Großbritanniens Ex-Finanzminister Rishi Sunak
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Truss-Nachfolge

Sunak und Johnson bringen sich in Position

Bei den britischen Konservativen ist das Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Liz Truss in vollem Gange. Ex-Finanzminister Rishi Sunak bewarb sich am Sonntag offiziell als Kandidat für das Amt des Regierungschefs. Auch Ex-Premier Boris Johnson soll seinen Hut für das Amt des Premierministers erneut in den Ring werfen.

„Großbritannien ist ein großartiges Land, aber wir sind in einer ernsthaften ökonomischen Krise. Deshalb möchte ich die Konservative Partei anführen und nächster Premierminister werden“, schrieb Sunak am Sonntag auf Twitter. Der 42-Jährige gilt als Favorit im Rennen um die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Truss.

Sunak hat bereits deutlich mehr als die notwendigen 100 Unterstützerinnen und Unterstützer in der Fraktion zusammen. Sunak war Anfang September im Rennen um die Johnson-Nachfolge gegen Truss unterlegen, die nun bereits nach gut sechs beispiellos chaotischen Wochen wieder aus dem Amt ausscheidet.

Johnson will antreten

Sunak wird nun von vielen in der Partei zugutegehalten, dass er vor genau jenem Chaos, das Truss mit ihrer Wirtschaftspolitik an den Finanzmärkten auslöste, im Wahlkampf wiederholt gewarnt hatte.

Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson
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Johnson kürzte seinen Karibik-Urlaub ab und wirbt in der Partei um Unterstützung

Auch Ex-Premier Boris Johnson soll seinen Hut für das Amt des Premierministers erneut in den Ring werfen. Verbündete gaben bereits an, Johnson stehe bereit und habe auch bereits genügend Unterstützerinnen und Unterstützer bei den Torys beisammen. Samstagfrüh landete der 58-Jährige nach einem abgekürzten Karibik-Urlaub mit seiner Familie wieder in London.

Gespräch zwischen Sunak und Johnson ergebnislos

Johnson und Sunak konnten sich zuvor bei einem Treffen nicht auf eine gemeinsame Lösung einigen. Das berichteten britische Medien am Sonntag. Der Ex-Premier und der Ex-Finanzminister kamen Berichten zufolge am Samstagabend zusammen. Britische Medien spekulierten, die beiden könnten sich auf einen Deal einigen, um eine Spaltung der Tory-Partei zu vermeiden.

So kursierte etwa das Szenario, der Favorit Sunak könne Johnson eine Rolle in einem zukünftigen Kabinett anbieten. Der 42-Jährige hatte mit seinem Rücktritt aus dem Johnson-Kabinett im Sommer maßgeblich dazu beigetragen, diesen zu Fall zu bringen.

Großbritanniens Ex-Finanzminister Rishi Sunak
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Ex-Finanzminister Sunak: Alles läuft auf ein Kräftemessen mit Johnson hinaus

Johnson soll dem „Telegraph“ zufolge nun in seiner Partei herumtelefoniert und um Unterstützung geworben haben. Aus seinem Kampagnenteam hieß es, der 58-Jährige habe die notwendige Schwelle von 100 parteiinternen Unterstützenden bereits erreicht. Auch Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris sagte dem Sender Sky, Johnson habe die dafür nötigen 100 Unterstützenden aus dem Kreis konservativer Abgeordneter beisammen. „Wir haben die Anzahl. Das ist kein Problem“, sagte Heaton-Harris. Auf die Frage, ob der Ex-Premier antreten werde, erwiderte Heaton-Harris: „Ja, ich denke schon.“

Bewerbungen bis Montagnachmittag möglich

Im Rennen ist außerdem die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt, die bereits am Freitag ihre Kandidatur offiziell angekündigt hatte. Bis Montagnachmittag können Nominierungen eingehen. Spätestens am Freitag soll feststehen, wer künftig an der Spitze der Regierung stehen wird.

Politchaos verschärft Krise

Das politische Chaos verschärft die ohnehin stetig schwieriger werdende Lage für die Bevölkerung. Sie leidet unter den Teuerungen, ein wachsender Anteil hat Probleme, die Rechnungen zu bezahlen. Die Inflation in Großbritannien lag im September bei 10,1 Prozent und bewegte sich damit nahe am 40-Jahres-Hoch. Für Oktober werden elf Prozent erwartet. Wie hierzulande werden die Menschen vor allem von hohen Energie- und Lebensmittelpreisen geplagt. Letztere wurden jüngst zum großen Preistreiber. Die Lebensmittel sind so teuer wie seit 42 Jahren nicht mehr.

Großbritannien Premier Liz Truss
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Truss’ Abgang nach nur sechs Wochen verschärft die Krise des Landes weiter

Die steigenden Energiepreise treffen die Bevölkerung ebenfalls äußerst hart. Das liegt einerseits an der großen Abhängigkeit von Gas, andererseits an besonders schlecht isolierten Häusern, so die London School of Economics. Organisationen befürchten, dass sich bei ausbleibenden Maßnahmen gegen die Energiepreise bis April rund elf Millionen Menschen das Heizen nicht mehr angemessen leisten können. Die stark gestiegenen Zinsen für Immobilienkredite verschärften die Krise für viele Menschen.

