch bei Unterstützungen für die Bevölkerung sollte auf Treffsicherheit geachtet werden. Den Ärmsten müsse geholfen werden, „aber es ist nicht das ganze Land bedürftig“. „Es braucht nicht jeder Geld vom Staat.“

Badelt warnt vor „gefährlicher Schere“

Der Chef des Fiskalrats, Christoph Badelt, warnte bereits im Morgenjournal vor fehlenden Spielräumen in kommenden Haushalten. „Für das nächste Jahr geht sich das offensichtlich gut aus, alleine durch die Umsatzsteuer und auch die Lohn- und Einkommensteuer, die man erwarten kann. (…) Langfristig oder längerfristig habe ich mehrfach darauf hingewiesen, dass wir hier eine gefährliche Schere oder eine problematische Schere in den Budgets haben, weil wir eben beschlossen haben, die Sozialausgaben vollständig zu dynamisieren. Also das heißt, da gibt es ein automatisches Ausgabenwachstum, während durch die Abschaffung der kalten Progression die Einnahmendynamik verringert wird.“

Monika Köppl-Turyna, Direktorin des wirtschaftsliberalen Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, riet ebenfalls dazu, stärker auf die Gesamtausgaben, besonders bei den Pensionen, zu achten. „Die Zinslast der Republik steigt enorm. Dem ist entschieden gegenzusteuern. Nun braucht es einen entschlossenen Verschuldungsstopp. Dabei ist positiv hervorzuheben, dass den Forderungen nach einer deutlich stärkeren Ausweitung der öffentlichen Verschuldung während der Niedrigzinsphase nicht entsprechend nachgekommen wurde.“

Picek ortet „schwere Verteilungsfehler“

Naturgemäß etwas anders beurteilte Picek das Budget. Das Budget 2023 stehe im Zeichen der Teuerungskrise und des Krieges in der Ukraine. Aber es habe „schwere Verteilungsfehler“ angesichts der Teuerung. Von den größten Steuersenkungen profitierten vor allem Unternehmen und Besserverdienende, während der Schutz der Ärmsten und der unteren Mittelschicht nicht ausreiche. Mittelfristig gefährdeten die Steuersenkungen und weiterhin fehlende vermögensbezogene Steuern den notwendigen Ausbau der Daseinsvorsorge und staatlichen Dienstleistungen.

Von der automatischen Abgeltung der kalten Progression (1,48 Mrd. Euro) profitierten vor allem Besserverdienende. Gleichzeitig werde zu wenig für den Schutz der Ärmsten vor der Teuerung getan. 2023 sei nichts dafür budgetiert, kritisierte Picek. Die Regierung verlasse sich auf die Lohnerhöhungen. Die Steuersenkung bei gleichzeitig steigenden Ausgaben sei eine schwere Belastung für das Budget. Er vermisse die Gegenfinanzierung, so Picek, der für eine Übergewinnsteuer und Vermögenssteuern plädierte. Alleine durch die fehlenden Vermögens- und Erbschaftssteuern entgingen dem Budget sechs Mrd. Euro.

2,9 Prozent Maastricht-Defizit im kommenden Jahr

Das Budget 2023 wurde zuvor im Ministerrat beschlossen und dem Nationalrat übermittelt. Das Maastricht-Defizit wird kommendes Jahr bei 2,9 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen und soll bis 2026 auf 1,6 Prozent sinken. Die Schulden steigen auf 367 Mrd. Euro, der Anteil am Bruttoinlandsprodukt sinkt aber leicht von 78,3 auf 76,7 Prozent. Bemerkenswert sind die explodierenden Zinszahlungen, diese verdoppeln sich von 4,3 auf fast neun Mrd. Euro im Jahr 2023.

Budget 2023 mit Rekordausgaben

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hielt am Mittwoch seine erste Budgetrede. Die Abfederung aktueller Krisen belastet das Budget ebenso wie die steigenden Zinsen. Gleichzeitig sorgt aber ausgerechnet die Inflation auch für höhere Steuereinnahmen im kommenden Jahr. Brunner bekennt sich jedenfalls zu den enormen Mehrausgaben.

Bis 2026 ergeben sich aus heutiger Sicht Mehrkosten beim Zinsdienst von beachtlichen elf Mrd. Euro. Das ist doppelt so viel wie in die Sicherheit oder in die ökologische Transformation der Industrie investiert wird. Die Schuldenquote sinkt zwar gemessen am BIP bis 2026 auf 72,5 Prozent, in absoluten Zahlen wächst aber der Schuldenberg auf fast 400 Mrd. Euro an.

Der administrative Nettofinanzierungssaldo des Bundes beläuft sich 2023 auf minus 17 Mrd. Euro, gegenüber 2022 ist das eine Verbesserung von 6,1 Mrd. Euro. Die Auszahlungen steigen gegenüber 2022 um 7,6 auf 115,1 Mrd. Euro, die Einzahlungen um 13,7 auf 98,1 Mrd. Euro.

Folgen der hohen Inflation

Die hohe Inflation belastet zwar das Budget durch höhere Personalkosten und Pensionen sowie Sachaufwand, gleichzeitig lässt sie aber auch die Steuereinnahmen kräftig sprudeln. 2023 nimmt der Staat ganze zehn Mrd. Euro mehr an Steuern ein. Bei der Körperschaftsteuer gibt es ein Plus von 3,5 Mrd., bei der Lohnsteuer sind es 1,9 Mrd. mehr und bei der Umsatzsteuer 3,2 Mrd. Euro. Die Kapitalertragsteuer steigt um eine Mrd. Euro.

Die Regierung investiert in Sicherheit und in die ökologische Transformation der Wirtschaft jeweils fünf Mrd. bis 2026. Die Abschaffung der kalten Progression kostet den Staat im kommenden Jahr 1,5 Mrd. Euro. Die Umsetzung der im Mai 2022 präsentierten Pflegereform beläuft sich auf 0,8 Mrd. Euro im Jahr 2023 und in Summe auf 1,7 Mrd. Euro bis 2026.

Die automatische Valorisierung der Sozialleistungen macht 2023 363 Mio. Euro aus, bis 2026 sind es 1,3 Mrd. Euro. Alleine für die Pensionen sind im kommenden Jahr 2,7 Mrd. Euro mehr budgetiert. Dafür gehen die Auszahlungen für die CoV-Krisenbewältigung deutlich zurück und sinken von 6,6 Mrd. (2022) auf 2,7 Mrd. im kommenden Jahr.