Frauen flüchten vor Polizisten auf Motorrädern
AP
Proteste im Iran

EU-Sanktionen gegen Religionspolizei

Bei den nun schon einen Monat andauernden Protesten im Iran sind bisher wohl über 200 Menschen ums Leben gekommen. Das Regime geht hart gegen die Demonstrierenden vor. Die EU verhängt nun Maßnahmen gegen die berüchtigte Religionspolizei. Sollte die Gewalt anhalten, soll es weitere Schritte geben.

Am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg verkündete die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, dass Sanktionen vorbereitet würden. Wenig später gab es den offiziellen Beschluss. Auf der am Montag im Amtsblatt der EU veröffentlichten Sanktionsliste stehen elf Verantwortliche sowie vier Organisationen, darunter neben der Religionspolizei auch die Cybereinheit der Revolutionsgarde. Gegen alle Betroffenen werden Einreiseverbote verhängt, zudem wird ihr Vermögen in der EU eingefroren.

Ziel sei es, die Verantwortlichen für brutale Verbrechen an Frauen, Jugendlichen und Männern zur Verantwortung zu ziehen, so Baerbock zuvor. Im Iran würden Frauen, die ohne Kopftuch aus dem Haus gehen oder abends gemeinsam singen und tanzen wollen, dafür verprügelt und zum Teil umgebracht – mehr dazu in religion.ORF.at. Weitere Sanktionen sind nach Angaben von Baerbock bereits in Vorbereitung. Angesichts dessen, was gerade im Iran geschehe, würden weitere Pakete folgen, sagte sie.

EU-Sanktionen gegen den Iran

Die EU wird nach Angaben der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock Sanktionen gegen die iranische Religionspolizei verhängen. Ziel sei es, die Verantwortlichen für brutale Verbrechen an der iranischen Bevölkerung zur Verantwortung zu ziehen, sagte sie am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg.

Iran droht mit „umgehender“ Reaktion

Kurz vor Bekanntwerden der Entscheidung der EU hatte der Iran für den Fall von Sanktionen eine „umgehende“ Reaktion angekündigt. Teheran werde „umgehend entsprechend den Entscheidungen und Maßnahmen“ der EU-Mitgliedsländer selbst „entscheiden und handeln“, sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums am Montag. „Wenn sie neue Sanktionen einleiten, ist diese Aktion definitiv unkonstruktiv und irrational.“

Im Iran gehen seit rund vier Wochen die Menschen überall im Land täglich auf die Straße. Auslöser der Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die junge Frau war am 16. September unter ungeklärten Umständen gestorben, nachdem sie wegen ihres angeblich „unislamischen Outfits“ von der Religionspolizei festgenommen worden war. Die Polizei weist Vorwürfe der Gewalt gegen Amini entschieden zurück.

Die Proteste wuchsen sich inzwischen zu einem Aufstand aus, das Regime in Teheran gerät zunehmend unter Druck. Bei den Demos gehen Sicherheitskräfte teils brutal gegen Demonstrierende vor, die Zahlen von Toten und Inhaftierungen steigen.

Acht Tote nach Gefängnisbrand

Etliche der Verhafteten sitzen im berüchtigten Teheraner Ewin-Gefängnis ein. In der Haftanstalt war am Samstag ein Brand ausgebrochen, Augen- und Ohrenzeugen berichteten zudem von Explosionen und Schüssen. Was genau passierte, ist unklar. Nach jüngsten offiziellen iranischen Angaben kamen mindestens acht Gefangene ums Leben, Dutzende weitere Inhaftierte wurden verletzt. Die Gefängnisleitung und die Teheraner Staatsanwaltschaft bestritten, dass der Vorfall mit regimekritischen Inhaftierten zu tun gehabt habe. Es habe sich um Unruhen von „Hooligans und Randalierern“ gehandelt.

Schäden nach einem Feuer in einem Gefängnis bei Teheran
APA/AFP
Schäden nach dem Feuer im Ewin-Gefängnis: Die Hintergründe sind noch immer unklar

Das Gefängnis im Norden Teherans gilt landesweit als der Ort für Misshandlung und Folter von insbesondere politischen Gefangenen. Regierungsgegnerinnen und -gegner spekulierten am Wochenende, dass das Regime den Brand absichtlich gelegt haben könnte. Zudem kursierten Berichte, wonach das Feuer in jenen Bereichen, in denen Demonstrierende untergebracht sind, ausgebrochen war. Keine der Angaben ließ sich unabhängig überprüfen.

Auch Österreicher in Ewin-Gefängnis

Auch mehrere Ausländerinnen und Ausländer sowie Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft – darunter auch zwei Österreicher – sind im Ewin-Gefängnis inhaftiert. Das Außenministerium teilte am Montag auf APA-Anfrage mit, es stehe seit Samstagabend ständig in Kontakt mit den iranischen Behörden, europäischen Partnern vor Ort und mit den Familien der beiden österreich-iranischen Doppelstaatsbürger in Österreich. Die beiden Inhaftierten hätten den Brand unbeschadet überstanden, hieß es. Das Außenministerium wolle sich weiterhin mit aller Kraft für die Freilassung der beiden Österreicher aus humanitären Gründen einsetzen, wurde betont.

EU-Sanktionen gegen Religionspolizei

Bei den nun schon einen Monat andauernden Protesten im Iran sind bisher wohl über 200 Menschen ums Leben gekommen. Das Regime geht hart gegen die Demonstrierenden vor. Die EU verhängt nun Maßnahmen gegen die berüchtigte Religionspolizei. Sollte die Gewalt anhalten, soll es weitere Schritte geben.

Raisi will Gesetze überprüfen

Dem iranische Präsidenten Ebrahim Raisi entgleitet die Lage mit den zunehmenden Protesten sichtlich. Am Wochenende gab er sich erstmals gesprächsbereit. Er sehe es als notwendig an, einige der im Land geltenden Gesetze zu überprüfen. „Bei der Überprüfung der kulturellen Strukturen ist es unbedingt erforderlich, die Gesetze zu überprüfen, zu überarbeiten, zu aktualisieren und gegebenenfalls auch zu revidieren“, sagte Raisi am Samstag.

Dabei sei auch der Dialog notwendig, um bestimmte Themen kontinuierlich zu bewerten und „Zweifel“ innerhalb der Gesellschaft auszuräumen. „Wir sollten auch sehen, ob wir die gesetzten Ziele erreicht haben, und wenn nicht, wo die Probleme liegen“, sagte er laut Nachrichtenagentur IRNA. So sollten laut Raisi auch der Status und die Möglichkeiten von Frauen mehr in den Fokus rücken. Welche Gesetze er konkret meinte und ob seine Forderung etwa den Kopftuchzwang betrifft, sagte Raisi nicht.

Menschenrechtsgruppen verurteilen Unterdrückung

Am Montag verurteilten mehr als 40 Menschenrechtsgruppen die tödliche Unterdrückung der Demonstrationen im Iran. Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch zeigten sich „tief beunruhigt“ über den Einsatz der „Repressionsmaschine“ gegen die landesweite Protestbewegung.

Die Gruppen verurteilten die diskriminierenden verpflichtenden Gesetze zum Tragen von Kopftüchern. Diese setzten die Gewalt gegen Frauen und Mädchen fort und behielten ihnen das Recht auf Würde und ein autonomes Leben vor.