NATO sieht keine Hinweise auf aktiven Kriegseintritt von Belarus

Die NATO sieht keine Hinweise darauf, dass sich Belarus aktiv am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligen will. Trotz der Stationierung von Truppen an der Grenze zur Ukraine sei man noch immer der Ansicht, dass das Land nicht offiziell in den Krieg eingreifen wolle, sagte ein Vertreter des Militärbündnisses gestern am Rande eines Verteidigungsministertreffens in Brüssel. Als einen möglichen Grund nannte er die dann drohenden Sanktionsmaßnahmen des Westens.

Mit Blick auf den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko sagte er: „Ich glaube nicht, dass wir daran zweifeln sollten, dass Lukaschenko versteht, dass die volle Wucht der Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden, auch gegen Belarus angewandt werde, wenn die belarussischen Streitkräfte dieselbe Art von Operationen gegen die Ukraine durchführen würden.“

Lukaschenko hatte zuletzt die Bildung einer gemeinsamen regionalen Militäreinheit der Streitkräfte seines Landes mit der russischen Armee angekündigt. Aktiv nimmt das Zehn-Millionen-Einwohner-Land jedoch bisher nicht am Angriffskrieg gegen die Ukraine teil. Nach Auffassung des Westens dient Belarus Russland allerdings als Aufmarsch- und Rückzugsgebiet.

Beratungen über Putins Atomdrohungen

Die NATO-Staaten beraten zudem über die Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin, im Krieg gegen die Ukraine auch Atomwaffen einzusetzen. NATO-Kreisen zufolge sind diese Drohungen hauptsächlich dazu da, die Staaten der Allianz und andere Länder davon abzuhalten, direkt in den Krieg einzugreifen.

Sollte die Regierung in Moskau tatsächlich Kernwaffen einsetzen, würde das fast sicher eine „physische Antwort“ der Verbündeten der Ukraine und möglicherweise auch der NATO selbst zur Folge haben, so ein Insider.

Priorität bei Luftabwehr

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erachtet die Stärkung der ukrainischen Luftabwehr als prioritär. Der NATO-Chef sagte vor einem Treffen der Verteidigungsminister der NATO-Staaten in Brüssel, dass es extrem wichtig sei, dass die Bündnispartner Luftabwehrsysteme an die Ukraine lieferten. „Die oberste Priorität wird mehr Luftverteidigung sein.“ US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte der Ukraine indes langfristige Militärhilfe zu.

„Unsere Entschlossenheit, die ukrainischen Verteidiger zu unterstützen, gilt für alle Jahreszeiten“, sagte Austin gestern am Rande von Beratungen der internationalen Ukraine-Kontaktgruppe, über die Waffenlieferungen an das Land koordiniert werden. „Wir werden die Verteidigungskapazitäten der Ukraine weiter ausbauen, sowohl für die dringenden Erfordernisse von heute als auch auf lange Sicht.“

Krim-Brücke: Russland meldet Festnahmen

Unterdessen hat der russische Geheimdienst im Zusammenhang mit der Explosion auf der Krim-Brücke eigenen Angaben zufolge inzwischen mehrere Personen festgenommen. Verantwortlich für den „terroristischen Akt“ macht der Kreml die Ukraine – und setzt die von Moskau als Vergeltungsaktion bezeichneten Raketenangriffe auf ukrainische Städte fort.

Laut dem russischen Geheimdienst FSB wurden wegen der Explosion auf der Brücke bisher acht Personen festgenommen, darunter fünf russische Staatsbürger und drei aus der Ukraine und Armenien. Die Krim-Brücke, die 19 Kilometer lange Verbindung zwischen Russland und der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel, war am Wochenende durch eine gewaltige Explosion stark beschädigt worden.

Als Schuldigen sieht Moskau den ukrainischen Militärgeheimdienst, der FSB nennt namentlich dessen Chef Kyrylo Budanow als Drahtzieher. Die Ukraine nannte die russischen Ermittlungen in einer Reaktion „Unsinn“ und wollte sie nicht weiter kommentieren.

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