Grafik: Pegelstand österreichischer Gewässer und Grundwasserstand
ORF.at
Nach Dürre

Geteilte Aussichten für den Winter

Lange Hitze- und Trockenperioden haben vor allem im regenärmeren Osten Österreichs die Grundwasserstände spürbar sinken lassen. Regionale Unterschiede und natürliche Schwankungen der Pegel machen es schwer zu sagen, wie sich der Trend im Winter fortsetzen wird. Klar ist aber: Es braucht Regen, der auch versickern kann.

„Die Lage ist schon besonders verschärft“, fasst Alfred Blaschke vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie an der Technischen Universität (TU) Wien zusammen. Im Normalfall verlaufe der Grundwasserstand – ähnlich einer Sinuskurve – in Schwankungen, mit einem Tiefststand im Spätsommer und einem Höchststand im Frühjahr, skizziert der Universitätsprofessor im Gespräch mit ORF.at.

Doch zunehmend hohe Temperaturen im Sommer lassen das Wasser verdunsten, ehe es in den Boden sickern kann, und auch ausbleibende Niederschläge belasten den Grundwasserstand. „Die Niederschläge im Herbst und Winter sind dann entscheidend, damit sich der Wasserstand wieder erholt“, so Blaschke. Aber in den letzten drei bis vier Jahren habe dieser Regen nach den extrem heißen Sommern nicht mehr ausgereicht. Der Trend zeigt also – wenn auch mit regionalen Unterschieden – sinkende Grundwasserstände.

Pegelstand österreichischer Gewässer und Grundwasserstand (Ansicht auswählbar), mehr Informationen per Klick, Stand 27.10.

„In vereinzelten Regionen wie etwa im Burgenland bewegt sich der Grundwasserspiegel schon das ganze Jahr über auf eher niedrigem Niveau", heißt es vom Landwirtschaftsministerium auf Anfrage. Besonders betroffen sind etwa der Seewinkel und auch der Raum rund um Wiener Neustadt. „Solange wir messen, waren die Pegelstände noch nie so niedrig“, erklärt Blaschke.

Niedrige Pegelstände seien auch bei den Oberflächengewässern eher im Herbst häufig, so das Landwirtschaftsministerium. Aber: „Auch hier bewegen sich die Abflüsse derzeit an vielen Gewässern im Niederwasserbereich und damit unterhalb des langjährigen mittleren Abflusses.“

Trockener Osten, nasser Westen

Neben kleineren, regionalen Unterschieden ist ein deutliches Ost-West-Gefälle erkennbar. Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Niederschlagsentwicklungen in den Regionen. Im Vergleich zu 1961 bis 2010 zeigt sich: War es heuer im August noch auffällig trocken, hat sich die Lage im Oktober etwas gebessert. Der deutliche Unterschied zwischen Osten und Westen zieht sich aber durch, wie in der Karte ersichtlich wird.

Österreichischer Trockenheitsindex der letzten 30 Tage im Vergleich zum langjährigen Mittel 1961–2010 (jeweils Stand 7.8.2022 und 12.10.2022)

Sie zeigt den Trockenheitsindex der klimatischen Wasserbilanz der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Neben Niederschlagsmengen fließt auch die potenzielle Verdunstung der letzten 30 Tage in die Berechnungen mit ein.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver.

Trockenheit und extreme Niederschläge schließen einander auch in Österreich also nicht aus: Im Juli etwa bilanzierte die ZAMG noch einen „in vielerlei Hinsicht extremen“ Monat. Während es weniger regnete als in den Juli-Monaten der vergangenen Jahre, hatten einige Regionen mit viel Regen in kurzer Zeit – und infolgedessen auch mit Murenabgängen und kleinräumigen Überschwemmungen – zu kämpfen.

„Insgesamt regnet es in Österreich im Schnitt pro Jahr nicht wenig“, sagt Blaschke. So gebe es in Österreich im Schnitt 1.200 Millimeter Niederschlag pro Jahr, allerdings entfallen davon 3.000 Millimeter auf den Westen und nur 500 auf den Osten.

Infografik Wetterextreme durch steigende Temperaturen
BR.de/ORF.at

Keine „Eins-zu-eins-Auswirkung" auf Stromerzeugung

Fehlende Niederschläge und niedrige Pegelstände seien derzeit keine Gefährdung für die Trinkwasserversorgung, so Blaschke. Und auch die Stromerzeugung durch Wasserkraft dürfte von den Engpässen nicht so stark betroffen sein. „Wetterbedingte Schwankungen bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft gehören zum üblichen Geschäft“, erklärt Florian Seidl, Pressesprecher des Energieunternehmens Verbund.

Spürbar war der trockenen Sommer trotzdem: Im ersten Halbjahr 2022 lag die Erzeugungsleistung der Laufwasserkraftwerke „um zehn Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt“. Eine generelle Auswirkung auf die langfristige Stromversorgung hätten kurzfristige Hoch- und Niederwasser aber nicht.

Außerdem bedeute weniger Wasser nicht eins zu eins weniger Stromerzeugung, so Seidl im Gespräch. „Die Energieausbeute ist nicht nur von der Wassermenge, sondern von der Fallhöhe beim jeweiligen Kraftwerk abhängig.“ Sinkt der Pegel ober- und unterhalb des Kraftwerks, wirkt sich ein sinkender Wasserstand also nicht im gleichen Ausmaß auf die Stromerzeugung aus.

Karten für Winter neu gemischt?

Welche Auswirkungen die Dürremonate im Frühjahr und Sommer auf die Wassersituation im Herbst und Winter haben werden, lässt sich nicht pauschal vorhersagen. Prognosen der Universität für Bodenkultur (BOKU) zum Wasserstand des Neusiedler Sees zeigen für Jänner kommendes Jahr einen Wasserstand, der in etwa dem Wert von 2022 entspricht.

„Speziell das Grundwasser ist stark von Niederschlägen und Großwetterlagen abhängig“, meint Blaschke. Besonders längere Prognosen für den Niederschlag seien schwerer zu prognostizieren, das gelte insbesondere für die lokal auftretenden Starkniederschläge. Der Trend der letzten Jahre zeige aber auch deutlich, dass die Verdunstung gegenüber den Niederschlägen zugenommen habe. „Kleinere und seichtere Grundwasserkörper reagieren rasch auf Niederschläge“, größere Grundwasserkörper hingegen nur „relativ träge“, erläutert das Landwirtschaftsministerium.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Perioden, in denen die Grundwasserstände ebenfalls gesunken sind und sich in darauffolgenden Jahren auch wieder erholt haben. Der Grundwasserexperte zeigt sich „optimistisch“, dass sich die Lage langfristig wieder entspannt. Für den kommenden Winter sei jedoch keine rasche Erholung zu erwarten, und auch das kommende Jahr lasse noch keine nachhaltige Erholung der Grundwasserverhältnisse erwarten. Schließlich werde eine positive Entwicklung von kommenden Winter- und Frühjahrsniederschlägen abhängen.