Detailaufnahme der Hand von Sebastian Kurz, die auf einem Smartphone tippt
Reuters/Lisi Niesner
Gesprächsprotokoll

Kurz nahm Telefonat mit Schmid auf

Der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, belastet mit einer Reihe von Aussagen in der ÖVP-Affäre mehrere Personen, insbesondere Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Der weist alle Vorwürfe zurück. Sein Anwalt Werner Suppan ließ am Mittwoch wissen, dass er den Behörden ein von Kurz aufgezeichnetes Telefonat mit Schmid übermittelt habe – aus seiner Sicht eine „Bombe“.

Laut Suppan soll die Aufzeichnung des Gesprächs die Kurz belastenden Aussagen Schmids „widerlegen“. Sie stelle „eine Bombe für den derzeitigen Ermittlungsstand dar und widerlegt massiv die Aussagen, die Thomas Schmid bei den Einvernahmen geäußert hat, um Kronzeuge zu werden", betonte Suppan in einer schriftlichen Mitteilung an die APA.

In dem Telefonat vom 18. Oktober 2021, ziemlich genau vor einem Jahr, dessen Transkript der APA vorliegt, fragt Kurz mehrmals, wie man darauf komme, dass er in die Umfragenaffäre involviert sei. Schmid erklärt ihm daraufhin in groben Zügen, wie die Kooperation mit der Meinungsforscherin Sabine Beinschab abgelaufen sei. Kurz fragt, wie man darauf komme, dass er so etwas beauftragt habe. „Die bauen sich ihre eigenen Geschichten zusammen“, antwortet Schmid.

„Wir haben doch nie einen Auftrag gegeben“

„Was sie uns da strafrechtlich vorwerfen, kannst du dir das irgendwie erklären?“, fragt Kurz Schmid laut der Abschrift. „Aber ich hab’ dir doch nie irgendwie (…) wir haben doch nie einen Auftrag gegeben, oder wir haben doch nicht einmal über Inserate und sowas geredet (…) oder ich habe doch nie gesagt, du sollst der Beinschab jetzt irgendwelche Aufträge geben.“ Schmid widerspricht laut dem Protokoll an dieser Stelle nicht: „Na, aber das is‘ eben das Schlimme, dass man eben (…) dass die ja ihre eigene Geschichte zusammenbauen, ja.“

Schmid belastet Kurz, Wöginger und Sobotka

In den publik gewordenen Vernehmungen hat der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, neben ÖVP-Ex-Kanzler Sebastian Kurz auch ÖVP-Klubchef Wöginger und den Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka belastet. In beiden Fällen geht es um Einflussnahmen bei einer Vorstandsbestellung bzw. bei Steuerprüfungen.

Beinschab habe einmal in der Woche Erhebungen durchgeführt, „und dann habe man halt „noch ein bis zwei Fragen angehängt, ja“, zitiert die APA aus dem Gespräch. Und Schmid dann weiter in etwas grobem Ton: „Dass diese depperte Kuh“ Rechnungen herumschicke, aus denen gefolgert werde, „das war alles ein Auftrag, das war eine ganz andere Sache“. Weder er noch Johannes Frischmann (damals im Finanzministerium und später Sprecher von Kurz als Kanzler, Anm.) hätten Inserate in Millionenhöhe beauftragt, sondern das seien große Kampagnen gewesen, die das Finanzministerium laufend durchgeführt habe.

Kurz-Anwalt Suppan zur Causa Schmid

Der einstige ÖVP-Intimus Thomas Schmid will Kronzeuge werden. Von seinem ehemaligen Vertrauten, Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, fühlt sich Schmid „benutzt“. Kurz widersprach und stellte die Glaubwürdigkeit von Schmid infrage. Kurz-Anwalt Werner Suppan veröffentlichte eine Tonbandaufzeichnung, mit der die Aussagen von Schmid widerlegt werden sollen.

Objektive Beweise gegen Kurz, „die gibt es nicht“, sagte Anwalt Suppan Mittwochabend im Interview mit der ZIB2. Es gebe keinen Beleg für einen behaupteten Auftrag, es gebe die Aussage Schmids, und in der sei „natürlich eine gewisse Motivationslage“ erkennbar. Es gebe „echte Widersprüche“ in dem, was Schmid sagt, so Suppan.

