Thomas Schmid 2021
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Gegen Kurz und ÖVP

Schmid liefert belastende Aussagen

Thomas Schmid hat ausgepackt: Der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium kooperiert seit April im CASAG-Verfahrenskomplex mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), wie am Dienstag bekannt wurde. Am Abend wurden erste Details aus den Einvernahmen publik – der frühere Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und andere einstige Weggefährten Schmids werden darin schwer belastet.

Erst vergangene Woche stellte Kurz ein neues Buch vor, in dem sein Aufstieg in der ÖVP, seine außenpolitischen Kontakte, die Koalitionen mit FPÖ und Grünen sowie die „Ibiza“- und die Chataffäre beleuchtet werden sollten. Wenige Tage später scheinen seine dazugehörigen Medienauftritte wie aus der Zeit gefallen.

Zu den – aufgrund der Ermittlungen gegen Schmid bekannt gewordenen – Chats und deren Folgen hält Kurz im Buch fest, es gebe in seinen Augen „eigentlich nur eine einzige Nachricht, die man mir vorwerfen kann“: „Und zwar, dass ich über meinen Vorgänger Reinhold Mitterlehner bestätigend geschrieben habe, er sei ein ‚Oarsch‘“. Mittlerweile stehen schwerer wiegende Vorwürfe im Raum. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

15 ganztägige Vernehmungen

Kurz sei in der Inseratenaffäre involviert gewesen, und die ÖVP habe das Geld und die Strukturen des Finanzministeriums für das Fortkommen der Partei und von Kurz missbraucht, sagte Schmid aus. Schmid war im April mit dem Wunsch nach einer Kronzeugenregelung an die Anklagebehörde herangetreten, wie die WKStA mitteilte. Ein formeller Kronzeugenantrag wurde bis dato laut WKStA aber nicht gestellt. Seit Juni fanden insgesamt 15 ganztägige Vernehmungen statt, bei denen Schmid „umfassend“ befragt wurde.

Rechtsexperte und Politologe zu Thomas Schmid

Robert Kert, der Institutsvorstand für Wirtschafts- und Strafrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Politologe Peter Filzmaier sprachen zu Thomas Schmids Kronzeugenstatus und den neu aufgekommenen Belastungen.

Die WKStA führt in dem CASAG-Komplex gegen 45 Beschuldigte (natürliche Personen und Verbände) Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue, der falschen Beweisaussage, des Missbrauchs der Amtsgewalt, der Bestechlichkeit, der Bestechung und der Verletzung des Amtsgeheimnisses in unterschiedlichen Beteiligungsformen. Im CASAG-Verfahren sind alle Ermittlungsstränge zusammengefasst, die sich aus dem „Ibiza-Video“ ergeben haben. Darunter sind etwa die Casinosermittlungen und auch die Ermittlungen zum „Beinschab-Tool“ bzw. der ÖVP-Inseratenaffäre.

Gedrängt, „die ganze Schuld auf mich zu nehmen“

In den Protokollen der Schmid-Aussage heißt es etwa: „Sebastian Kurz hat mich rund um den Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 angerufen. Ich müsse jetzt eine schriftliche Stellungnahme abgeben, wonach er nichts von all (diesen) Vorwürfen wisse.“ Kurz habe sehr insistiert, ihn dazu gedrängt, „die ganze Schuld auf mich zu nehmen“, und er sei deswegen auf Tauchstation gegangen, so Schmid.

Zum „Beinschab-Tool“ – einem PR-Tool, von dem Kurz und die ÖVP mittels von Steuerzahlerinnen und -zahlern finanzierten Umfragen profitiert haben sollen – sagte Schmid laut Protokoll, Kurz habe nicht nur davon gewusst, sondern Schmid habe es sogar in dessen Auftrag umgesetzt.

„Für Sebastian Kurz und seine Zwecke“

Die Idee zum „Beinschab-Tool“ habe er erstmals mit Kurz zu dessen Zeit als Außenminister, also jedenfalls vor März 2016, besprochen. Kurz sei davon fasziniert gewesen, dass diverse Akteure unter dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann eng mit der Meinungsforscherin Sophie Karmasin zusammengearbeitet hätten, was ihnen Einfluss auf Umfrageergebnisse ermöglicht hätte. Kurz war damals noch nicht Parteiobmann, daher habe er es auch nicht über die Partei finanzieren können.

