Großbritanniens Finanzminister Kwasi Kwarteng
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Unter Druck

Truss feuert Finanzminister

Die britische Premierministerin Liz Truss hat am Freitag ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen. Zuvor war noch über eine Ablöse der Premierministerin und Tory-Parteivorsitzenden selbst spekuliert worden. Kwarteng könnte somit die Rolle des Bauernopfers zugekommen sein, so Beobachter. Nachfolger als Finanzminister soll laut Downing Street 10 der frühere Außenminister Jeremy Hunt werden.

„Die Nachricht bedeutet, dass ein wichtiger Verbündeter von Liz Truss nach nur wenigen Wochen im Amt aus dem Spitzenteam der Premierministerin ausscheidet“, berichtete die BBC. Und weiter: Die Entlassung geschehe inmitten von Spekulationen, dass Truss am Freitag eine Kehrtwende bei den geplanten Steuerplänen der Regierung ankündigen werde.

Kwarteng bestätigte die Entlassung auf Twitter. „Sie haben mich aufgefordert, als Ihr Finanzminister zurückzutreten. Ich habe akzeptiert.“ Er werde Truss und seinen Nachfolger unterstützen. Die Vision von Truss sei die richtige. Kwartengs Amtszeit ist mit nicht einmal sechs Wochen die kürzeste seit 1970.

Kwarteng als Bauernopfer, Hunt als neuer Finanzminister

Kwarteng könnte somit das Bauernopfer sein, sagte Neil Wilson, Chefanalyst des Onlinebrokers Markets.com, noch vor der offiziellen Entlassung: „Wie viel Luft das Truss verschafft, die mit einem möglichen Putsch in ihrer eigenen Partei konfrontiert ist, bleibt abzuwarten.“ Truss will noch im Tagesverlauf vor die Presse treten, wie ihr Büro am Freitag mitteilte.

Truss ernannte den früheren Außen- und Gesundheitsminister Hunt am Freitag zum Nachfolger von Kwarteng. Der bisherige Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Parlament hatte sich im Sommer selbst um die Spitze der Konservativen Partei beworben, war aber nach wenigen Wahlgängen gescheitert.

Früherer britischer Außenminister Jeremy Hunt
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Ex-Außenminister Hunt wird neuer Finanzminister

„Times“: Truss vor Ablöse

In der Konservativen Partei nimmt einem Bericht der Londoner „Times“ zufolge auch der Widerstand gegen Truss selbst zu. Führende Torys würden eine Ablöse der Regierungschefin nach nur gut einem Monat im Amt diskutieren, schrieb die Zeitung. Es gebe Überlegungen, einen gemeinsamen Kandidaten bzw. eine gemeinsame Kandidatin für die Parteispitze aufzustellen.

Möglich sei ein Pakt zwischen Ex-Finanzminister Rishi Sunak und der Tory-Spitzenpolitikerin Penny Mordaunt, berichtete die „Times“ unter Berufung auf ranghohe Parteimitglieder. Beide waren im internen Wettkampf um die Parteispitze an Truss gescheitert. Ein „Ältestenrat“ aus Dutzenden ehemaligen Kabinettsmitgliedern sei bereit, Truss zur Aufgabe aufzufordern.

Kwasi Kwarteng
Reuters/Toby Melville
Der britische Finanzminister Kwasi Kwarteng war nur wenige Wochen im Amt

Harte Kritik an Budget

Truss und Kwarteng schlug neben der Finanzwelt und Medien auch in den eigenen Reihen seit Wochen harte Kritik entgegen. Anlass war das nur mit Schulden finanzierte Budget von Kwarteng, das heftige Marktturbulenzen ausgelöst hatte. Der Finanzplan der Regierung hatte die Märkte des Landes in Aufruhr versetzt, für negative Reaktionen gesorgt und die Bank of England dazu veranlasst einzugreifen. Das britische Pfund fiel auf einen beispiellos niedrigen Kurs im Vergleich zum Dollar, Zinsen für Staatsanleihen schossen in die Höhe.

