Demonstranten in Budapest
Reuters/Marton Monus
Am Nationalfeiertag

Orban wich mit Rede Schulprotesten aus

Zehntausende Menschen haben am Sonntag, dem ungarischen Nationalfeiertag, in Budapest gegen die Schulpolitik der Regierung von Regierungschef Viktor Orban demonstriert. Sie verlangten unter anderem eine bessere Bezahlung der Lehrerinnen und Lehrer, ideologiefreie Lehrpläne sowie ein Streikrecht für Lehrkräfte. Die Proteste dauern bereits Wochen an. Orban wich für seine Rede zum Feiertag in die kleine westungarische Stadt Zalaegerszeg aus.

Während der vergangenen Wochen hatte es nach Angaben der Lehrergewerkschaft landesweit 147 Lehrerproteste in 61 Ortschaften gegeben. Gefordert wurden am Sonntag mehr Bezahlung und bessere Unterrichtsbedingungen. Laut den Organisatoren nahmen an dem Protestmarsch rund 80.000 Menschen – großteils Gewerkschafter, Interessensvertreter, Lehrer, Schüler, Eltern und Oppositionelle – teil.

In den Reden wurde auch der „Rausschmiss“ von Pädagogen wegen zivilen Ungehorsams angeprangert. Außerdem wurden die Beseitigung des Lehrermangels, die Rückgabe des Streikrechtes und die Schaffung eines eigenständigen Unterrichtsministeriums verlangt.

Proteste am Nationalfeiertag in Ungarn

In Ungarn findet am Sonntag nicht nur der Nationalfeiertag statt, es gibt auch Proteste gegen die Regierung. Dabei steht eine große Demonstration von Lehrenden, Schülerinnen und Studierenden im Mittelpunkt.

Innenministerium für Schulen zuständig

Lehrer und Lehrerinnen sehen das ungarische Bildungssystem schon lange knapp vor dem Zusammenbruch: Es gebe Mängel an allen Ecken und Enden, Lohnverhandlungen für Lehrer wurden von der Regierung bisher einfach nicht angesetzt.

Mittels Notstandsbefugnissen, offiziell wegen der CoV-Pandemie und des Ukraine-Krieges, wurde zuletzt das Streikrecht für Lehrer und Lehrerinnen weitgehend eingeschränkt. Protestmaßnahmen wurden daher als „ziviler Ungehorsam“ betitelt, dennoch gab es fristlose Kündigungen. Die Zuständigkeit für Schulen liegt neuerdings im Innenministerium. Ressortchef Sandor Pinter rechtfertigte das damit, dass man nur in einem Klassenzimmer unterrichten könne, „in dem Ordnung herrscht“.

Demonstranten in Budapest
APA/AFP/Peter Kohalmi
Nicht nur Betroffene aus dem Bildungssystem demonstrierten gegen die Regierung

Am Freitag wurde von der Regierung dann die Anhebung der Gehälter um 20 Prozent versprochen – mit dem Vorbehalt, dass die EU wie bisher Gelder an Ungarn überweist. In der Kommission gibt es Pläne, Ungarn wegen Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Budget zu kürzen. Die Betroffenen zeigten sich angesichts der Ankündigung aber sehr skeptisch.

Orban-Rede hinter verschlossenen Türen

In Zalaegerszeg, wo Orban anlässlich des Nationalfeiertages zum Gedenken an die ungarische Revolution von 1956 eine Rede hielt, gab es Pfeifkonzerte. Sein Auftritt fand nicht im öffentlichen Rahmen, sondern hinter hermetischer Abriegelung und bei schärfsten Sicherheitsvorkehrungen vor einem ausgesuchten Publikum statt. Anrainer um den Veranstaltungsort durften ihre Wohnungen von Samstag bis Sonntagabend nur bei Vorzeigen der Personaldokumente verlassen, bei gleichzeitigem Parkverbot.

Wie Medien spekulierten, flüchtete Orban vor den in Budapest zu erwartenden Demonstrationen. Denn gewöhnlich wird der 23. Oktober mit großen Kundgebungen der Regierung in Budapest gefeiert, mit einer Festrede des Regierungschefs.

Ungarns Premier Viktor Orban bei Feierlichkeiten
Reuters/Bernadett Szabo
Orban in Zalaegerszeg

„Wir halten durch“

Orban lobte in seiner Ansprache den Mut der Ungarn während der Revolution von 1956 und den Sieg im Wendejahr 1989. Es bedürfe „des Mutes des Löwen, der Gerissenheit der Schlange und der Sanftmut der Taube“, betonte der Premier. Denn im kommenden Jahr müsse mit Kriegs- und Wirtschaftskrise, mit Migration gerungen werden. Zum Glück sei nicht die Linke an der Regierung. Dabei sei sein Kabinett in der Lage, die ungarischen Interessen in Ungarn und im Ausland auch gegen Brüssel zu verteidigen, betonte Orban.

Er beklagte auch, dass der Westen seinerzeit sein Land gegen den Stalinismus im Stich gelassen habe. Daraus habe Ungarn gelernt, dass es sich stets selbst verteidigen müsse. „Wir halten durch, wenn es notwendig ist, und schlagen zurück, wenn es möglich ist“, sagte er.

Orban prophezeit EU Ostblock-Schicksal

Orban beschuldigte die EU, mit den Russland-Sanktionen auf hinterhältige Weise gegen Ungarn zu „schießen“. Er prophezeite der Europäischen Union am Sonntag bei seiner Rede in Zalaegerszeg ein ähnliches Schicksal wie dem Ostblock, dessen Zerfall 1989 begann.

„Wir sollten uns nicht um diejenigen kümmern, die irgendwo im Schatten von den Wachtürmen in Brüssel auf Ungarn schießen“, sagte Orban. „Sie werden dort enden, wo ihre Vorgänger geendet haben.“ In Budapest und anderen Teilen des Landes wurden Plakate mit dem Schriftzug „Die Brüsseler Sanktionen ruinieren uns“ aufgehängt.

Ungarn: Fragebögen zu Russland-Sanktionen

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban lässt seine Landsleute befragen, ob sie mit den EU-Sanktionen gegen Russland einverstanden sind. Allerdings wird kein Referendum oder eine Volksbefragung nach demokratischen Standards abgehalten. Denn Orban hat an rund acht Millionen Ungarinnen und Ungarn Fragebögen schicken lassen, die ausgefüllt retourniert werden sollen.

Die Regierung Orbans hatte Mitte Oktober eine „nationale Konsultation“ zu den EU-Sanktionen gegen Russland gestartet, die vor allem auch die Energieimporte aus Russland betreffen. Orban kritisiert immer wieder die wegen Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine verhängten EU-Sanktionen, auch wenn er ihnen bei den Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs zugestimmt hat.