Zelte in Thalham
APA/Neumayr/MMV
Asyl

Widerstand gegen Zelte

Die steigenden Asylwerberzahlen sorgen für Probleme bei der Unterbringung. Wie schon 2015, als Tausende Menschen nach Österreich kamen bzw. durch das Land reisten, sollen die Ankommenden – insbesondere junge Männer – in Zelten untergebracht werden. So lautete der Plan des Innenministeriums. Länder und Opposition protestieren.

Der Bund drängt wegen der Zunahme von Flüchtlingen in den Bundesbetreuungseinrichtungen dringend darauf, dass die Länder verstärkt Asylwerbende und Vertriebene (insbesondere aus der Ukraine) in ihre Grundversorgung aufnehmen und für entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten sorgen. Die Bundesbetreuungsagentur (BBU) kündigte wegen der Engpässe bei den Betreuungsplätzen an, wie schon 2015 wieder Asylwerber in Zelten unterzubringen.

„Wir werden in Vorarlberg keine Zelte aufstellen. Nach dem Gespräch mit dem Innenminister werden zum jetzigen Zeitpunkt auch bundesseits keine Zelte in Vorarlberg aufgestellt“, teilte Vorarlbergs Landesrat Christian Gantner (ÖVP) am Samstag mit – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at . Auch Tirol will keine Zelte, man werde Gebäude suchen und anbieten – mehr dazu in tirol.ORF.at . Gegen Zelte ist man auch in Wien – mehr dazu in wien.ORF.at . In Kärnten hat man ebenfalls gegen die Pläne protestiert – mehr dazu in kaernten.ORF.at .

Trotz Ablehnung: Pläne bleiben bestehen

Doch ungeachtet der Ablehnung aus Vorarlberg und Tirol werden die Vorbereitungen „nach derzeitigem Stand“ wie vom Innenministerium beauftragt zu Beginn der kommenden Woche aufgenommen werden, hieß es am Samstag gegenüber der APA. In Kärnten wurden bereits am Samstag in Villach und Klagenfurt laut BBU je fünf beheizte Zelte für jeweils acht Personen aufgestellt. Gedacht sind die Zelte für mehrere hundert allein reisende junge Männer ohne Bleibewahrscheinlichkeit. Frauen, Kinder und Familien kommen in feste Unterkünfte.

Zelte in Thalham
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Bereits 2015 wurden im Erstaufnahmezentrum Thalham bei St. Georgen Zelte aufgebaut (Archivbild)

Großen Widerstand gegen die Zeltpläne gibt es in Oberösterreich, konkret in der 4.800-Einwohner-Gemeinde St. Georgen im Attergau, wo am Samstag Zelte auf dem Grund des Bundes beim bestehenden Erstaufnahmezentrum aufgestellt werden sollten. „Zur Not sperren wir halt die Autobahn", sagte Bürgermeister Ferdinand Aigner (ÖVP). Er will sich – wie 2015 – gegen die Zelte wehren. Im Erstaufnahmezentrum würden bereits 150 junge Männer leben, im ehemaligen Sanatorium Rupp habe man 70 Waisenkinder aus der Ukraine aufgenommen.

Nun zusätzlich noch einmal zehn Zelte für bis zu hundert Menschen aufzustellen, das sei zu viel, so Aigner. Er habe sich mit allen Fraktionen in der Gemeinde und den Bürgermeistern der Nachbargemeinden Straß im Attergau und Berg im Attergau zusammengetan. „Wir werden uns wehren. Bis Montag schauen wir uns die Lage an, und dann wissen wir wie“, so Aichinger. Es müssten auch andere Gemeinden etwas beitragen, die Unterbringung in Zelten sei zudem „menschenrechtlich verwerflich“ – mehr dazu in ooe.ORF.at

NÖ: „Kommt nicht infrage“

Geflüchtete in Zelten unterzubringen komme auch in Niederösterreich „nicht infrage“, hieß es aus dem Büro von Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Diese seien im Moment auch nicht geplant, man erfülle die vom Bund vorgegebene Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen „sowieso fast“ durch die Unterbringung vieler Vertriebener aus der Ukraine, hieß es – mehr dazu in noe.ORF.at.

Im Burgenland bezeichnete die SPÖ die Zelte als „Totalversagen der ÖVP-Grünen-Bundesregierung“. Große Quartiere, Lager oder Zelte werde es im Burgenland „mit Sicherheit nicht geben“, so Landesgeschäftsführer Roland Fürst. Die Regierung in Wien solle „möglichst rasch zurücktreten“. Die SPÖ Burgenland und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil würden seit Monaten auf die schwierige Situation an der burgenländischen Grenze hinweisen, wo pro Woche 3.000 bis 4.000 Menschen illegal ins Land kämen, so Fürst – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

BBU-Geschäftsführer bittet um Solidarität

BBU-Geschäftsführer Andreas Achrainer appellierte am Samstag in der ZIB erneut an die Solidarität der Bundesländer. Die Zeltlösung sei notwendig, weil der Bund am Ende seiner Kapazitäten sei und die Länder Flüchtlinge nicht übernehmen. Die BBU würde gerne auf feste Unterkünfte zurückgreifen und sei hier auch schon im Gespräch, insbesondere mit Tirol und Vorarlberg. „Im Vordergrund steht, dass wir keine Obdachlosigkeit produzieren“, so Achrainer.

