Prodi bei SPÖ-Festakt für „EU-Außen- und -Militärpolitik“

„Die Rolle Europas muss fest implementiert werden mit einer gemeinsamen Außen- und Militärpolitik.“ Diese klare Forderung erhob der ehemalige EU-Kommissionspräsident und italienische Ex-Premier Romano Prodi gestern Abend anlässlich einer Festveranstaltung zum 85. Geburtstag des früheren SPÖ-Bundeskanzlers Franz Vranitzky in der Nationalbibliothek in Wien.

Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Ambitionen Chinas, neben den USA zum großen „Global Player“ zu werden, müsse ein Vereintes Europa auch danach trachten, eine führende Rolle einzunehmen, waren sich Prodi und Vranitzky einig. Dazu müsse es aber eine gemeinsame Strategie geben, erklärten die beiden Ex-Regierungschefs auch hinsichtlich des Mottos der Veranstaltung, „Zeitenwende in Europa“.

Vranitzky: EU aus Schrecken zweier Weltkriege geboren

Vranitzky erinnerte daran, dass die EU letztlich aus den Schrecken zweier Weltkriege geboren worden war. So gesehen müsse schon betont werden, dass der russische Angriff auf die Ukraine zwar ein „Krieg in Europa sei“, aber kein Krieg „in unserer Gemeinschaft“. Das sei doch ein großer Unterschied.

Europa müsse als vergleichsweise kleiner Kontinent aber aufpassen, nicht zum Hinterhof Russlands, Chinas oder der USA zu werden. Es werde aber nur gemeinsam gelingen „zu bestehen“, argumentierte der Jubilar, der am 4. Oktober den 85er begangen hatte.

Prodi hielt fest, Europa müsse nicht danach streben, eine Supermacht zu werden, doch sollte die Europäische Union danach trachten, „wieder Relevanz auf der Weltbühne zu bekommen“. Das würde auch die Einigkeit fördern. Sonst drohe in den Mitgliedsländern ein jeweiliges Erstarken von „Nationalismus“ und „Populismus“. Dazu seien große Anstrengungen nötig. „Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“

„Europa braucht Einigkeit und Stärke“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erinnerte in ihrer Rede daran, dass zur Zeit der Beitrittsverhandlungen Österreichs zur EU während der Kanzlerschaft Vranitzkys Mitte der 1990er Jahre in Europa mit dem Jugoslawien-Krieg gerade ein Konflikt am Balkan tobte, der geprägt war von „Gewalt, Missachtung der Menschenrechte und Terror“.

Parallelen zum aktuellen Geschehen in der Ukraine seien offensichtlich, meinte die SPÖ-Chefin und zog den Schluss: „Die große Idee eines gemeinsamen Europa ist ein Versprechen, aber keine Garantie, dass es keine Probleme gibt.“

Um auch die aktuellen Herausforderungen wie Teuerungen und mögliche Knappheiten bei der Energieversorgung bewältigen zu können, brauche es in Europa „Einigkeit und Stärke“, postulierte Rendi-Wagner. Europa könne aber nur dann stark sein, wenn es auch „stark in der Bevölkerung verankert“ sei.

Den aktuellen Sorgen müsse sich die Sozialdemokratie annehmen, forderte auch Vranitzky, zumal „die Konservativen“ mit ihren Gießkannen-Bonus-Zahlungen keine Treffsicherheit erzielen könnten. Jetzt könne die Sozialdemokratie bei den Menschen punkten, meinte Vranitzky und erinnerte an den alten Parteislogan „Mit uns geht die neue Zeit“. Scherzhafter Nachsatz: „Wir müssen nur aufpassen, dass sie nicht geht, und wir bleiben da.“