Kurz sei klar gewesen, dass es nur über das Finanzministerium finanziert werden könne, so Schmid: „Das Gespräch mit Kurz war für mich der Ausgangspunkt. Für mich war das ein Auftrag vom angehenden Chef, und ich war voller Tatendrang.“

Doppelschaltung zur Chataffäre

Investigativjournalistin Ulla Kramer-Schmid (ORF) und Claudia Dannhauser (ORF) analysieren die jüngsten Ereignisse der Chataffäre und die Bestrebungen Thomas Schmids, als Kronzeuge auszusagen.

Es folgen weitere brisante Aussagen: „Ich habe Kurz und die ÖVP aus dem BMF (Bundesministerium für Finanzen; Anm.) heraus gefördert, die Ressourcen des BMF genutzt, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen. Dies umfasst Personal im Kabinett, Personalbesetzungen, ‚wordings‘, Berechnungen, Vorbereitungen für Verhandlungen einer neuen Regierung, Personalbesetzungen und dies auch manchmal am Minister vorbei, für Sebastian Kurz und seine Zwecke.“

„Auf Kurz zu buchen“

Schmid laut Protokoll weiter: „Im Wissen, dass Inserate des BMF nicht zu Wahlkampfzwecken der ÖVP geschaltet oder bezahlt werden dürfen, hat das BMF rund um den Wahlkampf 2017 Inserate in allen Medien geschaltet.“ Der Sprecher von Kurz habe ihm gesagt, dass die Inserate des BMF „auf Kurz zu buchen“ seien.

Damit habe der Sprecher gemeint, dass Kurz vorgeben könne, welche Themen und welche mediale Berichterstattung als Gegenleistung dafür in der Mediengruppe „Österreich“ platziert würden. „Als ich noch im BMF gearbeitet habe, war es so, dass ich im Bundeskanzleramt bekannt geben und ‚einmelden‘ musste, welches Werbebudget und welche Inseratenbudgets das BMF verwendet hat.“

Schmid-Anwalt schweigt zu Aussagen

Der Anwalt von Schmid, Roland Kier, schweigt zu den von seinem Mandanten gemachten Aussagen. Es sei nicht im Sinne seines Mandanten, mit den Medien zu sprechen, sagte er am Mittwoch zur APA. Den Wunsch Schmids nach einem Kronzeugenstatus bestätigte der Anwalt. Ob ein Antrag dazu gestellt werden kann, liege im Ermessen der WKStA.

Schmids bisheriger Anwalt Thomas Kralik hatte noch im August Gerüchte dementiert, wonach sein Mandant mit der WKStA kooperiere. Am Dienstag sagte Kralik gegenüber der APA, dass er Schmid nicht mehr vertrete. Offiziell soll der Wechsel erst in den vergangenen Tagen stattgefunden haben. Im Protokoll einer Beschuldigtenvernehmung vom 21. Juni in Graz wird aber bereits Schmids neuer Rechtsvertreter Kier als anwesende Person genannt.

Kurz-Anwalt: „Behauptungen sind falsch“

Kurz’ Anwalt Werner Suppan wies die Aussagen zurück. „Die von Schmid aufgestellten Behauptungen sind falsch. Er hofft vielmehr, indem er alle anderen anpatzt und beschuldigt, den Kronzeugenstatus erwirken zu können. Seine Beschuldigungen sind falsch und das wird auch noch bewiesen werden.“

Ähnlich argumentierte auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker Dienstagabend. Die Aussagen Schmids seien nicht unter Wahrheitspflicht gefallen. Es werde nun von der WKStA zu ermitteln sein, welche der Aussagen sich erhärten werde.

Wegen der möglichen „Ermittlungsgefährdung“ waren die Vernehmungsprotokolle bisher von der Akteneinsicht ausgenommen, teilte die WKStA am Dienstag mit. Diese würden nun zum Akt genommen, wodurch auch die übrigen Verfahrensbeteiligten Einsicht haben.

