Iranische Kletterin Elnaz Rekabi
APA/AFP/International Federation Of Sport Climbing/Rhea Kang
Unter Hausarrest?

Iranische Kletterin Rekabi dankt Fans

Die iranische Kletterin Elnas Rekabi hat sich nach tagelanger Ungewissheit über ihr Schicksal zu Wort gemeldet. Via Instagram bedankte sie sich bei ihren Fans. Laut einem Bericht der BBC Persian steht die Sportlerin unter Hausarrest. Für die Protestierenden gegen das Regime wurde sie zu einer Heldin, nachdem sie bei einem Kletterwettkampf ohne Kopftuch angetreten war.

BBC Persian berichtete, Rekabi dürfe ihr Haus nicht verlassen. Die iranischen Behörden behaupteten hingegen, dass sie lediglich zu Hause sei, weil sie sich ausruhen müsse. Rekabi hatte bei den Asienmeisterschaften im Klettern in Südkorea am Sonntag nur ein Stirnband auf dem Kopf getragen. Das widerspricht den Kleidervorschriften des Iran, nach denen iranische Sportlerinnen nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Ausland die Haare bedecken müssen.

Rekabi war nach ihrem Antreten ohne Kopftuch im Finale in Seoul plötzlich verschwunden. Es gab Spekulationen, dass sie vorzeitig nach Hause geschickt worden sei und seither unter striktem Hausarrest stehe. Menschenrechtsorganisationen im Ausland äußerten Bedenken bezüglich ihrer Sicherheit.

„Ich, das Volk, Iran“

Am Samstag meldete sich Rekabi nach tagelanger Ungewissheit auf Instagram: „Ich bin unendlich dankbar für die Unterstützung von euch, des gesamten iranischen Volks, den anständigsten Menschen des Planeten, Athleten und Nichtathleten, und für alle Unterstützung in der internationalen Gemeinschaft.“ Was sie gewonnen habe, sei die „Fürsorge von euch wunderbaren Seelen“.

Elnaz Rekabi
EBU/International Federation of Sport Climbing
In einem Beitrag auf Rekabis Instagram-Profil wurde das Antreten ohne Kopftuch als „Versehen“ bezeichnet

Die 33-Jährige begann ihre Botschaft mit einem Zitat des iranischen Poeten Ahmed Schamlu, das darauf anspielt, dass Einzelne als Teil der Gemeinschaft existieren. Sie unterzeichnete mit den Worten: „Ich, das Volk, Iran“, was in den sozialen Netzwerken am Samstag als Unterstützung für die Proteste interpretiert wurde.

Entschuldigung erzwungen?

Auf Instagram und in einem TV-Interview hatte sich Rekabi bereits kurz nach dem Wettkampf gemeldet und dafür entschuldigt, dass ihr die Kopfbedeckung versehentlich weggerutscht sei. Laut dem BBC-Persian-Bericht wurde sie zur Entschuldigung allerdings gezwungen. Die Behörden hätten ihr gedroht, den Besitz ihrer Familie zu beschlagnahmen. Vor ihrer Abreise zu den Wettkämpfen in Seoul musste Rekabi dem iranischen Bergsteigerverband eine Vollmacht erteilen, den Besitz ihrer Familie verkaufen zu können.

Dass Rekabi ohne Kopfbedeckung kletterte, war von einigen Unterstützern der Massenproteste im Iran als Solidaritätsgeste ausgelegt worden. Dutzende jubelnde und klatschende Menschen hatten die Kletterin am Mittwoch auf dem Imam-Chomeini-Flughafen in Teheran begrüßt. Der iranische Sportminister Hamid Sadschdschadi empfing Rekabi kurz nach ihrer Ankunft. Dabei trug sie erneut kein klassisches Kopftuch, sondern nur eine Sportkappe.

Proteste seit Mitte September

Auslöser der Massenproteste im Iran war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam.