„Ich könnt’ jeden Tag irgendwie explodieren"

„Aber das heißt, du glaubst schon, dass sich das aufklären lässt, diese Dinge auch“, wird Kurz zitiert. „Ja (…) ich (…) man muss auch alles daran setzen, dass man das aufklären kann“, soll Schmid geantwortet haben. „Ich find nur so skurril, wie kann man sagen, ich hätte das beauftragt. Oder ich hätte das angestiftet. Das verstehe ich irgendwie nicht“, meint Kurz an späterer Stelle. „Also ich find’s einfach so eine Frechheit, dass man mir das unterstellen kann. Ich könnt’ jeden Tag irgendwie explodieren.“

„Jaja, und das ist das Schlimme an denen, weil die bauen sich ihre eigenen Geschichten zusammen, und dann ziehen sie alle möglichen Leute hinein, ja“, antwortete Schmid der Abschrift zufolge. Die Frage, wie man auf den Vorwurf der Anstiftung komme, könne er nicht beantworten, „das behaupten’s dann einfach, ja“. Schmid ist in dem Gespräch laut Protokoll auch bemüht, seine eigene Rolle kleinzuhalten: Er habe mit Beinschab „regelmäßig geredet, jetzt nicht so oft wie andere“, aber „ich habe mich nie um Rechnungen oder irgendwas gekümmert in dem Zusammenhang“.

Schmid belastet mehrere Personen

Am Dienstag waren Vernehmungsprotokolle von Schmid öffentlich geworden, die Kurz und andere enge Vertraute in mehreren Causen erheblich belasten. Der langjährige Mitarbeiter diverser ÖVP-Minister war im April mit dem Wunsch nach einer Kronzeugenregelung an die Anklagebehörde herangetreten, wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am Dienstag mitteilte.

Thomas Schmid
APA/Hans Punz
Schmid erhob vor der WKStA weitreichende Vorwürfe

Ein formeller Kronzeugenantrag wurde bis dato laut ihr aber nicht gestellt. Seit Juni fanden insgesamt 15 ganztägige Vernehmungen statt. Dabei belastet Schmid den früheren Kanzler. Kurz habe gewusst, dass seine Mitarbeiter Umfragen, die ihm bei der Eroberung des ÖVP-Parteivorsitzes und des Kanzleramtes helfen sollten, über das Finanzministerium finanzieren ließen.

Kurz sieht „falsche Anschuldigungen“

Kurz zeigte sich von den ihn belastenden Aussagen Schmids unbeeindruckt. „Er (Schmid, Anm.) versucht, den Kronzeugenstatus zu erlangen, indem er Anschuldigungen gegen andere, unter anderem gegen mich, erhebt, um selber straffrei auszugehen“, schrieb Kurz auf Facebook. Schmids Aussagen seien daher „keine Überraschung“. Der Ex-Kanzler meinte, er wolle weiterhin beweisen, dass die Aussagen falsch seien.

Auch die Glaubwürdigkeit Schmids stellte Kurz auf Facebook infrage. In Wahrheit seien die Aussagen kein echtes Schuldeingeständnis, sondern hätten lediglich das Ziel, „für das eigene Fehlverhalten nicht bestraft zu werden, indem man andere beschuldigt“. Schmid sage in seinen jetzigen Aussagen zudem selbst, dass er in seinen Chats Menschen wiederholt belogen habe, „und er jedem oft das erzählt hat, was er hören wollte“, so Kurz. „Am Ende wird sich herausstellen, dass das auch in diesem Fall zutrifft.“

Kurz und Mediengruppe Österreich: Keine Geschäfte

Hinsichtlich des „Beinschab-Tools“ meinte er: „Der Vorwurf, dass ich mit einer mir unbekannten Meinungsforscherin, die ich noch nie im Leben getroffen habe und die selbst angegeben hat, mich persönlich nicht zu kennen, eine Straftat begangen haben soll, ist aus vielen Gründen absurd.“ Auf weitere von Schmid erhobene Vorwürfe ging Kurz in seinem Posting nicht ein.

Causa Schmid: Analyse mit Hans Bürger (ORF)

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger analysiert die Vorgänge und Konsequenzen rund um die Aussagen des ehemaligen ÖBAG-Chefs und Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid.

Schmids Aussagen deuten darauf hin, dass die Geschäftsführer der Mediengruppe Österreich, Wolfgang und Helmuth Fellner, für Inserate gefällig berichten und manipulierte Umfragen publizieren ließen. In einer Aussendung wies die Mediengruppe diese Vorwürfe zurück und verwies auf ihre redaktionelle Unabhängigkeit. Derartige Geschäfte habe es „niemals“ gegeben. Auch sei das „Beinschab-Österreich-Tool“ nicht bekannt gewesen.

