Schiff vor Terminal „Tollerort“ am Hamburger Hafen
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Hamburger Hafen

Heftiger Clinch um chinesische Beteiligung

Bereits im September 2021 hat sich der staatliche chinesische Terminalbetreiber COSCO 35 Prozent am Hamburger Containerterminal Tollerort (CTT) gesichert. Um diese Beteiligung ist nun ein heftiger politischer Streit entbrannt. Mehrere Ministerien warnen laut einer Medienrecherche vor Risiken für die kritische Infrastruktur durch Chinas Einkauf – doch das Kanzleramt von Olaf Scholz (SPD) will den Deal offenbar trotzdem durchbringen.

Auslöser der Debatte war eine Recherche der Sender NDR und WDR, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Dieser zufolge haben alle sechs Ministerien, die an der notwendigen Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, das Geschäft abgelehnt. Wirtschafts-, Innen-, Verteidigungs-, Verkehrs- und Finanzministerium sowie das Auswärtige Amt hätten das einerseits mit der geopolitische Lage begründet, zudem wurde vor zu großen Einflussmöglichkeiten durch China gewarnt.

Denn COSCO, einer der größten Hafenbetreiber und Reedereien der Welt, sollte nicht nur eine finanzielle Beteiligung am Terminal erhalten, sondern einen Geschäftsführer stellen und Mitspracherechte bei Entscheidungen bekommen. Da China zudem heute schon wichtigster Kunde des Hafens sei, könnte durch die geplante Beteiligung ein „Erpressungspotenzial“ entstehen.

Bericht: Kanzleramt will „Kompromiss“

Laut NDR und WDR habe das Wirtschaftsministerium das Thema deswegen zur endgültigen Ablehnung im Bundeskabinett angemeldet. Das Kanzleramt habe das Prüfverfahren dann allerdings nicht auf die Tagesordnung gesetzt, weswegen kein Kabinettsbeschluss gefasst werden konnte.

Stattdessen sollen die Ressorts beauftragt worden sein, nach einem Kompromiss zu suchen, damit das Geschäft trotzdem über die Bühne gehen kann. Kommen kein Beschluss und keine Fristverlängerung im Kabinett zustande, könnte das Geschäft im Oktober automatisch schlagend werden. Scholz – selbst ehemaliger Hamburger Bürgermeister – soll im Oktober nach China reisen.

China ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner im Hamburger Hafen. Der COSCO-Konzern, der auch eine der weltweit größten Containerreedereien betreibt, lässt seine Schiffe seit Jahrzehnten am CTT festmachen. COSCO will im Gegenzug zum Einstieg dort seine Ladungsströme in Hamburg konzentrieren, CTT soll zu einem bevorzugten Umschlagpunkt in Europa werden. Der Hamburger Hafen kämpft bereits seit Jahren mit europäischer Konkurrenz.

Hamburger Hafen, Vogelperspektive
APA/Daniel Reinhardt
Der Hamburger Hafen gehört zu Europas wichtigsten Handelsknotenpunkten

COSCO seit Jahren auf Einkaufstour in Europa

COSCO hat unterdessen in den vergangenen Jahren Beteiligungen in zahlreichen europäischen Häfen angehäuft. So besitzt das Unternehmen Anteile an strategisch und wirtschaftlich wichtigen europäischen Häfen wie Piräus (Griechenland), Zeebrugge (Niederlande), Rotterdam (Niederlande), Antwerpen (Belgien) und Valencia (Spanien).

Laut dem deutschen China-Forschungsinstitut MERICS stehe die Expansion des Unternehmens in Einklang mit Pekings Interessen und werde von Staatsgeldern gefördert. Der Ausbau eines maritimen Handelsnetzes ist eine zentrale Säule von Chinas Plänen für ein weltumspannendes Handelsnetz, der Belt-and-Road-Initiative (BRI).

In Europa gibt es Befürchtungen, dass China zu viel Kontrolle über den europäischen Seehandel erlangen und zum Sicherheitsrisiko werden könnte. Häfen gelten als kritische Infrastruktur. Laut dem NDR/WDR-Bericht habe sich auch die EU-Kommission gegen den Deal in Hamburg ausgesprochen.

Ministerium bleibt bedeckt, Kritik durch alle Lager

Das Wirtschaftsministerium wollte die Recherche weder gegenüber NDR und WDR noch gegenüber anderen Medien kommentieren, der dpa wurde der Bericht im Kern aber bestätigt. Auch die chinesische Botschaft äußerte sich den Angaben zufolge nicht, verwies aber auf ein Statement der Außenamtssprecherin: Man hoffe, Deutschland werde Prinzipien wie jenen des offenen Marktes treu bleiben, statt normale ökonomische Beziehungen zu politisieren.

Deutscher Kanzler Olaf Scholz
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Das Kanzleramt unter Scholz soll einen „Kompromiss“ gefordert haben

In der Causa entbrannte am Donnerstag ein heftiger politischer Streit, Widerstand gegen das Kanzleramt gab es dabei in allen politischen Lagern. Der grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatte bereits Mitte September deutlich gemacht, dass er den Einstieg wohl nicht erlauben werde. Am Donnerstag mahnte auch seine Bundestagsfraktion: „China sollte nicht die Möglichkeit bekommen, Einfluss auf unsere kritische Infrastruktur zu nehmen“, so die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge zur dpa. „Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und uns erneut so abhängig von einem Land machen, dass wir erpressbar werden“, so Dröge mit Anspielung auf Russland.

„Knallharte Machtinteressen“

Die Koalitionspartei FDP sieht den Deal ebenfalls kritisch. „Die KP Chinas darf keinen Zugang zur kritischen Infrastruktur unseres Landes haben“, so FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Er warnte davor, naiv gegenüber den chinesischen Machthabern zu sein. „Die knallharten Machtinteressen, die sie verfolgen, sind nicht in unserem Interesse. Es bleibt dabei: China ist ein wichtiger Handelspartner, aber auch systemischer Rivale. Danach sollten wir handeln.“

Auch Jens Spahn, Fraktionsvize von CDU/CSU, stellt sich gegen den Einstieg. „Eine Lehre aus Pandemie und Energiekrise ist: Wir müssen unabhängiger von China werden“, sagte er der dpa. „Deutsche Häfen gehören nicht in chinesische Hand. Zumal Europäer sich in China nicht an Häfen beteiligen können.“ Der Obmann der Linken im Wirtschaftsausschuss des Bundestages verlangte ebenfalls, kritische Infrastruktur gehöre „nicht in die Hände fragwürdiger internationaler Konzerne, sondern im besten Fall gänzlich in die öffentliche Hand“.

Hamburg hofft auf Beteiligung

Scholz’ Nachfolger als Hamburger Bürgermeister, Peter Tschentscher (SPD), setzt sich derweil weiter für die COSCO-Beteiligung am CTT ein. „In der Sache hat sich nichts verändert“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer mit Blick auf den Streit in Berlin. Die Befürchtungen, dass China Zugriff auf die kritische Infrastruktur erhalten könnte, teile der Bürgermeister nicht.

Er weist stets darauf hin, dass Grund und Boden im Hamburger Hafen vollständig in öffentlicher Hand sind und bleiben. Auch der Betrieb des Hafens insgesamt liege weiterhin zu 100 Prozent bei der städtischen Hamburg Port Authority. Auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesvereinigung Logistik (BVL) hat keine Einwände gegen die Beteiligung.