Seit ihrem Tod demonstrieren Tausende gegen den repressiven Kurs sowie das islamische Herrschaftssystem. Angeführt werden die Proteste von jungen Frauen, Universitätsstudentinnen und Schülerinnen, die ihre Kopftücher abnahmen, regierungsfeindliche Parolen riefen und sich auf der Straße den Sicherheitskräften entgegenstellten.

Lehrergewerkschaft ruft zu Streik auf

Dabei gehen die Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die Protestierenden – darunter auch Minderjährige – vor. Wie die in Oslo ansässige Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights mitteilte, seien bisher mindestens 122 Menschen getötet worden – darunter 27 Kinder. Erst am Donnerstag hatte der Koordinierungsrat der Lehrergewerkschaften den Tod der 15-jährigen Asra Panahi bekanntgegeben. Sie war in ihrer Schule in der nordwestlichen Stadt Ardabilan an den Folgen von Schlägen durch Sicherheitskräfte gestorben.

Die Lehrer beschuldigten das Militär, die Sicherheitskräfte und die Polizisten in Zivil, „gewalttätig gegen Schulen und Bildungszentren“ vorzugehen. „Während dieser systematischen Unterdrückung haben sie einer Reihe von Schülern und Kindern gnadenlos das Leben genommen“, schrieben Gewerkschafter. Eine Lehrergewerkschaft hat deswegen ab Sonntag zu einem zweitägigen Streik aufgerufen.

Friedensnobelpreisträgerin: Regime gefährdet

Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi sieht in den aktuellen Protesten eine ernsthafte Gefahr für das Regime im Iran. „Wir sehen ja: Selbst dann, wenn es zu Niederschlagungen der Proteste kommt, gehen die Menschen wieder auf die Straße. Für sie ergibt die Fortführung dieses Regimes keinen Sinn mehr“, sagte die Menschenrechtsaktivistin.

Wenn die Proteste weiter anwachsen, erhöhe sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendwann Mitglieder der Armee und der Revolutionsgarden auf die Seite der Demonstranten stellten, da sie fürchten müssten, dass auch ihre Verwandten sich darunter befänden. „Sie werden Angst haben, ihre eigene Tochter, Frau oder Mutter zu verletzen“, so Ebadi. „Letztlich werden die Protestierenden in der Mehrzahl sein, denn je mehr das Regime die Proteste niederschlägt, desto mehr Menschen gehen auf die Straße.“

Ebadi ist iranische Juristin und Menschenrechtsaktivistin. 2003 wurde sie für ihren Einsatz für Demokratie, Frauen- und Kinderrechte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In den folgenden Jahren setzten die iranischen Behörden sie immer stärker unter Druck. Seit 2009 führt Ebadi deshalb ihre Arbeit aus dem Exil in London fort.

80.000 bei Solidaritätsdemo in Berlin

In Berlin solidarisierten sich am Samstag rund 80.000 Menschen bei einer Demonstration mit den Protesten im Iran. An der Berliner Siegessäule kamen die Menschen aus weiten Teilen Europas zusammen. Angemeldet hatte die Demonstration das „Woman* Life Freedom Kollektiv“, das sich gegen Unterdrückung und Diskriminierung im Iran starkmachen will. Zahlreiche Organisationen unterstützten den Aufruf.

Iran will zwei Sender auf „Terrorliste“ setzen

Der Iran will im Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten im Land zwei in London ansässige persischsprachige Nachrichtensender auf eine eigene „Terrorliste“ setzen. „Die beiden Sender BBC Farsi und Iran International und ihre Organisatoren müssen auf die Terrorliste“, sagte Kasem Gharibabadi, Vizechef der internationalen Abteilung in der iranischen Justizbehörde, am Samstag. Bereits am Mittwoch hatte der Iran die Konzerne der Sender als Reaktion auf westliche Sanktionen auf eine „Terrorliste“ gesetzt.