Menschen gehen bei Dunkelheit auf der Straße
AP/Leo Correa
Energieanlagen angegriffen

Landesweite Stromabschaltungen in Ukraine

Nach zahlreichen russischen Angriffen auf die Infrastruktur hat die Ukraine mit Stromabschaltungen im ganzen Land begonnen. Russland habe seit dem 10. Oktober mehr als 300 Luftangriffe auf ukrainische Energieanlagen geflogen, meldete die Ukraine. Nach jüngsten Angaben der Regierung in Kiew sind mittlerweile rund 40 Prozent der ukrainischen Energieinfrastruktur beschädigt.

Der ukrainische Versorger Ukrenergo kündigte Engpässe bis 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) an. Als Reaktion auf die russischen Luftangriffe auf Kraftwerke und andere kritische Infrastruktur strebt die ukrainische Regierung eine landesweite Verringerung des Energieverbrauchs um 20 Prozent an. Die Bevölkerung sei dem Aufruf zum Stromsparen bereits gefolgt, sagte Energieminister Herman Haluschtschenko im Fernsehen. Es werde ein freiwilliger Rückgang des Verbrauchs verzeichnet. „Aber wenn das nicht ausreicht, sind wir gezwungen, Zwangsabschaltungen vorzunehmen.“

Es sei notwendig, von 7.00 bis 23.00 Uhr (6.00 bis 21.00 Uhr MESZ) den Stromverbrauch zu minimieren, sagte zuvor ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Wenn das nicht geschehe, müsse man sich auf vorübergehende Stromausfälle vorbereiten. Ukrenergo stellte danach klar, dass die Stromeinschränkungen nur am Donnerstag gelten sollen. Es werde zeitlich gestaffelt in jedem Gebiet der Strom bis zu vier Stunden lang abgeschaltet.

Feuerwehrleute verusuchen einen Brand in einem Kraftwerk zu löschen
Reuters/State Emergency Service Of Ukraine
Ein Drittel der Energieanlagen wurde laut ukrainischen Angaben durch Russland zerstört

Ukraine schließt weitere Stromsparappelle nicht aus

Hintergrund sei ein Kapazitätsmangel im System, hieß es in einer Erklärung auf Telegram. Allerdings könnte mit Einbruch der Kälte nicht ausgeschlossen werden, „dass wir Sie noch häufiger um Hilfe bitten müssen“. „Bitte schalten Sie keine unnötigen Elektrogeräte ein“, bat auch Selenskyj. Umso kürzer werde die Zeit der Abschaltungen zur Netzstabilisierung sein.

In der Hauptstadt soll am Donnerstag die Fernwärme wieder eingeschaltet werden, wie Bürgermeister Witali Klitschko mitteilte. Die Reparatur- und Rettungsdienste seien um zehn Prozent aufgestockt worden. Klitschko rief die Bürger der Hauptstadt zum Stromsparen auf. Sie sollten keine Heizlüfter oder Klimaanlagen nutzen.

Grafik zu Angriffen auf die Energieversorgung in der Ukraine
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: ISW/IEA/liveuamap

Russland meldet Schläge gegen Energieinfrastruktur

Die Schäden am Wärmekraftwerk in Burschtyn im Westen der Ukraine sind der Gouverneurin der Region zufolge beträchtlich. Das Kraftwerk sei am Mittwoch bei einem russischen Angriff getroffen worden. „Leider gab es Zerstörung, und die ist beträchtlich“, sagte Switlana Onyschtschuk, Gouverneurin der Region Iwano-Frankiwsk, im ukrainischen Fernsehen. Selenskyj beriet mit seiner Regierung zuvor darüber, wie Ausfälle der beschädigten Netze im Winter vermieden werden können. Es werde daran gearbeitet, für die kritische Infrastruktur in Großstädten, Städten und Dörfern mobile Stromquellen zur Verfügung zu stellen, sagte er.

Zum beginnenden Winter versucht die russische Armee, gezielt die Strom- und Wärmeversorgung der Ukraine zu unterminieren. Das russische Militär meldete am Donnerstag, bei neuen Angriffen auf die Ukraine nach eigenen Angaben einmal mehr die Energieinfrastruktur und Stellungen der Armee beschossen zu haben. Die Energieanlagen seien mit Hochpräzisionswaffen aus der Luft angegriffen worden, teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau mit. „Alle anvisierten Objekte wurden getroffen“, sagte Konaschenkow in einem Bericht zur Lage in dem Krieg. Angriffe habe es in den Gebieten Charkiw, Donezk und Cherson gegeben.

Putin weitet mit Kriegsrecht Macht aus

Der russische Machthaber Wladimir Putin hatte am Mittwoch das Kriegsrecht für die ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson ausgerufen. Russland beansprucht sie völkerrechtswidrig für sich und betrachtet die dort lebenden Ukrainer als russische Staatsbürger. Damit wächst die Gefahr, dass die Männer zum Dienst in der russischen Armee gezwungen werden und gegen ihre Landsleute kämpfen müssen.

Die russische Führung erwägt britischen Militärexperten zufolge einen größeren Rückzug ihrer Truppen aus dem Gebiet um die Stadt Cherson westlich des Flusses Dnipro im Süden. Ein solches Vorhaben werde jedoch erschwert durch die Tatsache, dass alle permanenten Brücken über den einen Kilometer Meter breiten Fluss schwer beschädigt seien, hieß es in der auf Twitter verbreiteten Mitteilung weiter.

Ukraine treibt Offensive in Cherson voran

Die ukrainischen Streitkräfte treiben ihre Offensive gegen die russischen Invasionstruppen in Cherson indes nach eigenen Angaben voran. Dort seien 43 russische Soldaten getötet und sechs Panzer sowie andere Ausrüstung zerstört worden, teilt das Militär mit. Im Raum Mykolajiw hat die ukrainische Luftwaffe eigenen Angaben zufolge erneut 14 Schahed-136-Drohnen abgeschossen. In Beryslav habe man zwei russische Munitionslager zerstört, teilte die Nachrichtenagentur Ukrinform mit.

In der Ostukraine an der Grenze zu Russland konzentrierten sich die russischen Streitkräfte dem ukrainischen Militär zufolge bei ihrem Vorstoß vor allem auf die Städte Bachmut und Awdijiwka. Bachmut steht im Mittelpunkt des nur langsamen russischen Vormarschs in der Region Donezk. Nach den ukrainischen Angaben haben die russischen Truppen in der Region mindestens zehn Städte mit Panzern und Artillerie beschossen. Besonders betroffen waren die Ballungsgebiete Charkiw, Isjum, Tschuhujiw und Kupjansk.