Robin Jentys als Bradley
Rita Newman/TdJ
„Bradley“

Anarchostofftiere gegen das System Schule

Es gibt Bereiche der Bühnenkunst, die sind vor Regietheaterdebatten sicher. Nach der jüngsten erfolgreichen Premiere von „Mehr als alles andere auf der Welt“ am Akademietheater für ein junges Publikum zeigt das Theater der Jugend in Wien, wie man Coming-of-Age mit großer Wirkung thematisiert. „Bradley – letzte Reihe, letzter Platz“ heißt das Stück, das vom Aufstand eines Burschen gegen alle Systemzwänge der Schule erzählt. Es stellt ihm am Anfang eine Armada sprechender Stofftiere an die Seite, sodass selbst die „Muppet Show“ blass würde.

Bradley Chalkers ist der beste Spucker der Welt. Er lehnt seine Mitmenschen ab, fühlt sich von Lehrern und Eltern missverstanden. Bradley verteidigt seine Kindheitswelt gegen die Systemzwänge von Schule und Gesellschaft, mit einer mit ihm eingeschworenen Gruppe von Stofftieren. Die Tiere können Gott sei Dank reden, solange niemand in Bradleys Welt stört. Doch es stören eben ganz schön viele – und so muss sich Bradley eine Welt von Notlügen zimmern, die ein Lügengebäude erzeugen, in dem es immer enger und unerfreulicher wird.

Dass man aus einer engen Welt nur rauskommt, wenn einem jemand die Hand reicht, man selber den Mut fassen kann, die Geister, die einen vermeintlich schützen, loszuwerden, davon erzählt das Stück des New Yorker Anwalts Louis Sachar, der sich auf dem Terrain der Jugendliteratur einen großen Namen gemacht hat – nicht zuletzt mit dem Roman „Löcher“. Gerald Maria Bauer hat die deutsche Bühnenfassung von „Bradley“ besorgt, die ab Dienstag am Theater der Jugend zu sehen ist – und die mit einem leichtfüßigen Szenenwechseltheater und großem Soundtrack im Hintergrund zeigt, dass es keine ausweglose Situation in der Ecke der Gesellschaft geben muss.

Vater Sohn und Stofftiere
Rita Newman/TdJ
Wenn der Vater eintritt, schweigen die Fellfreunde

Wenn die Außenseiterwelt in Bewegung kommt

Als Bradley, großartig verkörpert von Robin Jentys, mit Jeff Fishkin (Stephan Rosenthal) einen neuen Schulkameraden erhält, kommt Bewegung in ein Klassengefüge zwischen Funktionieren müssen und alltäglichem Bullying. Als dann noch eine Psychologin an die Schule geholt wird, die keinem Normklischee entspricht, kommt die Welt von Bradley in Bewegung.

Bradleys Stofftiere sind die gar nicht so stummen Zeugen dieses Wandlungsprozesses. Als Kollektiv einer Gegenwelt kommentieren sie den mutigen Aufstand ihres besten Freundes mit – und müssen doch fürchten, auf dem Friedhof einer jugendlichen Entwicklungsgeschichte zu landen. Doch das Stück in der Regie von Nicole Claudia Weber liebt die Rebellen – und so bringt die Allianz aus Anarchostofftieren und einer unangepassten Psychologin so viel Befreiung in diese Welt, dass zwar am Ende just die gehen muss, die mit ihrem Hang, sich nicht anzupassen, gerade den spießigen Direktor und die nicht weniger verkrampften Eltern gegen sich aufbringt.

Jugendparty bei Bradley
Rita Newman/TdJ
Coming of age is the hardest thing – vor allem, wenn man davor im Eck stand

Auflehnung und der Mut zum Mut

Den Kindern darf aber eine Welt gelingen, in der man alte Rollenmuster ablegt. Man muss nicht mit Boris Vian auf die Gräber der Generation vor sich spucken. Aber man darf sich auflehnen gegen alles, was einen umgibt, solange die Auflehnung nicht die eigenen Schwächen zudeckt. Davon handelt „Bradley“. Und das Stück ist zugleich frech genug, die Coming-of-Age-Konflikte an so heiklen Orten wie Buben- und Mädchenklos zu inszenieren.

Leicht ist diese Form des Theaters, direkt und schön. Und so, dass man trotz des großen, anzitierten Soundtracks zwischen Foals, Metronomy, Red Hot Chili Peppers und Guns n’ Roses die eine oder andere Träne verdrücken darf, zu der Art, wie Entwicklungsgeschichte hier perspektiviert wird.