Schäden nach einem Feuer vor dem Gefängnis bei Teheran
APA/AFP
Nach Feuer in Gefängnis

Teheran meldet Todesopfer

Nach dem Brand im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran haben die Behörden die ersten Toten gemeldet. Mindestens vier Gefangene seien ums Leben gekommen und Dutzende weitere Inhaftierte verletzt worden, hieß es. Die Hintergründe sind nach wie vor unklar.

Die Umstände des Brandes in der Anstalt sind von offizieller Seite auch nicht weiter beschrieben worden. Sowohl Menschenrechtsorganisationen als auch Kritikerinnen des Regimes hatten bereits in der Nacht Opfer in der Haftanstalt befürchtet. Der Brand war am Samstag ausgebrochen, nach Angaben von Augenzeugen waren auch mehrere Explosionen sowie Schüsse zu hören.

Im Ewin-Gefängnis im Norden Teherans sitzen zahlreiche politische Gefangene und auch Demonstrierende, die dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert sind. Auch Doppelstaatsbürger sind in Ewin inhaftiert.

Iran: Feuer im Ewin-Gefängnis

In der iranischen Hauptstadt Teheran ist im Ewin-Gefängnis, in dem vor allem politische Häftlinge untergebracht sind, Samstagabend nach einem Streit unter Insassen ein Feuer ausgebrochen.

Auf tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilten Videos waren chaotische Bilder rund um das Gefängnis zu sehen. Viele Angehörige der Inhaftierten eilten aus Sorge zum Ort des Geschehens. Die Straßen rund um die Haftanstalt wurden abgesperrt, auch Hupkonzerte wurden vernommen, die während der landesweiten Proteste immer wieder Zeichen der Solidarität mit den Demonstrationen sind.

„Hooligans und Randalierer“

Nach offizieller Darstellung soll es sich um einen internen Konflikt in dem Gefängnis handeln. Die Gefängnisleitung sprach von einer „kurzfristigen Meuterei“ und von „Hooligans und Randalierern“. Die Nachrichtenagentur TASNIM meldete, die wegen Sicherheitsvergehen Inhaftierten seien nicht an dem Vorfall beteiligt gewesen. Gemeint waren damit unter anderem die regierungskritischen Demonstrantinnen und Demonstranten. Die Teheraner Staatsanwaltschaft bestritt ebenso einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten.

Regierungsgegnerinnen und -gegner spekulierten hingegen, dass das Regime den Brand absichtlich gelegt haben könnte. Zudem kursierten Berichte, wonach das Feuer in jenen Bereichen, in denen Demonstrierende untergebracht sind, ausgebrochen war. Keine der Angaben ließ sich jedoch unabhängig überprüfen.

USA besorgt

Kritiker im Ausland hatten vor einem Blutbad in dem Gefängnis gewarnt. „Die Inhaftierten, darunter zahllose politische Gefangene, sind in diesem Gefängnis völlig schutzlos“, sagte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI) laut einer Mitteilung. „Die iranischen Behörden haben wiederholt gezeigt, dass sie das menschliche Leben völlig missachten, und wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden.“

Die USA äußerten sich besorgt über die dramatische Lage. „Wir verfolgen die Berichte aus dem Ewin-Gefängnis mit großer Dringlichkeit“, schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, am Samstag (Ortszeit) auf Twitter. „Der Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten.“

US-Präsident Joe Biden hatte kürzlich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Massenproteste im Iran seine Solidarität zugesichert. Das kritisierte die iranische Führung am Sonntag als Einmischung. „Der Iran ist zu stark, als dass sein Wille durch die Einmischung eines Politikers gebrochen werden kann, der nach Jahren des Scheiterns müde ist“, so der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, auf Instagram.

