Das Zitat von Wolf Haas – „Es ist schon wieder etwas passiert“ – wurde am Mittwoch schon in der Früh mehrmals bemüht. Die Enthüllungen, die am Dienstag bekanntwurden, sorgten für großen Gesprächsbedarf. Schmid belastet bekanntlich nicht nur Ex-Kanzler Sebastian Kurz schwer, sondern auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP). Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Sobotka führt auch den Vorsitz im U-Ausschuss, am Mittwoch ließ er sich allerdings vertreten – was nichts mit den aktuellen Entwicklungen zu tun habe, wie die ÖVP versicherte. „Wenn er eingeteilt gewesen wäre, hätte er den Vorsitz sicherlich auch übernommen“, so ÖVP-Fraktionsvorsitzender Andreas Hanger zu Beginn des Befragungstags. Sobotka weise die neuen Vorwürfe zurück, „mehr gibt es dazu nicht zu sagen“, so Hanger.
ÖVP will Schmid im November laden
Er echauffierte sich aber, dass dem U-Ausschuss die neuen Schmid-Akten nicht vorlägen. Erst wenn diese Akten auf dem Tisch lägen, könne man sie objektiv und von allen Seiten beleuchtet beurteilen. Die ÖVP will Schmid zudem laden, bevor der U-Ausschuss im Dezember endet. Hanger will ein Ladungsbegehr für den 3. November einreichen – es wäre bei Weitem nicht das erste.
Schmid war in den vergangenen Monaten für den U-Ausschuss nicht greifbar. Es könne aber nicht sein, so Hanger, dass Schmid der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) 15 Tage lang zur Verfügung gestanden sei, dem Ausschuss aber keinen Tag widmen könne.

Für die anderen Fraktionen im Ausschuss war am Mittwoch hingegen klar: Die Aussagen Schmids änderten einiges, so der Tenor. Die 454 vorliegenden Seiten an Aussageprotokollen füllten die Lücken im Bild, das man bereits durch Chats und Verfahren habe, so SPÖ-Fraktionsvorsitzender Jan Krainer. „Dieses Bild nicht zu sehen ist jetzt ganz, ganz schwierig“, so Krainer, anspielend auf das mutmaßliche Korruptionsproblem in der ÖVP. Es wäre angebracht, wenn derzeit einige ÖVPler ihre Schreibtische räumten, „weil es gibt keine Zukunft mehr. Irgendwann hat Leugnen keinen Sinn mehr“, sagte Krainer. Auch der Fraktionsvorsitzende der FPÖ, Christian Hafenecker, stieß in dasselbe Horn. Man müsse der Volkspartei nun sagen: „Liebe ÖVP, es ist vorbei.“
Debatte über Ausschussverlängerung
SPÖ, FPÖ und auch die Grünen unter der Fraktionsvorsitzenden Nina Tomaselli sprachen sich am Mittwoch vehement für eine Verlängerung des U-Ausschusses aus. Sie appellierten eindringlich an NEOS, wie auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Mittwoch, es seien noch etliche Fragen zu klären.
Geplanterweise ist der 7. Dezember der letzte Befragungstag, NEOS entschied sich gegen eine Verlängerung. Daran änderte auch Schmids Aussage bisher nichts. Die Justiz habe gezeigt, dass sie unabhängig und effizient ermittle, so NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper.

Das hätten Schmids Befragungen gezeigt, die über eine Dauer von fast einem halben Jahr ohne Leaks und ohne „Derschlagen“ eines Verfahrens hinter den Kulissen über die Bühne gegangen seien. Doch die Schlupflöcher seien bekannt, so Krisper, bei Postenkorruption, Auftragsvergaben, Inseratenkorruption und Eingriffen in die Justiz. Schmid habe nun diese Schlupflöcher bestätigt, die man endlich beseitigen müsse. Anstatt den Ausschuss zu verlängern, der diesbezüglich keinen nennenswerten Druck mehr aufbauen dürfte, wolle man die Zeit nun lieber für Reformvorschläge nutzen.
Grüne: Koalition belastet
Tomaselli sah nach den neuen Entwicklungen die Koalition im Bund erneut belastet, schränkte aber auch gleich ein, dass sich die Aussagen Schmids auf Personen „aus der Vergangenheit“ bezögen. Nach zwei Jahren des Dauerfeuers an Vorwürfen sei die ÖVP stark mit sich selbst beschäftigt, doch gegen die aktuellen Personen im Kanzleramt gebe es keine neuen Vorwürfe.

