Thomas Schmid, 2020
APA/Hans Punz
WKStA

Thomas Schmid will Kronzeuge werden

Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid will im CASAG-Verfahrenskomplex Kronzeuge werden. Das gab die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Dienstagvormittag in einer Pressemitteilung bekannt. Schmid sei mit dem Wunsch an die Ermittler herangetreten, ein formeller Antrag sei aber noch nicht erfolgt. Die WKStA bestätigte später zwei Hausdurchsuchungen, laut ORF-Informationen unter anderem in Rene Benkos Signa Holding.

Seit Juni fanden bei der WKStA insgesamt 15 ganztägige Vernehmungen statt, bei denen Schmid „umfassend“ befragt wurde, so die WKStA. Schmids Anwalt Thomas Kralik hatte noch im August Gerüchte dementiert, wonach sein Mandant mit der WKStA kooperiere. Am Dienstag meinte Kralik gegenüber der APA, dass er Schmid nicht mehr vertrete.

Wegen der möglichen „Ermittlungsgefährdung“ waren die Vernehmungsprotokolle bisher von der Akteneinsicht ausgenommen, so die WKStA. Diese würden nun zum Akt genommen, wodurch auch die übrigen Verfahrensbeteiligten Einsicht haben. Im CASAG-Verfahren sind alle Ermittlungsstränge zusammengefasst, die sich aus dem „Ibiza-Video“ ergeben haben. Darunter sind etwa die Casinosermittlungen und auch die Ermittlungen zum „Beinschab-Tool“ bzw. der ÖVP-Inseratenaffäre.

Die WKStA führt in diesem Zusammenhang gegen rund 45 Beschuldigte (natürliche Personen und Verbände) Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue, der falschen Beweisaussage, des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Bestechlichkeit, der Bestechung und der Verletzung des Amtsgeheimnisses in unterschiedlichen Beteiligungsformen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Hausdurchsuchung bei Signa Holding

Die durch die Vernehmungen Schmids gewonnenen Informationen würden geprüft und allfällig weitere darauf fokussierte Ermittlungen durchgeführt, so die WKStA. In einer von zwei Causae, die Schmids Aussagen ausgelöst haben dürften, wird gegen zwei Beschuldigte ermittelt, informierte die WKStA am Nachmittag in einer weiteren Aussendung.

Demnach soll im Zeitraum 2016 bis 2018 ein „österreichischer Unternehmer“ dem damaligen Finanzgeneralsekretär Schmid für die parteiische Unterstützung im Steuerprüfungsverfahren seines Konzerns einen Vorteil, nämlich eine gut bezahlte Führungsposition in diesem Konzern, angeboten haben, damit es zu keiner oder einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt. Die WKStA sprach von Hausdurchsuchungen an zwei Unternehmensstandorten.

Laut ORF-Informationen soll eine der Hausdurchsuchungen am Dienstag bei Rene Benkos Signa Holding stattgefunden haben. „Die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) waren offenbar auf der Suche nach Unterlagen von Gutachtern, die eine oder mehrere Immobilien des Konzerns in Wien bewertet haben“, schrieb auch der „Standard“ (Onlineausgabe).

Untreue zugunsten „einer politischen Partei“?

In einem weiteren Komplex wird laut WKStA wiederum gegen drei Beschuldigte wegen des Vorwurfs der Untreue ermittelt. Gegenstand dieser Ermittlungen ist der Verdacht, dass im Jahr 2017 Schmid als Generalsekretär sowie ein weiterer Verantwortlicher des Finanzministeriums budgetäre Mittel zur Finanzierung von „parteipolitisch motivierten Beratungskosten“ eines Consulting-Unternehmens zur Vorbereitung der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen „im Interesse einer politischen Partei“ verwendet haben. In diesem Jahr kam es zur Bildung der türkis-blauen Regierung.

Die türkisfarbene Netzwerkerin Gabriela Spiegelfeld bestätigte am Nachmittag Medienberichte über eine Durchsuchung ihres Büros. Laut Spiegelfeld handelte es sich um eine „freiwillige Nachschau“ in ihrem Immobilienbüro. Das Ganze habe eine Dreiviertelstunde gedauert, sagte sie zur APA. Dabei habe ihr Mann anhand von Korrespondenzen nachweisen können, nie etwas mit einem Gutachten zu tun gehabt zu haben, das eine Immobilie von Benko auf der Wiener Tuchlauben betrifft. Laut Spiegelfeld war dieses Gutachten Grund für die „Nachschau“.