EU-Chefdiplomat fordert vom Iran Transparenz

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerte sich angesichts der Berichte über den verheerenden Brand im Ewin-Gefängnis zutiefst besorgt. „Wir erwarten maximale Transparenz über die Situation“, schrieb der Spanier auf Twitter. Die iranischen Behörden seien für das Leben aller Inhaftierten verantwortlich. Dazu gehörten auch Menschenrechtsverteidiger und EU-Bürger. Borrell teilte weiter mit, er habe dem iranischen Außenminister Hossein Amirabdollahian angesichts der Situation seine „schwerwiegendsten Sorgen“ übermittelt.

Das österreichische Außenministerium forderte die Regierung in Teheran auf, „die Sicherheit aller im Gefängnis Ewin Festgehaltenen sicherzustellen, einschließlich der fälschlicherweise wegen friedlicher Meinungsäußerung gefassten Personen“. Auf Twitter kündigte das Ministerium zugleich an, dass die EU-Außenminister am Montag Sanktionen wegen der Menschenrechtsverletzungen im Kontext der derzeitigen Iran-Proteste beschließen werde. Die EU-Staaten hatten sich bereits am Mittwoch auf Diplomatenebene auf die Strafmaßnahmen gegen das Regime in Teheran verständigt.

Griff an den Po bringt Polizei unter Druck

Für das islamische Regime läuft derzeit wenig nach Plan. Angeheizt wurde die Stimmung im Land am Wochenende nicht zuletzt durch ein Video, das zeigt, wie ein Polizist bei einem Protest einer Frau an den Po greift. Der Vorfall, den andere Demonstrierende aufgenommen und in sozialen Netzwerken geteilt hatten, sorgte landesweit für Empörung. Die Polizei versuchte zunächst, das Video als von Regimegegnern manipulierte Aufnahme darzustellen, lenkte dann aber ein. Der Fall werde nun untersucht, hieß es in einer Presseerklärung laut Medienangaben am Samstag.

Der Übergriff soll sich in dieser Woche im Norden der Hauptstadt Teheran ereignet haben. Auf dem Video ist zu sehen, dass die Polizei eine Demonstrantin festnehmen will. Diese wehrte sich jedoch vehement. Daraufhin fasste einer der Polizisten der Frau an den Po. In sozialen Netzwerken reagierten Menschen empört und fragten, wie die Polizei eines islamischen Staates solch einen sittenwidrigen und sexistischen Übergriff begehen könne. Die Demonstrantin konnte letztendlich mit Hilfe von anderen Demonstranten freikommen.

Raisi will Gesetze überprüfen

Präsident Ebrahim Raisi, der für sein brutales Vorgehen gegen Regimegegner bekannt ist, gab sich unterdessen erstmals gesprächsbereit. Er sehe es als notwendig an, einige der im Land geltenden Gesetze zu überprüfen. „Bei der Überprüfung der kulturellen Strukturen ist es unbedingt erforderlich, die Gesetze zu überprüfen, zu überarbeiten, zu aktualisieren und gegebenenfalls auch zu revidieren“, sagte Raisi am Samstag.

Schäden nach einem Feuer in einem Gefängnis bei Teheran
APA/AFP
Schäden nach dem Feuer: Die Hintergründe sind unklar

Dabei sei auch der Dialog notwendig, um bestimmte Themen kontinuierlich zu bewerten und „Zweifel“ innerhalb der Gesellschaft auszuräumen. „Wir sollten auch sehen, ob wir die gesetzten Ziele erreicht haben, und wenn nicht, wo die Probleme liegen“, sagte er laut Nachrichtenagentur IRNA. So sollten laut Raisi auch der Status und die Möglichkeiten von Frauen mehr in den Fokus rücken. Welche Gesetze er konkret meinte und ob seine Forderung etwa den Kopftuchzwang betrifft, sagte Raisi nicht.

Bei den andauernden Protesten sind nach Angaben der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisationen Iran Human Rights (IHR) bisher mindestens 108 Menschen getötet worden, darunter 28 Kinder.