Nebenschauplatz Befragungen
Die eigentlichen Befragungen spielten am Mittwoch eher eine Nebenrolle. Geladen waren einmal mehr aws-Verantwortliche, die mit der Auszahlung von CoV-Förderungen an Non-Profit-Organisationen (NPO) betraut waren. Eine davon betrifft die Tiroler ÖVP-Jungbauern. Diese sollen nun die 800.000 Euro an erhaltenen CoV-Hilfen zurückzahlen, da sie vom Ministerium dem Tiroler Bauernbund, einer Teilorganisation der ÖVP Tirol, zugerechnet werden. Politische Parteien sind aber von der Förderung ausgeschlossen.
Gaby Konrad (ORF) zum ÖVP-U-Ausschuss
In dieser Woche sind erneut zwei Befragungstage im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss anberaumt. Gaby Konrad (ORF) ist dort und spricht über die aktuelle Lage.
Die Jungbauern gaben ein entsprechendes Gutachten in Auftrag, das noch nicht vorliegt, und beantragten bei der aws eine Verlängerung der Fristen. Ähnlich gelagert ist der Fall „Verein ab 50“, der womöglich als Teil des ÖVP-Seniorenbunds gilt. Der Verein erhielt eine Förderung in sechsstelliger Höhe, die Prüfung, ob das gerechtfertigt war, ist noch nicht abgeschlossen.
Die beiden Auskunftspersonen waren von der ÖVP geladen worden, „um der aws eine kleine Bühne“ für die höchstprofessionelle Arbeit zu bieten, wie Hanger sagte. Für Hafenecker hingegen wolle die ÖVP einmal mehr den U-Ausschuss verzögern.

NPO-Fonds schnell abgehandelt
Entsprechend rasch wurde die erste Befragung der Auskunftsperson, Anna K., abgehandelt. Von Interesse waren hauptsächlich Rückforderungen unberechtigt ausgezahlter Gelder. Die aws habe Förderungen von 2.140 Begünstigten rückgefordert, das entspreche 2,5 Prozent des Gesamtvolumens. Die Jungbauern hätten bisher 16.000 Euro zurückgezahlt.
Fragen der ÖVP, die erneut versuchte, den Fokus auf Förderungen an die SPÖ-nahen Kinderfreunde zu bringen, hatten wieder wenig Erfolg, umfasst der Untersuchungsgegenstand doch nur die ÖVP. Die aws habe die Statuten der Kinderfreunde geprüft, gab K. dazu an – wie schon früher Auskunftspersonen der aws. Neues ergab auch die kurz gehaltene Befragung von K.s Vorgesetztem in der aws, Gerfried B., nicht.
Unmut über Verfahrensanwältin
Schon vor der ersten Befragung gab es auch noch einen Eklat: Barbara Weiß, jene Verfahrensanwältin, der Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl die Äquidistanz abgesprochen hatte, war nach längerer Abwesenheit wieder zugegen. Das goutierten die Fraktionen abseits der ÖVP keineswegs.

Im Sommer hatte Weiß, Richterin am Bundesverwaltungsgericht, ein von der SPÖ irrtümlich vorgelegtes Dokument mit persönlichen Daten Dritter an die ÖVP weitergegeben. Zuvor hatte die SPÖ noch versucht, die Papiere wieder einzusammeln, weil diese wegen geheimer Informationen nicht für die anderen Parteien bestimmt gewesen seien. Weiß behielt das Dokument allerdings und gab es weiter. Sie meinte damals, es sei eine Frage der Fairness, dass alle Abgeordneten das Dokument einsehen könnten. Danach ließ sich Weiß im U-Ausschuss vertreten.
Nach ihrem Erscheinen am Mittwoch wurde der Sitzungstag gleich einmal unterbrochen, bevor er noch angefangen hatte. Opposition und Grüne hatten überlegt, aus dem U-Ausschuss geschlossen auszuziehen, dem Vernehmen nach entschied sich die SPÖ dann doch dagegen. Nach einer Unterredung aller Fraktionen wurde die eigentliche Befragung schließlich begonnen. Die Verfahrensanwältin – sie ist unter anderem für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen zuständig – kann nicht abberufen werden. Ein Rücktritt könnte nur freiwillig passieren.