Bund rechtfertigt Zeltlager

Der Geschäftsführer der Bundesbetreuungsagentur, Andreas Achrainer, sah angesichts des immer größer werdenden Zustroms von Migranten keine andere Möglichkeit, als wie schon 2015 Zelte auf Bundesgrundstücken aufzustellen.

„Monumente des Totalversagens“

Auch die Opposition hat mit den Zelten aus unterschiedlichen Gründen keine Freude. „Diese Zelte sind ‚Monumente des Totalversagens‘ dieser Bundesregierung und von Innenminister Karner. Sie haben unser Land sehenden Auges in dieselben Zustände geführt, wie wir sie aus dem Katastrophenjahr 2015 kennen und die sich noch verschärfen werden“, so FPÖ-Chef Herbert Kickl. Er tritt per Aussendung für ein sofortiges Aussetzen des Asylrechts und echten Grenzschutz samt Legalisierung von Zurückweisungen ein. Illegal eingereiste Migranten und Migrantinnen müssten in Ausreisezentren untergebracht werden.

NEOS-Asylsprecherin Stephanie Krisper forderte Karner wiederum auf, er solle „endlich von seinem Durchgriffsrecht Gebrauch machen und dieser Managementkrise ein Ende setzen“. Er solle nicht länger hinnehmen, dass sich vor allem die ÖVP-geführten Bundesländer weiter weigern, bereits zugelassene Asylwerbende aufzunehmen, und nun trotz leerstehender Quartiere Zelte aufgestellt werden sollen. „Der Föderalismus darf nicht dazu führen, dass Menschen in Österreich kein echtes Dach über dem Kopf haben und der Innenminister genauso tatenlos zuschaut wie der ÖVP-Parteichef Bundeskanzler Nehammer.“

Kritik von UNHCR Österreich und Caritas

Kritik an der Zeltunterbringung gab es auch vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und der Caritas. Christoph Pinter von UNHCR Österreich nannte es auf dem Kurznachrichtendienst Twitter „unverständlich“, dass Zelte für Asylwerber gebraucht werden. „Die Grundversorgungszahlen sind kaum gestiegen, aber die Bundesländer stellen zu wenig Unterkünfte bereit“, sagte er und nahm die Länder in die Pflicht.

„Wir haben eine föderale Solidaritätskrise und keine Flüchtlingskrise“, so Klaus Schwertner, geschäftsführender Caritas-Direktor der Erzdiözese Wien, auf Twitter. Die Bevölkerung leiste Großartiges gerade bei der Unterbringung und Integration ukrainischer Familien. „Darauf darf sich die Politik nicht ausruhen.“

Appell an Länder und Kritik an EU

Am Donnerstag hatte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei der Landesflüchtlingsreferentenkonferenz wegen der steigenden Zahlen bei Asylwerbern und Vertriebenen zusätzliche Maßnahmen in allen Bundesländern angekündigt, „möglicherweise müssen auch Zelte aufgestellt werden“, sagte er. Falls die Zahl der Ankommenden – derzeit rund 600 Personen pro Tag – weiterhin so hoch bliebe, „werden wir nicht um Zelte herum kommen“, betonte Achrainer.

Protest gegen neue Zeltlager für Migranten

In Oberösterreich und Kärnten werden wie schon 2015 wieder Zeltlager für Migranten aufgebaut – wegen des bereits seit Längerem ansteigenden Zustroms werden die Quartiere knapp.

In der „Welt“ hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den starken Anstieg der Migration in Österreich beklagt und zugleich die EU scharf kritisiert. „Ich erwarte, dass die EU-Kommission in die Gänge kommt“, sagte er. Nach den Worten des Kanzlers verzeichnete Österreich zwischen Anfang Jänner und Ende August nahezu 57.000 Asylanträge – ein Plus von 195 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Laut der Statistik des Innenministeriums waren es 56.150 Anträge, im Vorjahr 19.058. Im Jahr 2015 lag die Zahl bei 88.340 Anträgen. In Sachen Grundversorgung muss auch berücksichtigt werden, dass dieses Jahr der Ukraine-Krieg mitspielt. Denn von den knapp 90.000 Personen, die in die Grundversorgung von Bund und Länder aufgenommen wurden, stammen deutlich mehr als die Hälfte aus der Ukraine. Sie erhalten außerhalb des Asylsystems Schutz.