Die Bildgeneratoren nutzen die „generative KI“, die bereits in den vergangenen Jahren durch die Erstellung von Texten bekannter wurde und sich inzwischen auch auf Bilder, Audio und Video ausgeweitet hat. Um das gewünschte Bild zu erhalten, muss das Programm nur mit Textbefehlen gefüttert werden, etwa: „An impressionist painting of a beautiful garden with roses and a pond with ducks“. Einen Klick und wenige Sekunden später spuckt das Programm mehrere – je nach Bedarf täuschend echte oder künstlerisch-verspielte – Bildervarianten aus.
Dass die Kunstgeneratoren in der Lage sind, derartige Bilder zu erstellen, verdanken sie Algorithmen, die Eigenschaften von Bildern aus dem Internet und aus Bilddatenbanken mit den zugehörigen Beschriftungen verknüpfen – und stetig dazulernen. Täglich erstellen mit DALL-E 2 mittlerweile über 1,5 Millionen Nutzer mehr als zwei Millionen Bilder, und auch auf dem Server von Midjourney, einem weiteren KI-Bildgenerator, sind laut „New York Times“ („NYT“) bereits mehr als drei Millionen Mitglieder registriert.

Konkurrenz für professionelle Kunstschaffende?
Die Programme werden nicht nur bereits vielfach unter Hobbykünstlern, sondern auch in der kreativen Industrie eingesetzt. So gibt etwa ein Videospieldesigner im „NYT“-Interview an, er habe ursprünglich einen menschlichen Künstler damit beauftragen wollen, gereimte Wortpaare zu illustrieren.
Ein Bild von einem Menschen hätte jedoch mehr Zeit und Geld gekostet: Statt bis zu sechzig Dollar pro Bild und mehrere Stunden Arbeit in Kauf zu nehmen, probierte er es mit dem KI-Programm Midjourney. Nach wenigen Minuten erhielt er ein zufriedenstellendes Ergebnis, Gesamtkosten: ein paar Cent. „Ich habe ‚Karotten-Papagei‘ eingegeben, und das Programm hat ein perfektes Bild eines Papageis aus Karotten ausgespuckt“, sagt er. „Das war der unmittelbare Aha-Moment.“
Ob die Programme langfristig Künstlerinnen und Künstlern in bestimmten Sparten ihre Jobs kosten könnten, ist laut „NYT“ noch nicht prognostizierbar. „Ich glaube, dass gutes Design ein Element enthält, das den einfühlsamen Einfluss durch einen Menschen erfordert“, so eine Interior Designerin gegenüber der „NYT“, die wie andere in der Branche auch mit KI arbeitet. „Ich habe also nicht das Gefühl, dass sie mir meinen Job wegnehmen wird. Jemand muss zwischen den verschiedenen Renderings unterscheiden können, und ich denke, dafür braucht man einen Designer.“
Bedenken wegen problematischer Inhalte
Dass die KI-Bilder in ihren Inhalten scheinbar keine Grenzen kennen, wird auch in anderer Hinsicht kritisch gesehen. Einige Nutzerinnen und Nutzer befürchten im Gespräch mit dem Tech-Magazin „Wired“, dass wegen des uneingeschränkten Zugangs zu Material aus dem Internet auch problematische Bilder als Grundlage dienen könnten.
So behauptet der Betreiber eines KI-Kunst-YouTube-Kanals, dass die Unstable-Diffusion-Community auch Inhalte erstelle, die als Kinderpornografie eingestuft werden könnten. „Das sind keine KI-Ethiker“, so seine Beobachtung. „Das sind Leute aus dunklen Ecken des Internets, denen man im Grunde die Schlüssel zu ihren Träumen gegeben hat.“

