Ausgetrocknete Bootsanlegestelle im Nationalpark Neusiedler See
IMAGO/Viennareport/Leopold Nekula
Extremwetter

Menschengemachter Klimawandel messbar

Hitzewellen, Dürren, Starkregen: Die Klimakrise äußert sich mannigfaltig. Unwetter hat es aber auch schon gegeben, bevor der Mensch durch seine Treibhausgase ins Klima eingegriffen hat. Ob ein Extremwetter den Fußabdruck des Menschen trägt oder noch „normal“ ist, kann die Zuordnungsforschung beantworten. Auch bei kürzlich stattgefundenen Wetterextremen gibt es klare Erkenntnisse.

Ende August heuer in Pakistan: Nach außergewöhnlich heftigem Monsunregen stand ein Drittel des Landes unter Wasser. Über 1.500 Menschen starben in den reißenden Fluten. Vor dem Monsun litt Pakistan zusammen mit Indien im Mai unter einer Gluthitze von bis zu 51 Grad.

Beide Ereignisse hätte es ohne den menschengemachten Klimawandel in dieser Form kaum gegeben, so die Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College in London. Alleine die extreme Hitzewelle im Frühjahr ist durch die menschlichen Einflüsse 30-mal wahrscheinlicher geworden.

Der Klimawandel wird greifbar

Welche Rolle spielt der Klimawandel für das Auftreten von Wetterextremen wie Hitzewellen, Dürren, Starkregen oder auch Stürmen? Dieser Frage geht die Zuordnungsforschung nach. Sie macht den Klimawandel greifbar und erlaubt es abzuschätzen, ob und inwieweit sich Wetterextreme auf die Erderhitzung zurückführen lassen.

Die Zuordnungsforschung, englisch „Climate Attribution“, ist eine noch junge Wissenschaftsdisziplin in der Klimatologie und wurde erst vor etwa zehn Jahren entwickelt. Davor war es praktisch unmöglich, die Rolle des Klimawandels bei einem konkreten Wetterereignis zu beurteilen.

40 Grad in England Ausdruck der Klimakrise

Otto ist eine der führenden Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der Zuordnungsforschung. Sie und andere Forschende rund um den Globus haben sich in der World Weather Attribution Group (WWA) zusammengeschlossen. Viele Studien zu Extremwetterereignissen weisen den Fußabdruck des Menschen klar nach.

So auch bei der Hitzewelle heuer im Juli in England, als erstmals in der Geschichte in London 40 Grad gemessen wurden. „Der menschgemachte Klimawandel war der absolute Gamechanger“, so Otto. Ohne Treibhausgase, die seit dem Beginn der Industrialisierung durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe frei geworden sind, wären diese Rekordtemperaturen nahezu unmöglich gewesen.

Grafik zu den Szeneren der Erderwärmung bis 2100
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: climateactiontracker.org

„Jede Hitzewelle, die heute auf der Erde stattfindet, ist aufgrund des menschlichen Klimawandels wahrscheinlicher und intensiver geworden“, so die Klimaforscherin. Der Klimawandel hat bereits auf der ganzen Welt viele beobachtete Wetterveränderungen verursacht, so auch der letzte Sachstandsbericht das Weltklimarates (IPCC). Hitzewellen tragen dabei am deutlichsten den Stempel des Menschen.

Eine Zwillingswelt ohne Emissionen

Das Konzept einer Zuordnungsforschung ist von der Idee her denkbar einfach und genial zugleich. Um etwa im Falle einer Hitzewelle mit 40 Grad den Nachweis des Klimawandels zu erbringen, nutzen die Forschenden große Mengen an Wetterdaten von Stationen, die eine lange Datenreihe aufweisen.

Die Daten sind die Basis für die wichtigsten Werkzeuge, die Klimamodelle. Diese zählen zu den rechenaufwendigsten Computerprogrammen der Welt. Damit lassen sich Wetter und Klima über viele Jahre und Jahrhunderte simulieren, sprich berechnen.

Doch die Klimaforscher gehen weiter und erschaffen mit dem Computer zwei virtuelle Welten: eine Welt, wie sie heute ist, und eine Zwillingswelt ganz ohne die Treibhausgasemissionen durch uns Menschen.

Folgen der Erderhitzung nach Grad der Erwärmung
Gregor Aisch/Nature (Raftery et al)

Der Vergleich macht sicher

Vergleicht man die Ergebnisse der beiden Welten, kann die Zuordnungsforschung Erkenntnisse ableiten, ob und wie sehr der menschengemachte Klimawandel für das Auftreten der Hitze verantwortlich war. Kommt etwa in der simulierten aktuellen Welt heraus, dass die 40 Grad alle zehn Jahre auftreten und in der Zwillingswelt nur alle hundert Jahre, dann hat der Klimawandel die 40 Grad schon um den Faktor zehn wahrscheinlicher gemacht. Die Rolle des Klimawandels als Verstärker der Extreme konnte auch schon für die Rekordregenfälle im April in Südafrika und die Überschwemmungen im Mai im Nordosten Brasiliens nachgewiesen werden.

Katastrophen nicht nur durch den Klimawandel

Der Klimawandel ist aber nicht der einzige Grund, warum es zu Katastrophen kommt. Diese entstehen aus dem Zusammenspiel von Wetter und Vulnerabilität. Wenn es z. B. keine Frühwarnsysteme und kein funktionierendes Gesundheitssystem gibt, fallen die Auswirkungen viel dramatischer aus und wird der Schaden viel größer.

In Pakistan war die Vulnerabilität durch den Starkregen besonders groß, denn in den letzten zwölf Jahren seit der letzten großen Flutkatastrophe wurde kaum in die Infrastruktur oder in Frühwarnsysteme investiert, so Otto.

Armut als Hauptproblem

Manchmal erbringen Zuordnungsstudien aber auch keinen Nachweis für den Klimawandel. Im Süden Madagaskars gab es durch eine extreme Dürre 2021 eine große Hungersnot, davon waren Hunderttausende Menschen betroffen. Das Welternährungsprogramm der UNO sprach bereits von der ersten Klimahungersnot.

Der Klimawandel hat die Dürre nicht jedoch wahrscheinlicher gemacht oder verstärkt. Eine Studie der WWA ergab, dass eine solche extreme Dürre im Süden Madagaskars etwa alle 60 Jahre auftritt. Dass die Dürre so katastrophale Folgen hatte, war vielmehr der Armut, schlechter Infrastruktur und extremer Abhängigkeit vom Regen geschuldet. Viele Menschen haben neben der Landwirtschaft keine andere Erwerbsmöglichkeit.

Hitze und Dürre gefährden Ernährungssicherheit

Eine der jüngsten Studien der WWA ergab, dass Klimawandel, Hitze und Dürre in diesem Sommer in Europa, Nordamerika und China eng verschränkt waren. Viele Flüsse wie Jangtse, Mississippi, Po und Rhein hatten bzw. haben teils noch immer extrem niedrige Pegelstände. Die Wasserknappheit führte zu schlechten Ernten in den betroffenen Regionen, erhöhte das Brandrisiko und dürfte in Kombination mit den bereits sehr hohen Lebensmittelpreisen die Ernährungssicherheit auf der ganzen Welt gefährden, so die Autoren.