Anwalt heimlich gewechselt?

Wie die „Kronen Zeitung“ am Dienstag berichtete, soll Schmid selbst seinen bisherigen Anwalt, Thomas Kralik, nicht über die laufenden Befragungen und seine Ambitionen auf den Kronzeugenstatus informiert haben. Dieser soll erst durch die nunmehrige Aussendung der WKStA davon erfahren haben. Jurist Roland Kier sei seit April 2022 von Schmid beauftragt, so die „Kronen Zeitung“. Die Befragungen hätten, um sie geheim halten zu können, nicht in Wien stattgefunden.

Beinschab bereits als Kronzeugin bestätigt

Sollte Schmid auch noch formell den Kronzeugenstatus im CASAG-Verfahren beantragen, dürfte dieser noch längst nicht gesichert sein. Ein Kronzeuge ist nämlich eine Person, die eine Straftat begangen hat und freiwillig einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung leistet. Zuletzt hatte die Meinungsforscherin Sabine Beinschab in der ÖVP-Affäre den Kronzeugenstatus zugestanden bekommen.

Im Gegenzug kann die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das Ermittlungsverfahren unter Vorbehalt späterer Verfolgung einstellen. Einen Anspruch darauf gibt es aber nicht. Die Kronzeugenregelung war in Österreich 2011 eingeführt worden, erst 2021 wurde sie um sieben Jahre verlängert. Den Kronzeugenstatus kann es bei Korruptions- und Wirtschaftskriminalität sowie bei Delikten mit Strafdrohung über fünf Jahre geben. Zentrales Kriterium ist die Freiwilligkeit.

Schmid will Kronzeugenstatus

Der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, strebt den Kronzeugenstatus an. In 15 Befragungen soll er im Rahmen des CASAG-Verfahrens umfassende Auskünfte gegeben haben.

Geständnis und neue Tatsachen oder Beweismittel nötig

In der Strafprozessordnung ist die Kronzeugenregelung in Paragraf 209a geregelt: Ein Täter hat das Recht, die Anwendung der Regelung zu verlangen, wenn er „freiwillig an die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei herantritt, ein reumütiges Geständnis über seinen Tatbeitrag ablegt und sein Wissen über neue Tatsachen oder Beweismittel offenbart, deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt, die umfassende Aufklärung (…) über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern (…)“. Außerdem darf die Person noch nicht als Beschuldigter vernommen worden sein und noch keine Zwangsmaßnahmen gegen sie ausgeübt worden sein.

In Beinschabs Fall wurde der Kronzeugenstatus dennoch gewährt – obwohl die Freiwilligkeit ihres Geständnisses durch ihre Festnahme eingeschränkt war. Möglich ist das, wenn etwa im Rahmen einer Vernehmung völlig neue Tatsachen oder Beweismittel offenbart werden. Ob das in der Causa Schmid auch der Fall ist, ist der Öffentlichkeit unbekannt.

FPÖ für U-Ausschuss-Verlängerung

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker appellierte am Dienstag an NEOS, doch noch einer Verlängerung des ÖVP-U-Ausschusses zuzustimmen. Schließlich gebe es noch genug politische Verantwortung aufzuarbeiten, meinte er bei einer Pressekonferenz. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper hatte vor knapp zwei Wochen einer Verlängerung eine Absage erteilt. Auf ORF.at-Nachfrage hieß es von NEOS-Seite, man bleibe dabei und sehe keinen Anlass für eine Verlängerung.

Kritik übte Hafenecker an der Tatsache, dass Schmid ganze 15-mal bei der WKStA ausgesagt und sich gleichzeitig einer Aussage im U-Ausschuss entzogen habe. Diesbezüglich kündigte der freiheitliche Fraktionsführer parlamentarische Anfragen an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) an. Denn schließlich habe man im U-Ausschuss einen Antrag auf behördliche Vorführung gestellt. Da könne man ja glauben, man befinde sich in einem „Operettenstaat“, wo die Behörden nicht miteinander kommunizieren.

Dass Schmid einen Kronzeugenstatus beantragen will, goutiert Hafenecker nicht. Seiner Rechtsansicht nach sollte das nur jemandem vorbehalten sein, der minderbelastet ist und nicht wie Schmid „in der Mitte des Geschehens gestanden ist“.