Sobotka: Vorwürfe „vollkommen haltlos“

Ebenso wehrte sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegen belastende Aussagen Schmids. Der hatte in seiner Einvernahme auch angegeben, Sobotka habe wegen Steuerprüfungen bei der „Alois-Mock-Stiftung oder beim Alois-Mock-Institut“ sowie bei der „Erwin-Pröll-Stiftung“ erfolgreich interveniert. Sobotka sprach in einer Stellungnahme gegenüber der APA von „Anschwärzen“, um den Kronzeugenstatus zu erlangen.

TV-Hinweis

Am Donnerstag diskutiert die „Runde der Chefredakteurinnen“ um 20.15 Uhr in ORF III die neuen Facetten der ÖVP-Affäre – mehr dazu in tv.ORF.at.

„Wenn jemand anscheinend seit Monaten krampfhaft versucht, den Kronzeugenstatus zu erlangen, dann ist ihm jedes Mittel recht, um mildernde Umstände bei der Strafbemessung zu erreichen. Mit dem Anschwärzen politischer Entscheidungsträger ist maximale mediale Aufmerksamkeit garantiert. Die Vorwürfe gegen mich sind vollkommen haltlos, und ich weise diese strikt zurück“, so Sobotka. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Opposition will Rücktritt Sobotkas

Die Opposition forderte indes den Rücktritt Sobotkas. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried bezeichnete Sobotka in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Mittwoch als „untragbar im zweithöchsten Amt der Republik“.

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte den Nationalratspräsidenten zum sofortigen Rücktritt auf. „Schon als Vorsitzender des ÖVP-Untersuchungsausschusses hat Sobotka sich durch seine parteiische Vorsitzführung ganz im Sinne der ÖVP disqualifiziert.“

Grüne sehen Koalition belastet

Die Grünen erinnerte Leichtfried an deren Wahlslogan „der Anstand würde die Grünen wählen“ und fragte Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), „ob es anständig ist, weiter für eine ÖVP in der Bundesregierung die Mauer zu machen“.

Kogler sagte, er fühle sich nach den Aussagen von Schmid in seinem Vorgehen im vergangenen Jahr bestätigt. Mit dem Ultimatum an Kurz zum Rückzug habe man die richtigen Konsequenzen gezogen, so Kogler vor dem Ministerrat am Mittwoch.

Schmid-Aussagen: Politische Reaktionen

Aussagen von Thomas Schmid, dem ehemaligen ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, belasten Ex-Kanzler Kurz schwer. Die ÖVP weist alle Anschuldigungen zurück. Die Grünen bezeichnen die Koalition zwar als belastet, sehen sie aber nicht gefährdet. In den Augen der Opposition handelt es sich um ein politisches Erdbeben.

Die grüne Fraktionsführerin im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, Nina Tomaselli, sieht die Koalition allerdings belastet. Gleichzeitig schränkte Tomaselli aber ein, dass sich die Aussagen Schmids auf Personen „aus der Vergangenheit“ beziehen würden.

Nehammer für „volle Aufklärung“

ÖVP-Chef Kanzler Karl Nehammer forderte in einer Stellungnahme gegenüber der APA „volle Aufklärung“ durch die Justiz. „Die Justiz soll diese Ermittlungen sorgfältig führen, ich habe das Land durch eine Krise zu führen.“ Aktuellen Handlungsbedarf sieht Nehammer offenbar nicht: Die Vorwürfe gegen Kurz und andere würden „die Vergangenheit betreffen“, so Nehammer in einer knappen schriftlichen Stellungnahme.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte nach dem Ministerrat, er äußere sich nicht zu laufenden Ermittlungsverfahren. Außerdem könne er den Wahrheitsgehalt der Aussagen Schmids nicht überprüfen. Am Fortbestehen der Koalition zweifle er nicht.

Der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger, kündigte an, dass die ÖVP Schmid am 3. November vorladen wolle, „damit er unter Wahrheitspflicht aussagt“. Kritik übte er in diesem Zusammenhang an der WKStA: „Wir verstehen nicht, dass er 15 Tage für die WKStA Zeit hat, für den U-Ausschuss aber nicht.“ Bei Sobotka, der die Vorwürfe zurückweise, ortete Hanger ein „offensichtliches Anpatzen“ und daher keinen Grund für Konsequenzen.