Prorussische Behörden: Start für Evakuierung von Cherson

Angesichts der vorrückenden ukrainischen Truppen hat in der von Russland besetzten Region Cherson im Süden der Ukraine nach Angaben von prorussischen Behörden die Evakuierung der Stadt begonnen.

Einwohner und Einwohnerinnen von Cherson würden vom westlichen an das östliche Ufer des Dnipro gebracht, gab die prorussische Verwaltung der Stadt Oleschky im Internet bekannt. Staatliche russische Medien zeigten Bilder, wie Menschen mit Fähren über den Fluss auf die andere Seite gebracht wurden. Die Ukraine wirft Russland vor, eine „Propagandashow“ zu veranstalten.

Behördenchef: Prorussische Verwaltung zieht sich aus Cherson zurück

Die prorussische Verwaltung zieht sich nach eigenen Angaben vollständig aus der südukrainischen Stadt Cherson zurück. Der prorussische Verwaltungschef der Region Cherson, Wladimir Saldo, sagte heute dem russischen Sender Rossija 24: „Ab heute werden alle Regierungsstrukturen der Stadt, die zivile und militärische Verwaltung, alle Ministerien, an das linke Flussufer (des Dnipro, Anm.) verlegt.“ Die russische Armee werde aber in der Stadt gegen die vorrückenden ukrainischen Truppen kämpfen „bis zum Tod“.

Grafik zur Lage im Gebiet Cherson in der Ukraine
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: ISW

Umsiedlungspläne in russischer Duma

Vonseiten der Ukraine gibt es bisher keine Angaben zu den russischen Meldungen. Im März hatte Kiew erklärt, dass Russland Tausende Menschen aus der durch russischen Beschuss verwüsteten Stadt Mariupol illegal in ihr Gebiet deportiert hatte. Die UNO-Definition von Kriegsverbrechen umfasst „die direkte oder indirekte Verbringung von Teilen der eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet durch die Besatzungsmacht oder die Deportation oder Verbringung der gesamten Bevölkerung oder von Teilen der Bevölkerung des besetzten Gebiets“.

Die russische Staatsduma – das Unterhaus des Parlaments – erörterte gestern Pläne für die Umsiedlung der Einwohner von Cherson nach Russland. Der stellvertretende Ministerpräsident Marat Chusnullin sagte, man werde ihnen neue Wohnungen in ganz Russland anbieten, und die Regierung werde sie finanziell unterstützen. In Cherson lebten vor dem Krieg fast 300.000 Menschen, aber ukrainische Behörden schätzen, dass etwa die Hälfte davon aus der Stadt geflohen ist.

General erwartet ukrainischen Angriff

Der neue Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine, General Sergej Surowikin, erwartet einen heftigen ukrainischen Angriff zur Befreiung der besetzten Stadt Cherson. „An diesem Frontabschnitt ist die Lage schwierig“, sagte Surowikin gestern nach Angaben russischer Agenturen.

Die Ukraine beschieße Wohnhäuser und die Infrastruktur der Stadt. Durch Artillerietreffer habe die Ukraine die Übergänge über den Fluss Dnipro unpassierbar gemacht. Das erschwere die Versorgung der Stadt.

Nach Angaben des Vizechefs der Besatzungsverwaltung, Kirill Stremoussow, haben die Ukrainer Zehntausende Soldaten vor Cherson zusammengezogen. Die Offensive habe aber noch nicht begonnen. Vonseiten der Ukraine gab es bisher keine Angaben dazu.