Aufnahme zeigt beschädigte Nord-Stream-Pipeline
Reuters/Blueye
„Nord Stream 1“

Unterwasservideo zeigt Explosionsschaden

Ende September sind in den von Russland nach Deutschland führenden Ostsee-Gaspipelines „Nord Stream 1“ und „2“ mehrere Lecks entdeckt worden, die laut Ermittlern von starken Explosionen verursacht wurden. Nun zirkulieren erstmals Unterwasseraufnahmen, die das Ausmaß der Zerstörung an „Nord Stream 1“ zeigen.

Ein norwegisches Unternehmen für Unterwasserdrohnen fertigte die Aufnahmen an und stellte sie der schwedischen Zeitung „Expressen“ zur Verfügung. Auf den Videos ist zu sehen, dass mindestens 50 Meter der Pipeline zerstört oder unter dem Meeresboden begraben wurden. Die am Montag in 80 Meter Tiefe gefilmten Aufnahmen zeigten unter anderem große Risse und verbogenes Metall.

Trond Larsen, Drohnenpilot der Firma Blueye Robotics, sagte „Expressen“, nur „extreme Gewalt kann solch dickes Metall auf diese Weise verbiegen“. Es sei zudem „eine sehr große Auswirkung auf den Meeresgrund“ um die Pipeline zu sehen gewesen, ergänzte Larsen. Die Aufnahmen entstanden nach Untersuchungen der schwedischen Regierung.

Video zeigt Schäden an „Nord Stream 1“

Unterwasseraufnahmen haben erstmals das volle Ausmaß der Zerstörungen an der Pipeline „Nord Stream 1“ durch eine Explosion Ende September veranschaulicht. Die in 80 Meter Tiefe gefilmten Aufnahmen zeigten unter anderem große Risse und verbogenes Metall.

Es sei unklar, inwieweit die bereits erfolgten Untersuchungen der Behörden den Tatort verändert hätten. Schwedische Ermittler hatten gesagt, sie hätten nach Abschluss ihrer Ermittlungen Material an Ort und Stelle beschlagnahmt.

Auch Dänemark sieht Explosionen als Ursache

Schweden hatte bereits im Oktober mitgeteilt, dass die Lecks der Auffassung seiner Behörden nach auf „grobe Sabotage“ durch Explosionen zurückzuführen seien. Dieser Theorie pflichtete nun auch offiziell die dänische Polizei bei. Untersuchungen der beiden Pipelines hätten bestätigt, dass die Zerstörung „durch starke Explosionen verursacht“ worden sei. In einem schwedisch-dänischen Zwischenbericht war von einer Sprengkraft wie von „Hunderten Kilo“ des Sprengstoffs TNT die Rede gewesen.

Blasen auf Wasseroberfläche nahe Bornholm
Reuters/Danish Defence Command
Die Lecks machten sich auch an der Meeresoberfläche bemerkbar

Die Polizei kündigte an, ein gemeinsames Ermittlungsteam mit dem dänischen Geheimdienst PET zu bilden. Es sei aber noch zu früh zu sagen, ob bei den Ermittlungen eine internationale Kooperation mit Schweden und Deutschland möglich sei.

Bericht: Schweden gegen gemeinsame Ermittlungen

Vergangene Woche hatte es Berichte gegeben, denen zufolge Schweden die Bildung einer internationalen Ermittlungsgruppe abgelehnt habe. Gegenüber deutschen Stellen habe die schwedische Seite mitgeteilt, die Sicherheitseinstufung der Informationen in ihrem Ermittlungsverfahren sei so hoch, dass man diese nicht mit anderen Staaten teilen könne. Das berichtete unter anderem der „Spiegel“.

Wenig später ruderte die damalige schwedische Premierministerin Magdalena Andersson zurück und betonte gegenüber Reuters, dass man bei dem Thema kooperiere. Seitens des deutschen Innenministeriums betonte man ebenfalls, dass Erkenntnisse auch ohne Ermittlungsgruppe international geteilt würden.

In Deutschland leitete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts eines Sprengstoffanschlags sowie der verfassungsfeindlichen Sabotage ein. Innenministerin Nancy Faeser teilte zuletzt mit, es gebe „bislang noch keine neuen Erkenntnisse“. Man könne noch nicht sagen, wer für den Angriff verantwortlich sei. Man ermittle in alle Richtungen.

NATO und EU gehen von Sabotage aus

An den Pipelines waren insgesamt vier Unterwasserlecks festgestellt worden, aus denen tagelang enorme Mengen an Gas austraten. Die Lecks befinden sich in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm teils in dänischen, teils in schwedischen Gewässern. Die EU und die NATO gehen von Sabotage aus.

Grafik zur Nord Stream und Gaslecks
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa/BBC

Der Kreml hatte Spekulationen über eine russische Beteiligung als „dumm und absurd“ zurückgewiesen. Der russische Präsident Wladimir Putin selbst hatte von einem „internationalen Terroranschlag“ geredet und angedeutet, dass aus seiner Sicht die USA dahinterstecken könnten.

Sorge um kritische Infrastruktur

Seit dem Vorfall ist die Sorge um Europas kritische Infrastruktur erheblich gewachsen. Die NATO-Staaten verständigten sich auf eine bessere Überwachung des Energie- und Unterwasserbereichs und verstärkten die maritime Überwachung. Deutschland kündigte zudem die Einrichtung einer Koordinationsstelle zum Schutz kritischer Infrastruktur an.

Auch die EU-Kommission legte am Dienstag Empfehlungen an die EU-Staaten vor, mit denen die Bereiche Energie, digitale Infrastruktur, Verkehr und Weltraum besser geschützt werden sollen. Besonders wichtig sei der Schutz grenzüberschreitender Infrastruktur und Dienste, die Auswirkungen auf mehrere EU-Staaten hätten. Stresstests wurden angekündigt.

Nervosität herrschte zuletzt auch in Norwegen, wo immer wieder Drohnen nahe Anlagen der Energieinfrastruktur gesichtet wurden. Mehrfach wurden russische Bürgerinnen und Bürger wegen verdächtigen Verhaltens festgenommen.

Unerlaubt Fotos angefertigt

In der Vorwoche griff die Polizei zwei Russen auf, die mit Drohnen Fotos von Hubschraubern des norwegischen Militärs angefertigt hatten. Am Dienstag machte die norwegische Polizei vier weitere Festnahmen publik. Vier Männer und eine Frau hätten unerlaubt Fotos von verschiedenen Objekten gemacht. Bei ihnen sei umfangreiches Fotomaterial beschlagnahmt worden, sagte der Polizeibeamte Gaute Rydmark dem Sender TV2.

Die vier Personen hätten aber bestritten, etwas Verbotenes getan zu haben, und sich stattdessen als einfache Urlaubsgäste ausgegeben. Sie waren nach Erkenntnissen der norwegischen Polizei Ende September oder Anfang Oktober über Finnland nach Norwegen eingereist.