Eine Kandidatin der Demokraten mit Unterstützern
Reuters/Elijah Nouvelage
Midterms

Wirtschaft trübt Chancen der Demokraten

Wenn am 8. November bei den US-Kongress-Zwischenwahlen alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 35 der 100 Senatorinnen und Senatoren neu gewählt werden, muss sich US-Präsident Joe Biden auf mehr Gegenwind einstellen. Glaubt man den Umfragen, wird zumindest das Repräsentantenhaus künftig eine republikanische Mehrheit haben, auch im Senatsrennen wird es eng. Zum Verhängnis könnte den Demokraten eine nun missachtete Weisheit werden, die sie früher selbst sehr erfolgreich gepredigt haben.

Die Midterms zwei Jahre nach der Präsidentenwahl gelten üblicherweise als Stimmungstest – und in gewisser Tradition wird dabei die Partei des amtierenden Präsidenten abgestraft. Auch Biden droht dieses Schicksal: Laut einer Meinungsumfrage von Reuters/Ipsos finden nur 40 Prozent der Amerikaner Bidens Amtsführung gut. Immerhin: Im Juni waren es sogar nur 36 Prozent.

In Umfragen liegen Demokraten und Republikaner zwar bei den Stimmenanteilen relativ Kopf an Kopf, durch das Wahlsystem mit Wahlbezirken und Festgelegten Abgeordneten je nach Bevölkerungsgröße des Bundesstaats ergibt sich aber in den Prognosen ein Vorteil für die Republikaner. Die Prognoseseite Fivethirtyeight.com sieht die Chance, dass die Republikaner eine Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen, bei 75 Prozent.

Repräsentantenhaus dürfte an Republikaner gehen

Basierend auf Umfragen wird davon ausgegangen, dass 196 Sitze für die Republikaner praktisch fix sind, 13 relativ sicher und sieben tendenziell gewonnen werden. Von diesen 216 Abgeordneten ausgehend, müsste die Partei laut Fivethirtyeight.com nur noch zwei der insgesamt zwölf als völlig offen eingeschätzten Duelle gewinnen.

Einen noch deutlicheren Wahlsieg der Republikaner sieht die Analyseseite Real Clear Politics. Dort geht man von 178 fix gewonnenen Sitzen aus, 19 wahrscheinlichen Siegen und 24, die in der Tendenz Richtung Republikaner gehen. Mit insgesamt 221 Sitzen wäre da die Mehrheit schon erreicht. Dabei schätzt Real Clear Politics noch weitere 38 Wahlen als bisher offene Rennen ein.

Demokraten setzen auf Abtreibungsthema

Dabei sind die Demokraten mit einem stichhaltigen zentralen Wahlkampfthema in die Midterms gegangen: Der Supreme Court hatte im Juni mit seiner konservativen Richtermehrheit das seit fast 50 Jahren geltende Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ aufgehoben, das ein landesweites Grundrecht auf Abtreibungen verankert hatte. Damit bekamen Bundesstaaten das Recht, Schwangerschaftsabbrüche stark zu beschränken oder ganz zu verbieten. Und viele taten es bereits – obwohl es landesweit eine deutliche Mehrheit gegen Beschränkungen gibt.

Die Demokraten hefteten das Thema an ihre Fahnen, weil man glaubte, damit auch viele bisher republikanisch wählende Bürger und vor allem Bürgerinnen abholen zu können. Die Frage von möglichen Abtreibungen schien zudem auch ein Thema, das emotional besetzt ist. Zuletzt versprach Biden, selbst das landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche wieder per Gesetz einzuführen, wenn seine Demokraten ihre Kongressmehrheiten verteidigen und ausbauen. „Wenn wir das tun, dann ist das hier mein Versprechen an euch und das amerikanische Volk: Das erste Gesetz, das ich dem Kongress schicken werde, wird Roe v. Wade festschreiben.“

Wirtschaftskrise und Inflation beschäftigen Menschen

Allerdings wurden die Demokraten von anderen Entwicklungen quasi überholt: Die derzeitige Wirtschaftskrise und die hohe Inflation machen auch vor den USA nicht Halt – und beschäftigen die Wählerinnen und Wähler laut Umfragen weit mehr als die Abtreibungsfrage. Mit der von seinem Berater James Carville geprägten Phrase „It’s the economy, stupid“ hatte 1992 Bill Clinton in der Präsidentschaftswahl Amtsinhaber George W. Bush geschlagen. Damals steckten die USA in einer Rezession und Clinton setzte vor allem auf das Thema Wirtschaft.