Jeder Vierte finanziell verletzlich

Die explodierenden Lebenserhaltungskosten bereiten immer mehr Menschen große Schwierigkeiten beim Bezahlen der Rechnungen. Wie die Finanzaufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA) mitteilte, würden bereits nahezu acht Millionen Menschen ihre finanziellen Verpflichtungen als „schwere Belastung“ empfinden. Das seien um 2,5 Mio. Menschen mehr als noch 2020, sprich in der Anfangsphase der Pandemie.

Jeder vierte Erwachsene habe sich als finanziell verletzlich beschrieben, teilte die FCA weiter mit. Im Falle eines finanziellen Schocks würden sich diese Menschen in einer äußerst schwierigen Lage befinden. Etwa 4,2 Millionen Menschen hätten in drei von sechs Monaten ihre Rechnungen bzw. Kreditrückzahlungen nicht begleichen können.

Konsum dreimal schlechter als erwartet

Laut einer Befragung der Gewerkschaft Trades Union Congress spare schon jetzt die Hälfte bei Strom, Heißwasser und Heizung, eine von sieben Personen müsse gar eine Mahlzeit am Tag auslassen. Die Stimmung schlägt sich auch auf den Konsum nieder – mit weitreichenden Folgen. Die Einzelhandelsumsätze gingen im September stärker als erwartet um 1,4 Prozent zurück, wie das Statistikamt ONS mitteilte. Das ist dreimal stärker als im Vorfeld prognostiziert.

Rennen um Nachfolge nach Truss-Rücktritt

In Großbritannien hat Premierministerin Liz Truss nach 45 Tagen im Amt ihren Rücktritt angekündigt. Somit ist sie die Premierministerin, die in der Geschichte des Landes am kürzesten im Amt war. Das Rennen um die Nachfolge hat bereits begonnen.

Gemessen am Vorjahresmonat sank der Umsatz mit 6,9 Prozent so stark wie seit Mai 2020 nicht mehr. Dazu dürfte beigetragen haben, dass viele Geschäfte am Tag der Beisetzung von Königin Elizabeth II. geschlossen blieben. Doch zusätzlich habe der andauernde Preisdruck die Verbraucher dazu veranlasst, vorsichtig mit ihrem Geld umzugehen, sagte Morgan.

„Wirtschaft bereits in Rezession“

Mehrere Einzelhändler, darunter die größte britische Supermarktkette Tesco, haben im Oktober bereits Gewinnwarnungen veröffentlicht, da sie mit höheren Energie- und Personalkosten und dem schwachen Pfund zu kämpfen haben. „Insgesamt meinen wir, dass sich die Wirtschaft bereits in einer Rezession befindet und diese bis zum dritten Quartal 2023 andauern wird“, sagte Ökonom Thomas Pugh von der Steuer- und Beratungsfirma RSM UK.

Der Staat muss unterdessen mehr Kredite aufnehmen. Im September waren es 20,01 Milliarden Pfund (knapp 23 Mrd. Euro), wie das Statistikamt mitteilte. Das sind fast drei Milliarden mehr als von Ökonomen erwartet. Seit April summiert sich die Kreditaufnahme damit auf 72,5 Mrd. Pfund, was einem Rückgang von rund einem Viertel zum Vorjahreszeitraum entspricht, aber doppelt so hoch ist wie im Zeitraum April bis September 2019.

Das Defizit werde sich ausweiten, wenn die teuren Energiepreissubventionen der Regierung beginnen, sagte der stellvertretende Direktor des Institute for Fiscal Studies, Carl Emmerson. Die Landeswährung Pfund wertete nach der Veröffentlichung der jüngsten Wirtschaftsdaten gegenüber dem Dollar ab. Sie hatte zuletzt ein wenig von Truss’ Rücktritt profitiert.

Wirtschaftsprogramm als Sargnagel

Wie alle Staaten kämpft auch Großbritannien mit den geopolitischen Entwicklungen, doch die langen Schatten des Brexits und das innenpolitische Chaos verschärfen die Lage beträchtlich. Deutlich wurde das zuletzt an den Marktturbulenzen, die Truss’ radikales Wirtschaftsprogramm ausgelöst hatten.

Die Premierministerin und ihr damaliger Finanzminister Kwasi Kwarteng hatten die Finanzmärkte vor rund einem Monat ins Chaos gestürzt, als sie milliardenschwere, nicht gegenfinanzierte Steuerentlastungen ankündigten. Mit dieser hatte Truss „die Freiheiten des Brexits“ nutzen wollen. Doch die Märkte reagierten brutal und schickten den Kurs des Pfunds in den Keller. Daraufhin musste die Zentralbank mit Notanleihekäufen den Kollaps von Pensionsfonds verhindern. Nur wenige Tage später war das politische Schicksal der Tory-Spitze besiegelt.