Truss auf Schlingerkurs

Nach heftigen Protesten auch von führenden Torys nahmen Truss und Kwarteng die Streichung des Spitzensteuersatzes zurück. Auch bei der Unternehmenssteuer sehen Fachleute einen Schlingerkurs. Wie der „Guardian“ schrieb, wollte Truss die für April geplante deutliche Anhebung der Unternehmenssteuer doch nicht zurückzunehmen. Die Premierministerin hatte wiederholt betont, die noch von ihrem Vorgänger Boris Johnson beschlossene Erhöhung von 19 auf 25 Prozent wieder zu streichen. Das wäre eine weitere Kehrtwende.

Truss sagte am Mittwoch bei ihrem zweiten Auftritt in der Fragestunde des Parlaments, sie stehe „absolut“ zu ihren Wahlkampfversprechen. Im Unterhaus versicherte Truss, ihre Regierung werde trotz der Steuersenkungen dafür sorgen, „dass die Staatsverschuldung mittelfristig sinkt“. Es gehe darum, die öffentlichen Ausgaben nicht zu kürzen, sondern das Geld „gut“ auszugeben. Truss sagte, ihr Wirtschaftsplan, der noch von Kwarteng vorgestellt wurde, werde zu „mehr Wachstum und einer niedrigeren Inflation“ führen.

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, warf Truss am Mittwoch im Unterhaus vor, dass sie die Wirklichkeit verleugne und nicht zu ihrer Verantwortung für die drohende Finanzkrise stehe. Stattdessen verweise sie auf den Krieg in der Ukraine und andere Faktoren der Weltwirtschaft.

Britische Premierministerin Liz Truss
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Liz Truss bei ihrer Rede vor dem Unterhaus

Mit rechten Positionen interne Wahl gewonnen

Neben den Finanzmärkten kommt auch bei den Wählerinnen und Wählern Truss’ Kurs nicht an. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die „Times“ sprachen sich 50 Prozent dafür aus, Truss abzusetzen, nur neun Prozent stellten sich hinter die Regierungschefin. Truss war in einem parteiinternen Votum mit 57,4 Prozent der Stimmen gewählt worden, ihr Rivale Sunak kam auf 42,6 Prozent.

Truss wird dem rechten Parteiflügel zugeordnet, sie konnte in dem internen Wahlkampf für die Nachfolge an der Parteispitze mit ihren Steuervorschlägen punkten. Außerdem sammelte sie bei der Parteibasis – die deutlich älter, männlicher und wohlhabender ist als der Durchschnitt der britischen Bevölkerung – Punkte mit einer konfrontativen Linie gegenüber der EU und populistischen Äußerungen zu Flüchtlingen, Linken, Umweltaktivisten und gesellschaftlichen Minderheiten. Truss galt einst als entschiedene Brexit-Gegnerin.

König Charles empfing Truss: „Oje, oje“

Nicht gerade schmeichelhaft für Truss war auch ihr jüngster Besuch bei König Charles III. Erst seit gut einem Monat auf dem Thron, hat Charles bereits den Ruf, vor der Kamera leicht aus der Rolle zu fallen. Nachdem er bei den Zeremonien zu seiner Ausrufung als neuer König mit Flüchen über eine ausrinnende Füllfeder von sich reden machte, sorgte er nun mit einem wenig schmeichelhaften Kommentar gegenüber Truss für Aufmerksamkeit.

Truss bei König Charles

Die britische Premierminister Liz Truss ist bei ihrer Audienz von König Charles III. mit den Worten „Back again. Oh dear, oh dear“ begrüßt worden, wie auf einem Video des britischen Senders ITV zu hören ist.

Wie in einem Video des britischen Senders ITV zu hören ist, begrüßte Charles die Premierministerin bei der wöchentlichen Audienz im Buckingham-Palast am Mittwoch mit den Worten: „Back again. Oh dear, oh dear“ („Wieder da. Oje, oje“). Truss hatte zuvor einen Knicks gemacht, ihm die Hand gereicht und gesagt: „Ihre Majestät, schön Sie zu sehen.“

Das Verhältnis zwischen Truss, die nur wenige Tage vor dem Tod der Queen ins Amt kam, und dem König gilt als angespannt. Für Aufsehen sorgte vor allem, dass der zeit seines Lebens für den Klimaschutz eintretende Charles seine Teilnahme an der UNO-Weltklimakonferenz im kommenden Monat auf Wunsch der Regierung absagen musste. Truss hat im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Johnson das Thema Klimaschutz hintangestellt und wettert gerne gegen Windkraft- und Solaranlagen.