Thomas Schmid 2020
APA/Hans Punz
„Ibiza“ und CASAG

Schmid belastet Kurz schwer

Der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, strebt in dem vom „Ibiza-Video“ ausgelösten CASAG-Verfahrenskomplex den Kronzeugenstatus an. Schmid trat, wie am Dienstag bekannt wurde, von sich aus an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) heran und sagte seit Juni an insgesamt 15 Tagen aus. Am Abend wurden erste Details aus den Einvernahmen publik – und die haben es in sich.

Die WKStA führt in dem CASAG-Komplex gegen 45 Beschuldigte (natürliche Personen und Verbände) Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue, der falschen Beweisaussage, des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Bestechlichkeit, der Bestechung und der Verletzung des Amtsgeheimnisses in unterschiedlichen Beteiligungsformen. Eine Reihe von ihnen, darunter Altkanzler Sebastian Kurz und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP), werden durch Schmids Aussagen offenbar schwer belastet. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

In den Protokollen heißt es etwa: „Sebastian Kurz hat mich rund um den Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 angerufen. Ich müsse jetzt eine schriftliche Stellungnahme abgeben, wonach er nichts von all (diesen) Vorwürfen wisse.“ Kurz habe sehr insistiert, ihn dazu gedrängt, „die ganze Schuld auf mich zu nehmen“, und er sei deswegen auf Tauchstation gegangen, so Schmid.

Rechtsexperte und Politologe zu Thomas Schmid

Robert Kert, der Institutsvorstand für Wirtschafts- und Strafrecht an der Wirtschaftsuniversität in Wien, und Politologe Peter Filzmaier sprechen zu Thomas Schmids Kronzeugenstatus und den neu aufgekommenen Belastungen.

Zum „Beinschab-Tool“ – eines PR-Tools, von dem Kurz und die ÖVP mittels von Steuerzahlerinnen und -zahlern finanzierten Umfragen profitiert haben sollen – sagte Schmid laut Protokoll, Kurz habe nicht nur davon gewusst, sondern Schmid habe es sogar in dessen Auftrag umgesetzt.

„Für Sebastian Kurz und seine Zwecke“

Die Idee zum „Beinschab-Tool“ habe er erstmals mit Kurz zu dessen Zeit als Außenminister, also jedenfalls vor März 2016, besprochen. Kurz sei davon fasziniert gewesen, dass diverse Akteure unter dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann eng mit der Meinungsforscherin Sophie Karmasin zusammengearbeitet hätten, was ihnen Einfluss auf Umfrageergebnisse ermöglicht hätte. Kurz war damals noch nicht Parteiobmann, daher habe er es auch nicht über die Partei finanzieren können.

Kurz sei klar gewesen, dass es nur über das Finanzministerium finanziert werden könne, so Schmid: „Das Gespräch mit Kurz war für mich der Ausgangspunkt. Für mich war das ein Auftrag vom angehenden Chef, und ich war voller Tatendrang.“

Doppelschaltung zur Chataffäre

Investigativjournalistin Ulla Kramer-Schmid (ORF) und Claudia Dannhauser (ORF) analysieren die jüngsten Ereignisse der Chataffäre und die Bestrebungen Thomas Schmids, als Kronzeuge auszusagen.

Es folgen weitere brisante Aussagen: „Ich habe Kurz und die ÖVP aus dem BMF (Bundesministerium für Finanzen; Anm.) heraus gefördert, die Ressourcen des BMF genutzt, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen. Dies umfasst Personal im Kabinett, Personalbesetzungen, ‚wordings‘, Berechnungen, Vorbereitungen für Verhandlungen einer neuen Regierung, Personalbesetzungen und dies auch manchmal am Minister vorbei, für Sebastian Kurz und seine Zwecke.“

Kurz-Anwalt: „Behauptungen sind falsch“

Schmid laut Protokoll weiter: „Im Wissen, dass Inserate des BMF nicht zu Wahlkampfzwecken der ÖVP geschaltet oder bezahlt werden dürfen, hat das BMF rund um den Wahlkampf 2017 Inserate in allen Medien geschaltet.“ Der Sprecher von Kurz habe ihm gesagt, dass die Inserate des BMF „auf Kurz zu buchen“ seien. Damit habe der Sprecher gemeint, dass Kurz vorgeben könne, welche Themen und welche mediale Berichterstattung als Gegenleistung dafür in der Mediengruppe „Österreich“ platziert würden. „Als ich noch im BMF gearbeitet habe, war es so, dass ich im Bundeskanzleramt bekannt geben und ‚einmelden‘ musste, welches Werbebudget und welche Inseratenbudgets das BMF verwendet hat.“

