riesiges Poster auf einem Gebäude am Valiasr-Platz in Teheran
APA/AFP
Iran

Werbebanner als PR-Desaster für Regime

Die Proteste im Iran weiten sich trotz schwerer Repressionen aus. Rund 200 Menschen sollen bereits gestorben sein, darunter auch Kinder und Jugendliche. Die Behörden hängten zuletzt auf einem zentralen Platz in Teheran ein großes Werbebanner auf, das unter dem Motto „Frauen meines Landes“ 50 Frauen mit Hidschab zeigte. Innerhalb von 24 Stunden wurde es nach wütender Kritik wieder entfernt.

Einige der abgebildeten Frauen erhoben Einspruch gegen das riesige Plakat auf dem Waliasr-Platz in der iranischen Hauptstadt. Nach ihren Aussagen seien ihre Bilder missbraucht worden, sie seien nicht nach ihrem Einverständnis gefragt worden, die Bilder zu verwenden. Mindestens drei von ihnen, darunter auch die preisgekrönte iranische Schauspielerin Fatemeh Motamed-Aria, verlangten die Entfernung des Plakats, das die Revolutionsgarden veranlasst hatten.

Motamed-Aria veröffentlichte ein emotionales Video dazu: „Ich bin die Mutter von Mahsa, ich bin die Mutter von Sarina, ich bin die Mutter aller Kinder, die in diesem Land getötet werden, ich bin die Mutter des ganzen Iran, keine Frau im Land der Mörder“, sagte sie darin, bezugnehmend auf Mahsa Amini, jene 22-jährige Kurdin, deren Tod in Polizeigewahrsam die Proteste ausgelöst hatte, sowie auf die 16-jährige Sarina Esmaeilsadeh, die bei den Protesten starb.

riesiges Poster auf einem Gebäude am Valiasr-Platz in Teheran
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Am Freitag wurde das Plakat gegen ein neues ausgetauscht. Die Fotos sind weg, übrig bleibt die Aufschrift: „Die Frauen meines Landes, des Iran“.

„Ich werde nicht als Frau betrachtet in einem Land, in dem kleine Kinder, kleine Mädchen und freiheitsliebende Jugendliche auf seinen Feldern getötet werden“, so Motamed-Aria laut dem britischen „Guardian“. Rasch nach Veröffentlichung des Videos zogen andere prominente Iranerinnen nach, etwa die Regisseurin Marsieh Boroumand und die Bergsteigerin Parwaneh Kasemi, deren Bilder ebenfalls auf dem Banner zu sehen waren.

Nun hängt weißes Plakat

Boroumand schrieb auf Instagram: „Meine Herren, entfernen Sie mein Foto von der Wand, unter der Sie Kinder und Jugendliche unterdrückt haben. Ich werde niemals zulassen, dass eine Gruppe innerhalb oder außerhalb des Landes meine kulturelle Identität zu ihrem eigenen Vorteil nutzt.“

Nur einen Tag später, am Freitag in der Früh, wurde das neue Plakat wieder entfernt. Unterstützer der Regierung verkündeten, der Grund liege nicht in der Kritik der abgebildeten Frauen. Eine verdächtige Person sei auf dem Banner abgebildet gewesen, weshalb es entfernt werden sollte, hieß es ohne Details. Nun ziert das Gebäude auf dem Waliasr-Platz ein neues Plakat mit derselben Aufschrift, aber ohne Fotos.

23 Kinder und Jugendliche tot

Der Vorfall zeigt, wie sich iranische Frauen trotz der möglichen Folgen öffentlich zu Wort melden und Partei gegen das Regime ergreifen. Die Proteste gehen unvermindert weiter und wachsen zudem weiter an. Trotz erschwerten Zugangs zu Onlineplattformen wie Instagram und WhatsApp riefen Aktivistinnen und Aktivisten für Samstag zu Kundgebungen unter dem Motto „Der Anfang vom Ende!“ auf.

Und das, obwohl die Behörden hart gegen die Proteste vorgehen. In den bisher vier Wochen seit deren Ausbruch sollen laut Menschenrechtsgruppen über 200 Menschen durch Sicherheitskräfte getötet worden sein. Am Freitag berichtete Amnesty International, man habe 144 Todesopfer identifizieren und dokumentieren können, 23 davon seien Kinder bzw. Jugendliche gewesen.

Es handle sich um 20 Burschen im Alter zwischen elf und 17 Jahren und drei Mädchen, von denen zwei 16 und eines 17 Jahre alt waren. Die meisten Burschen seien von Sicherheitskräften erschossen worden, drei Mädchen und ein Bub seien „nach tödlichen Schlägen durch Sicherheitskräfte“ gestorben, hieß es in dem Bericht.

Weitere schwere Vorwürfe

Dieses Vorgehen untermauere, „mit welcher Brutalität“ die Behörden versuchten, die Proteste im Land zu unterdrücken, so Amnesty International. Anderen Organisationen zufolge könnten die Zahlen noch höher sein. Die im Iran ansässige Iranische Gesellschaft zum Schutz der Kinderrechte berichtete diese Woche zudem, Familien würden über das Schicksal ihrer verhafteten Kinder „im Unklaren gelassen“.

Dem iranischen Menschenrechtsanwalt Hassan Raissi zufolge würden einige Jugendliche in Einrichtungen für erwachsene drogenabhängige Straftäter inhaftiert. Das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) hatte sich am Montag „sehr besorgt“ über Berichte geäußert, wonach „Kinder und Jugendliche getötet, verletzt und festgenommen“ worden seien.

Das Regime gibt sich trotz der Unruhen unbeeindruckt. Der oberste geistliche Führer Ajatollah Ali Chamenei warnte am Freitag in einer Rede vor einer „Spaltung in den Reihen der Muslime“, ohne die Proteste ausdrücklich zu erwähnen. Man könne die Islamische Republik nicht erschüttern. Der Iran sei ein mächtiger Baum, "und niemand soll glauben, dass man ihn entwurzeln kann“.