Ob Biden und seine Demokraten in den verbleibenden Tagen bis zur Wahl auch dieses Thema noch besetzen können, bleibt abzuwarten. Der US-Präsident versucht es jedenfalls. Zuletzt gab er weitere 15 Millionen Barrel aus den strategischen Ölreserven der USA frei, um für sinkende Spritpreise zu sorgen. Ob das reicht, ist aber fraglich.

Demokratisches Dilemma

Für eine besonders wichtige Wählergruppe hat die „New York Times“ in einer Umfrage exemplarisch das Dilemma der Demokraten nachgezeichnet. Die hispanischen Bevölkerungsteile galten – vor allem bei der Wahl von Barack Obama – als traditionelle Wählergruppe für die Demokraten. Bei der Wahl von Donald Trump schwenkten allerdings viele ins republikanische Lager um. Und sie zurückzugewinnen scheint schwierig: Laut der Umfrage sehen sich Latinos in sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen im Lager der Demokraten. Bei der Wirtschaft wird aber den Republikanern höhere Problemlösungskompetenz eingeräumt.

Und sobald Wirtschaftsthemen wichtiger werden, beeinflusst genau das das Wahlverhalten. Es gibt laut der Umfrage aber auch eine Schmerzgrenze: Machen die Republikaner eine zu diskriminierende Politik, schreckt das wiederum ab. Die Frage, wie präsent die Anschuldigungen gegen Ex-Präsident Trump zum Kapitol-Sturm im Wahlkampf sind, wird also auch eine Rolle spielen – und das nicht nur für Latinos.

Wenige Sitze entscheiden Senat

Im Senat haben die Demokraten bisher eine Mehrheit – allerdings nur dank der Regelung, dass bei einem Patt von 50 zu 50 die Vizepräsidentin Kamala Harris entscheiden darf. Und die Demokraten dürfen zumindest hoffen, diese hauchdünne Mehrheit auch behalten zu können.

Die Analyseplattform Real Clear Politics geht davon aus, dass 41 Sitze der Demokraten und 42 der Republikaner fix sind, entweder weil sie nicht gewählt werden oder die Mehrheitsverhältnisse klar sind. Je fünf Senatorensitze pro Partei seien zwar umkämpft, das Ergebnis sei aber absehbar. Dann blieben sieben Sitze, wo das Rennen spannend sei, nämlich in Arizona, Nevada, Pennsylvania, Georgia, North Carolina und New Hampshire.

Vier dieser Sitze werden derzeit von Demokraten gehalten, drei von Republikanern. In Pennsylvania dürfte John Fetterman, der dem linken Flügel der Demokraten angehört, gute Chancen haben, seinen – bisher republikanischen – Sitz zu erobern. Umgekehrt könnten Senatorensitze in Nevada und Georgia an die Republikaner fallen – Fivethirtyeight.com sieht diese beiden Rennen als einzige als völlig offen an.

Knappe Rennen um Gouverneursposten

In 36 Bundesstaaten werden auch die Gouverneure gewählt – und auch da könnte es zu einigen Überraschungen kommen. In Massachusetts und Maryland dürften die Ämter an die demokratischen Kandidaten fallen, nachdem die republikanischen Amtsinhaber nicht mehr antreten dürfen. Ein knappes Rennen wird in Arizona, bisher republikanisch geführt, erwartet. Die Demokratin Katie Hobbs und die Republikanerin Kari Lake liegen in Umfragen fast gleichauf. Umgekehrt könnten Republikaner in Nevada, Wisconsin und Oregon möglicherweise die bisher von Demokraten besetzten Gouverneursposten erobern.