Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde
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Von Militär bis Wirtschaft

Revolutionsgarde hat Iran im eisernen Griff

Mit den Protesten im Iran ist auch die Revolutionsgarde erneut in den Blick gerückt. Die auch Pasdaran genannte Organisation ist die mächtigste Militärmacht im Lande. Doch die Revolutionsgarde ist auch mit der Wirtschaft und der Machtstruktur des Landes tief verwoben. Sollte das iranische System zerfallen, haben die Revolutionsgarden alles zu verlieren, wie die „New York Times“ („NYT“) nun schreibt.

Während sie sich selbst als „Bewahrer der Revolution und ihrer Errungenschaften“ sehen, gelten die Revolutionsgarden Kritikern und Kritikerinnen als größtes Hindernis für einen gemäßigteren Kurs des Iran.

Die Garden entwickelten sich zu einer professionellen Parallelarmee mit eigenen Boden-, Luft- und Seestreitkräften. Ihnen untersteht auch das umstrittene Raketenprogramm, das die USA und ihre regionalen Verbündeten als akute Bedrohung sehen. Das International Institute for Strategic Studies (IISS) schätzt ihre Stärke auf 125.000 Mann, wie es 2019 hieß.

Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde
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Die Saberin sind eine Spezialeinheit der Revolutionsgarden – in beiger Camouflage

Aus informellen Milizen hervorgegangen

Nach der Revolution spielten die Pasdaran eine wichtige Rolle beim „Export der Revolution“ und unterhielten bzw. unterhalten auch enge Kontakte zu militanten Oppositionsgruppen in den Nachbarstaaten des Iran. Im Inneren sind sie das Rückgrat des Systems.

Die Proteste der letzten Wochen haben allerdings den Staat erschüttert, so die „NYT“ weiter. Doch der Schutz des konservativ-theokratischen Systems sei in gewissem Sinne bereits seit der iranischen Revolution und der Gründung der islamischen Republik 1979 in Form der Revolutionsgarden mitgedacht worden, so die „NYT“ weiter.

Gottes- oder Militärstaat?

Gegründet wurden sie aus informellen Milizen. Der Revolutionsführer und Gründer der Islamischen Republik, Ajatollah Chomeini, ordnete ihre Gründung zur Verteidigung von möglichen Staatsstreichen durch die reguläre Armee an – also als Aufpasser über die anderen bewaffneten militärischen Einheiten.

iranische Polizisten auf Motorrädern
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Milizen, die der Revolutionsgarde unterstehen, unterstützen die Polizei gegen Protestierende

Die Revolutionsgarde ist mit ihren mehr als 100.000 Mitgliedern nicht nur eine große Militärmacht im Iran, sondern auch einer der Hauptakteure in der iranischen Wirtschaft. Einige Fachleute gehen bereits so weit, nicht mehr von einer Theokratie der schiitischen Geistlichen zu sprechen, sondern von einem Militärstaat, der von den Revolutionsgarden regiert wird, so die „NYT“ weiter.

Basidsch als eine Art Hilfspolizei

Unter der Schirmherrschaft der Pasdaran befindet sich auch eine paramilitärische Miliz ohne Uniform: die Basidsch. Sie werden als eine Art Hilfspolizei etwa während der Proteste eingesetzt und sind für ihr brutales Vorgehen berüchtigt. Sie hatten etwa ihren Anteil an der Niederschlagung der vergangenen Proteste, wie etwa 2009. Bei den nunmehrigen Protesten scheinen sie für das Regime mit ihrem Einsatz noch nicht den gewünschten Erfolg zu erzielen.

Erst in letzter Zeit wurden daher weitere Kämpfer für das Regime bei der Niederschlagung der Proteste eingesetzt. Diese Männer in hellbraunen Camouflage-Uniformen sind Mitglieder einer Spezialeinheit der Revolutionsgarden – die Saberin. Die Pasdaran selbst werden nur in Ausnahmesituationen auf der Straße eingesetzt. Insgesamt hat das Regime seine loyalsten Soldaten für die Kontrolle der Bevölkerung eingesetzt, so die „NYT“.

iranische Polizisten vertreiben Demonstranten während einem Protest
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Die Milizen im Auftrag der Revolutionsgarden sind von anderen Sicherheitskräften im Gedränge schwer zu unterscheiden

Auch reguläre Streitkräfte ähnlich strukturiert

Um Solidarisierung mit den Protestierenden zu verhindern, wird den Revolutionsgarden eingetrichtert, dass sie bei einem Systemwechsel von der nunmehrigen Opposition erschossen würden, so die Zeitung weiter. Und die Revolutionsgarden hätten bei einer erfolgreichen neuen Revolution gegen die Geistlichkeit einiges zu verlieren.