„Mag. Sobotka intervenierte bei mir“

Auch über eine angebliche Intervention des heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), als Schmid noch im Finanzministerium tätig war, findet sich eine Niederschrift: „Mag. Sobotka intervenierte bei mir – meiner Erinnerung nach in der Zeit als Spindelegger noch Minister war oder Schelling in der Anfangsphase – dahingehend, dass er mir mitteilte, dass es betreffend das Alois-Mock-Institut oder die Alois-Mock-Stiftung (das weiß ich nicht mehr genau) sowie die Erwin-Pröll-Stiftung Steuerprüfungen gebe, und dass das nicht sein könne. Es sei zu erledigen. Ich habe diese Information im BMF entweder an Kabinettsmitarbeiter oder an Sektionschefs weitergegeben. Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden.“ Stattgefunden haben soll die Intervention laut Schmid im Jahr 2013 oder 2014.

Sobotka weist Vorwürfe zurück

Sobotka wehrte sich am Mittwoch gegen die belastenden Aussagen und sprach gegenüber der APA von „Anschwärzen“, um den Kronzeugenstatus zu erlangen. „Wenn jemand anscheinend seit Monaten krampfhaft versucht, den Kronzeugenstatus zu erlangen, dann ist ihm jedes Mittel recht, um mildernde Umstände bei der Strafbemessung zu erreichen. Mit dem Anschwärzen politischer Entscheidungsträger ist maximale mediale Aufmerksamkeit garantiert. Die Vorwürfe gegen mich sind vollkommen haltlos, und ich weise diese strikt zurück“, so Sobotka.

„Haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren“

Schmid begründet seine Aussagen damit, dass er einen Wandel in sich selbst durchgemacht habe. „Nach meinem Ausscheiden aus der ÖBAG habe ich beschlossen, einen neuen Weg zu gehen und einen Schlussstrich zu machen. Ich habe begonnen, die ganze Sache aufzuarbeiten. Wir haben Dinge gemacht, die nicht in Ordnung waren.“ Das Umdenken sei auch darauf zurückzuführen, dass er das Gefühl gehabt habe, benutzt zu werden, so Schmid. Ein weiterer „ganz wesentlicher Punkt“ sei gewesen, „dass meine Mutter zu mir gesagt hat, wir haben dich so nicht erzogen, wenn du etwas falsch gemacht hast, dann steh dazu und das mit allen Konsequenzen“.

Sebastian Kurz und Rene Benko im Dezember 2018
APA/Hans Klaus Techt
Ex-Kanzler Kurz und Unternehmer Rene Benko werden durch Schmids Aussagen belastet

Auch Benko belastet

Die Aussagen von Schmid haben auch weitere Ermittlungen und Hausdurchsuchungen nach sich gezogen, darunter soll sich die Signa Holding des Investors Rene Benko befinden. Es geht um Bestechung, Amtsmissbrauch und Untreue.

In einer von zwei Causae wird gegen zwei Beschuldigte ermittelt, informierte die WKStA. Demnach soll im Zeitraum 2016 bis 2018 ein „österreichischer Unternehmer“ dem damaligen Finanzgeneralsekretär Schmid für die parteiische Unterstützung im Steuerprüfungsverfahren seines Konzerns einen Vorteil, nämlich eine gut bezahlte Führungsposition in diesem Konzern, angeboten haben, damit es zu keiner oder einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt. Die WKStA sprach von Hausdurchsuchungen an zwei Unternehmensstandorten.

In einem weiteren Komplex wird laut WKStA wiederum gegen drei Beschuldigte wegen des Vorwurfs der Untreue ermittelt. Gegenstand dieser Ermittlungen ist der Verdacht, dass im Jahr 2017 Schmid als Generalsekretär sowie ein weiterer Verantwortlicher des Finanzministeriums budgetäre Mittel zur Finanzierung von „parteipolitisch motivierten Beratungskosten“ eines Consulting-Unternehmens zur Vorbereitung der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen „im Interesse einer politischen Partei“ verwendet haben. In diesem Jahr kam es zur Bildung der türkis-blauen Regierung.