Kurz’ Anwalt Werner Suppan wies die Aussagen zurück. „Die von Schmid aufgestellten Behauptungen sind falsch. Er hofft vielmehr, indem er alle anderen anpatzt und beschuldigt, den Kronzeugenstatus erwirken zu können. Seine Beschuldigungen sind falsch und das wird auch noch bewiesen werden.“

Wegen der möglichen „Ermittlungsgefährdung“ waren die Vernehmungsprotokolle bisher von der Akteneinsicht ausgenommen, teilte die WKStA am Dienstag mit. Diese würden nun zum Akt genommen, wodurch auch die übrigen Verfahrensbeteiligten Einsicht haben. Im CASAG-Verfahren sind alle Ermittlungsstränge zusammengefasst, die sich aus dem „Ibiza-Video“ ergeben haben. Darunter sind etwa die Casinosermittlungen und auch die Ermittlungen zum „Beinschab-Tool“ bzw. der ÖVP-Inseratenaffäre.

„Mag. Sobotka intervenierte bei mir“

Auch über eine angebliche Intervention Sobotkas, als Schmid noch im Finanzministerium tätig war, findet sich eine Niederschrift: „Mag. Sobotka intervenierte bei mir – meiner Erinnerung nach in der Zeit als Spindelegger noch Minister war oder Schelling in der Anfangsphase – dahingehend, dass er mir mitteilte, dass es betreffend das Alois-Mock-Institut oder die Alois-Mock-Stiftung (das weiß ich nicht mehr genau) sowie die Erwin-Pröll-Stiftung Steuerprüfungen gebe, und dass das nicht sein könne. Es sei zu erledigen. Ich habe diese Information im BMF entweder an Kabinettsmitarbeiter oder an Sektionschefs weitergegeben. Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden.“

„Haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren“

Schmid begründet seine Aussagen damit, dass er einen Wandel in sich selbst durchgemacht habe. „Nach meinem Ausscheiden aus der ÖBAG habe ich beschlossen, einen neuen Weg zu gehen und einen Schlussstrich zu machen. Ich habe begonnen, die ganze Sache aufzuarbeiten. Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren.“ Das Umdenken sei auch darauf zurückzuführen, dass er das Gefühl gehabt habe, benutzt zu werden, so Schmid. Ein weiterer „ganz wesentlicher Punkt“ sei gewesen, „dass meine Mutter zu mir gesagt hat, wir haben dich so nicht erzogen, wenn du etwas falsch gemacht hast, dann steh dazu und das mit allen Konsequenzen“.

Sebastian Kurz und Rene Benko im Dezember 2018
APA/Hans Klaus Techt
Ex-Kanzler Kurz und Unternehmer Rene Benko werden durch Schmids Aussagen belastet

Auch Benko belastet

Die Aussagen von Schmid haben auch weitere Ermittlungen und Hausdurchsuchungen nach sich gezogen, darunter soll sich die Signa Holding des Investors Rene Benko befinden. Es geht um Bestechung, Amtsmissbrauch und Untreue.

In einer von zwei Causae wird gegen zwei Beschuldigte ermittelt, informierte die WKStA. Demnach soll im Zeitraum 2016 bis 2018 ein „österreichischer Unternehmer“ dem damaligen Finanzgeneralsekretär Schmid für die parteiische Unterstützung im Steuerprüfungsverfahren seines Konzerns einen Vorteil, nämlich eine gut bezahlte Führungsposition in diesem Konzern, angeboten haben, damit es zu keiner oder einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt. Die WKStA sprach von Hausdurchsuchungen an zwei Unternehmensstandorten.

In einem weiteren Komplex wird laut WKStA wiederum gegen drei Beschuldigte wegen des Vorwurfs der Untreue ermittelt. Gegenstand dieser Ermittlungen ist der Verdacht, dass im Jahr 2017 Schmid als Generalsekretär sowie ein weiterer Verantwortlicher des Finanzministeriums budgetäre Mittel zur Finanzierung von „parteipolitisch motivierten Beratungskosten“ eines Consulting-Unternehmens zur Vorbereitung der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen „im Interesse einer politischen Partei“ verwendet haben. In diesem Jahr kam es zur Bildung der türkis-blauen Regierung.