Die regulären iranischen Streitkräfte sind ähnlich wie die Revolutionsgarden aufgebaut und bestehen ebenfalls aus mehreren „Schichten“. Neben der Armee gibt es auch noch Sicherheitskräfte, die im Inland eingesetzt werden, sowie Eliteeinheiten und an die Streitkräfte angeschlossene Milizen ohne Uniform.

Experte: Reguläre Armee nun „viel prominenter“

Bei den Streitkräften scheint einiges im Fluss, so der Iran-Experte Walter Posch zu ORF.at. Die Revolutionsgarden würden sich aktuell zwar weiterhin um Standardoperationen der inneren Sicherheit kümmern, die reguläre Armee stehe nun aber „viel prominenter“ da als zuvor. Eine genaue Einordnung der Entwicklung sei noch nicht möglich, so Posch.

„Tatsache ist, dass die Islamische Republik auch intern vor einem Verschieben der Machtgewichte steht“, so der Iran-Kenner. Die Machthaber würden das genau beobachten.

Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde
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Revolutionsgarden bei einer Parade

Von Drohnen bis zu ballistischen Raketen

Die Revolutionsgarden können allerdings ein regelrechtes Arsenal ihr Eigen nennen, wie die „NYT“ schreibt: Von Drohnen, die dem Vernehmen nach von Russland auch in der Ukraine eingesetzt werden, bis zu ballistischen Raketen reicht die Palette an Kriegsgerät. Auch ein gefürchteter Geheimdienst gehört zu den Pasdaran. Seine Arbeit richtet sich vor allem gegen oppositionelle politische Aktivisten und Aktivistinnen.

Der Auslandsarm der Garden, die Al-Kuds-Brigaden, gründete und überwacht ein Netzwerk von schiitischen Stellvertretermilizen etwa im Libanon, Syrien, dem Irak und dem Jemen, die im Iran ausgebildet und bewaffnet wurden.

Industrie, Finanzen und Tourismus

Auch politisch hat die Revolutionsgarde im Iran einiges mitzureden. So hält etwa der ehemalige hochrangige Offizier der Revolutionsgarden, Mohammed Baker Ghalibaf, nun das Amt des Parlamentssprechers. Von 2005 bis 2017 war er Bürgermeister von Teheran.

Wirtschaftlich sind die Pasdaran im Iran eine Großmacht. Sie besitzen Fabriken und Unternehmen sowie Gesellschaften in den Bereichen Finanzen, Infrastruktur und Wohnungsbau. Auch bei Fluggesellschaften, Tourismus und in anderen Sektoren haben sie wichtige wirtschaftliche Interessen. Die Revolutionsgarden und ihr riesiger Apparat wissen durch Firmenkonstrukte und Zusammenarbeiten mit dem weitgespannten Netz ihres Auslandsarmes die herrschenden Sanktionen etwa durch Schmuggel zu umgehen, schreibt die „NYT“ weiter.

Keine staatliche Aufsicht

Revolutionsgarden haben auch gegenüber der Regierung keine Rechenschaftspflicht, wie die „NYT“ schreibt. Selbst wenn etwa Korruption öffentlich wird, was allerdings so gut wie nie passiert, greift die Regierung offenbar nicht ein und lässt die Revolutionsgarden ihre „Probleme“ selbst regeln.

Obwohl der oberste geistliche Führer, Ajatollah Ali Chamenei, nominell Oberbefehlshaber der Streitkräfte des Iran ist, haben die Pasdaran ihre eigene Hierarchie und damit Befehlskette. Es gebe keine staatliche Aufsicht darüber, woher das Geld der Revolutionsgarden komme und wofür es ausgegeben werde, so Roham Alvandi von der London School of Economics in der „NYT“.

„Und wir sprechen dabei von einem großen Teil des iranischen Staates“, so Alvandi. Reichtum und Macht bzw. der Einfluss der Revolutionsgarden hänge am Überleben des gesamten Systems, deshalb würden die Garden auch die Proteste als eine derart große Bedrohung wahrnehmen. Und die Befehlshaber an der Spitze hätten auch am meisten zu verlieren, so Alvandi weiter.