Weil Tools wie das KI-Programm Stable Diffusion als Grundlage Bilder aus dem Internet verwenden, enthalten ihre Trainingsdaten laut „Wired“ tatsächlich häufig pornografische Bilder, sodass die Software in der Lage ist, neue, ähnliche Bilder zu erzeugen. Hinzu komme, dass die Tools dazu missbraucht werden könnten, Bilder von realen Personen bei kompromittierenden Handlungen zu zeigen und somit Fehlinformationen zu verbreiten.
Frage nach Urheberrecht
Neben den Inhalten werden auch Fragen zu Eigentum und Urheberrecht an den künstlerischen Werken diskutiert. Denn es gibt derzeit laut „Wired“ keine Möglichkeit, festzustellen, woher die Bilder stammen. Auf ihrer Suche nach Inspiration und Trainingsmaterial stoßen die KI-Bots auch auf originelle Bilder von realen Kunstschaffenden, die von dem Verkauf ihrer Werke leben.
Dass die Bilder nicht nur inhaltlich, sondern auch mit ihrem Stil als Grundlage für die KI-Kunst dienen, stelle nicht nur ihre Authentizität infrage, sondern werfe auch Fragen zu Urheberrechtsverletzungen und Urheberschaft auf, so „Wired“. Manche Programme machen neben der Texteingabe auch den Upload von Bildern als Grundlage möglich, die dann in deren Stil imitiert werden.

Der polnische Künstler Greg Rutkowski beklagte sich gegenüber MIT Technology Review darüber, dass seine Werke eine so beliebte Vorlage für KI-Kunst darstellen würden, dass er online nur noch Bilder finde, die zwar mit seinem Namen versehen seien, aber nicht von ihm stammen. Wahrscheinlich werde er in einem Jahr seine Arbeit nicht mehr online finden, so Rutkowski. „Das ist besorgniserregend.“ Laut der Website Lexica wurde Rutkowskis Name auf Stable Diffusion rund 93.000-mal als Eingabeaufforderung verwendet – öfter als Claude Monet oder Pablo Picasso.
Technology Review: Lizenzfrage auf Nutzer abgewälzt
Tom Mason, Chief Technology Officer von Stability.AI – dem Unternehmen, das Stable Diffusion entwickelt hat –, weist darauf hin, dass die Lizenzvereinbarung von Stable Diffusion ausdrücklich verbietet, das Programm oder seine Produkte in einer Weise zu nutzen, die gegen Gesetze oder Vorschriften verstößt. Gleichzeitig kann Stable Diffusion gratis von jedem verwendet werden und erlaubt jedem, es für kommerzielle oder nicht kommerzielle Zwecke zu nutzen. Damit wird die Verantwortung auf die Nutzer abgewälzt, so MIT Technology Review. Einige Künstler könnten dabei bereits geschädigt worden sein.
Auch die US-amerikanische Illustratorin Karla Ortiz stieß im Datensatz von Stable Diffusion auf ihre Werke und verwies im Gespräch mit MIT Technology Review auf die Problematik des Urheberrechts. „Innerhalb der Künstlerbranche bildet sich eine Koalition, um herauszufinden, wie man dieses Problem angehen oder entschärfen kann“, sagt Ortiz. Die Gruppe fordere etwa neue Richtlinien und Vorschriften, befinde sich aber noch in der Anfangsphase ihrer Mobilisierung.
Debatte über Kunstbegriff
Ob die KI-Kunst überhaupt als Kunst bezeichnet werden darf oder es sich doch nur um Programme handelt, die andere Kunstwerke plagiieren, darüber spalten sich aktuell in sozialen Netzwerken die Geister. So vergleicht der KI-Künstler Suhail Doshi KI-Kunst auf Twitter mit Fotografieren: Man teste lange unzählige Varianten, wie bei einem Fotoshooting, bis man den perfekten „Shot“ habe. Er habe keinen Zweifel, so Suhail, dass KI-Kunst „echte Kunst“ sei.
Andere wiederum betonen, dass an KI-Kunst nichts originell sei. Nur weil man das Rezept eines Gerichts im Restaurant selbst bestimme, mache einen das noch lange nicht zu einem Chefkoch, schreibt das deutsche Verbraucherportal Chip. Doshi habe am Ende seines Textes „by Greg Rutkowski“ angeführt und damit eindeutig einen Stil kopiert.
Gleichzeitig seien Vorteile auch für Kunstschaffende selbst nicht zu leugnen: So könnte man am Anfang des kreativen Prozesses Entwürfe rasch und einfach erstellen und darauf basierend das eigene Werk aufbauen. Auf diese Weise könnte KI Künstlern sogar zu einem Wettbewerbsvorteil verhelfen.