die britische Premierministerin Liz Truss
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Truss will bleiben

Minister gefeuert, Kehrtwende bei Steuern

Die unter Druck geratene britische Premierministerin Liz Truss hat am Freitag nach dem Rauswurf ihres Finanzministers erst kürzlich angekündigte Steuersenkungen teilweise wieder zurückgenommen. Einen Rücktritt lehnt sie jedoch ab.

Es sei klar, dass Teile ihres Budgets „weitergehend und schneller“ waren, als die Märkte erwartet hatten, sagte Truss bei einer Pressekonferenz in London am Freitag. „Wir müssen jetzt handeln, um die Märkte von unserer fiskalischen Disziplin zu überzeugen“, so Truss weiter. Die Ankündigung hoher Steuersenkungen hatte zuvor zu Verwerfungen an den Finanzmärkten geführt.

Die Unternehmenssteuer solle nun – wie von der Vorgängerregierung vorgesehen – doch von 19 auf 25 Prozent erhöht werden, sagte Truss. An anderen Steuererleichterungen wollte sie zunächst festhalten. Die Regierungschefin beharrte darauf, dass ihre Politik niedrigerer Steuern und hoher Investitionsanreize richtig sei. Lediglich der Markt, den die Entscheidungen, die Steuern deutlich zu senken, irritiert hätten, sei der Grund, warum sie eine Kehrtwende einlege, sagte Truss. „Ich bin fest entschlossen, das zu halten, was ich versprochen habe.“

Britischer Finanzminister muss gehen

Großbritanniens Premierministerin Liz Truss ist innerparteilich schwer in die Kritik geraten, weil die von ihr geplanten Steuersenkungen als unfinanzierbar gelten und die britischen Finanzmärkte als Folge in den Keller rasselten. Auf Kwasi Kwarteng folgt der frühere Außenminister Jeremy Hunt im Finanzministerium.

„Werden Sturm überwinden“

Truss lehnte es zudem ab, selbst zurückzutreten. Sie habe entschieden gehandelt und damit sichergestellt, dass das Land eine finanzielle Stabilität besitze. Truss sagte, sie werde immer im nationalen Interesse agieren. „Wir werden diesen Sturm überwinden.“

Finanzminister entlassen

Zuvor hatte die erst vor gut fünf Wochen ins Amt gekommene konservative Politikerin ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen. Zu seinem Nachfolger berief sie den früheren Außen- und Gesundheitsminister Jeremy Hunt. Der bisherige Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Parlament hatte sich im Sommer selbst um die Spitze der Konservativen Partei beworben, war aber nach wenigen Wahlgängen gescheitert.

Kwarteng bestätigte die Entlassung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Sie haben mich aufgefordert, als Ihr Finanzminister zurückzutreten. Ich habe akzeptiert.“ Er werde Truss und seinen Nachfolger unterstützen. Die Vision von Truss sei die richtige. Kwartengs Amtszeit ist mit nicht einmal sechs Wochen die kürzeste seit 1970.

Kwarteng könnte somit das Bauernopfer sein, sagte Neil Wilson, Chefanalyst des Onlinebrokers Markets.com, noch vor der offiziellen Entlassung: „Wie viel Luft das Truss verschafft, die mit einem möglichen Putsch in ihrer eigenen Partei konfrontiert ist, bleibt abzuwarten.“

Kwasi Kwarteng
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Der britische Finanzminister Kwasi Kwarteng war nur wenige Wochen im Amt

Heftige Kritik von Finanzmärkten

Hintergrund für die Regierungskrise sind die heftigen Reaktionen der Finanzmärkte auf die Ende September ohne Pläne zur Gegenfinanzierung angekündigten Steuersenkungen. Das Pfund fuhr im Verhältnis zum US-Dollar in den Keller.

Die Bank of England musste mehrmals intervenieren und Staatsanleihen kaufen, um deren Preisverfall aufzuhalten und den Kollaps von Pensionsfonds zu verhindern. Zuletzt hatte Notenbankchef Andrew Bailey ein Ende der Anleihenankäufe für diesen Freitag angekündigt. Nach Ansicht einiger Experten wollte er damit die Regierung zum Einlenken zwingen. Die Finanzmärkte reagierten positiv auf die Berichte über eine Kehrtwende der Regierung.

die britische Premierministerin Liz Truss während einer Pressekonferenz
APA/AFP/Daniel Leal
Truss: „Fest entschlossen, das zu halten, was ich versprochen habe“

„Times“: Truss vor Ablöse

Unterdessen nimmt in der Konservativen Partei einem Bericht der Londoner „Times“ zufolge auch der Widerstand gegen Truss selbst zu. Führende Torys würden eine Ablöse der Regierungschefin nach nur gut einem Monat im Amt diskutieren, schrieb die Zeitung. Es gebe Überlegungen, einen gemeinsamen Kandidaten bzw. eine gemeinsame Kandidatin für die Parteispitze aufzustellen.

Möglich sei ein Pakt zwischen Ex-Finanzminister Rishi Sunak und der Tory-Spitzenpolitikerin Penny Mordaunt, berichtete die „Times“ unter Berufung auf ranghohe Parteimitglieder. Beide waren im internen Wettkampf um die Parteispitze an Truss gescheitert. Ein „Ältestenrat“ aus Dutzenden ehemaligen Kabinettsmitgliedern sei bereit, Truss zur Aufgabe aufzufordern.

Einen Scherz auf Truss’ Kosten machte am Freitag die Boulevardzeitung „Daily Star“. Sie richtete eine Liveübertragung auf YouTube ein, auf der ein Foto der Premierministerin neben einem Salatkopf mit aufgeklebten Augen zu sehen ist. Die Frage dazu lautet: „Hält sich Liz Truss länger als dieser Salat?“ Der „Economist“ hatte Truss angesichts der sich rasch entwickelnden Regierungskrise kürzlich bescheinigt, die Haltbarkeitsdauer eines Salats zu haben.