Xi Jinping am Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas
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China

Xis Allmacht bereitet Sorgen

Chinas Präsident und Parteichef Xi Jinping hat am Wochenende seine Macht als wichtigste Führungsfigur des Landes seit Mao Zedong auf Jahre hinaus zementiert und eine neue Führungsriege um sich platziert, die ausschließlich aus loyalen Anhängern besteht. Der Tenor in internationalen Kommentaren ist einhellig: Die Einmannherrschaft ist gefährlich – sowohl für China als auch für die Welt.

„Dass es Xi geschafft hat, alle Macht in seinen Händen zu versammeln, ist eine Leistung, aber auch ein großes Problem. Ein allmächtiger Mann kann leichter Fehler begehen und sein Land in die Irre führen als ein größeres System“, schrieb etwa die dänische Zeitung „Politiken“. Die spanische „El Mundo“ kommentierte: „Es ist völlig ungewiss, wie sich diese dritte Amtszeit von Xi entwickeln wird. Die Welt hat allerdings allen Grund, mit Sorge zu beobachten, wie sich in China eine nationalistischere, autoritärere und aggressivere Regierung konsolidiert.“

Die neue Führungsmannschaft Xis besteht nur noch aus Gefolgsmännern. Überraschend trat im siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros Schanghais Parteichef Li Qiang an zweiter Stelle auf das Podium. Der Aufstieg des 63-Jährigen deutet darauf hin, dass der Weggefährte von Xi im März neuer Regierungschef werden soll, obwohl er keinerlei Erfahrung in der Zentralregierung hat und wegen des Chaos beim zweimonatigen CoV-Lockdown in Schanghai in die Kritik geraten war. Regierungschef Li Keqiang, der nicht immer auf einer Linie mit Xi zu liegen schien, zieht sich vorzeitig aus der Führung zurück.

Xi Jinping am Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas
Reuters/Tingshu Wang
Die vier freigewordenen Plätze des Ständigen Ausschusses wurden mit engen Verbündeten Xis besetzt

Keine Frauen mehr im Politbüro

Dem siebenköpfigen Ständigen Ausschuss gehören neben Xi unverändert der Chef der mächtigen Disziplinkommission, Zhao Leji, und der Chefideologe Wang Huning an. Drei neue Mitglieder des neuen Ausschusses sind ehemalige Untergebene Xis. Auch die meisten der 24 Mitglieder des Politbüros stehen in irgendeiner Form mit Xi in Verbindung – Frauen finden sich nun nicht mehr darunter. Unter den neuen Politbüromitgliedern sind stattdessen viele Technokraten, die ihre politische Karriere Xi verdanken.

Schon seit Xi im Jahr 2012 an die Macht kam, hat er China auf einen zunehmend autoritären Kurs gebracht. Im Vordergrund stehen die Sicherheit, die staatliche Kontrolle der Wirtschaft im Namen des „gemeinsamen Wohlstandes“, eine durchsetzungsfähigere Diplomatie und ein stärkeres Militär. Zudem wird die Übernahme der demokratisch regierten Inselrepublik Taiwan angestrebt.

„Partnerschaft“ mit Putin

Das Verhältnis zu den USA gilt auch deswegen als angespannt. Für weiteren Zündstoff sorgt, dass Xi im Februar nur wenige Wochen vor der russischen Invasion in der Ukraine ein Partnerschaftsabkommen mit Moskau schloss und die westlichen Sanktionen gegen Russland offen kritisiert. Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte Xi am Sonntag zu seiner dritten Amtszeit als Staatschef und erklärte, er freue sich auf die weitere Entwicklung einer „umfassenden Partnerschaft“ zwischen ihren beiden Ländern.

Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas
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Zehn Jahre ist Xi bereits an der Macht, Nachfolger ist keiner in Sicht – und derzeit auch sicher nicht erwünscht

Auch gab Xi am Wochenende keine Anzeichen für Pläne, die strenge Null-Covid-Strategie zu ändern, die Chinas öffentliches Leben und Binnennachfrage erheblich beeinträchtigte und globale Lieferketten ins Wanken brachte. Von April bis Juni war das Wirtschaftswachstum in China sogar langsamer als in den USA.

Wirtschaft auf wackligen Beinen

Im dritten Quartal legte die Wirtschaft allerdings stärker als erwartet zu: Das Bruttoinlandsprodukt der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt stieg von Juli bis September um 3,9 Prozent zum Vorjahreszeitraum, wie das Statistikamt am Montag in Peking mitteilte. Allerdings deuteten weitere veröffentlichte Konjunktur- und Handelszahlen auf ein durchmischtes Bild der Lage hin.

Das Statistikamt hatte die Veröffentlichung der Konjunkturdaten vergangene Woche während des Parteitags der Kommunistischen Partei ohne Angabe von Gründen auf unbestimmte Zeit verschoben. Offiziell ausgegebenes Wachstumsziel für dieses Jahr in China sind 5,5 Prozent. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet 3,2 Prozent, das wäre der schwächste Wert seit 1976, mit Ausnahme des von Covid-19 geprägten Jahres 2020.

Selbst verschuldete Schwierigkeiten

Teils seien die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme in China auf Xis Streben nach einer immer stärkeren Kontrolle zurückzuführen, analysierte die „New York Times“ („NYT“). Der Immobilienmarkt sei eingebrochen, nachdem Xi versucht hatte, die Immobilienspekulation einzudämmen, die seiner Meinung nach ein langfristiges, gesundes Wachstum untergräbt und Dutzende von Immobilienentwicklern dazu veranlasst hat, ihre Schulden nicht zu begleichen.

Unternehmer seien aus dem Land geflohen, weil sie ein hartes Durchgreifen der Behörden und die Möglichkeit höherer Steuern im Rahmen von Xis Versprechungen für „gemeinsamen Wohlstand“ fürchten. Er hat umfangreiche Beschränkungen für den Technologie- und Onlinebildungssektor erlassen, was zu einer hohen Arbeitslosigkeit der Bevölkerung unter 25 Jahren geführt habe.

Titelseiten verschiedener Zeitungen aus China zeigen Xi Jinping
Reuters/Florence Lo
Xi mit seiner „Armee“, wie seine Gefolgsleute auch genannt werden, ist Chinas mächtigster Herrscher seit Mao Zedong

Xi zufolge ist Chinas Wirtschaft allerdings in hohem Maße belastbar und verfügt über genug Potenzial und Handlungsspielraum. Die Entwicklung der Volksrepublik sei untrennbar mit der Welt verbunden: „Und die Welt braucht auch China.“

„Sicherheit“ über alles

„Sicherheit“ ist dabei Xis oberste Maxime: „Äußere und innere Sicherheit“ seien die „Grundlage der nationalen Verjüngung“. In einer Rede, in der das Wort Sicherheit 26-mal vorkam, sagte er am Wochenende, Peking werde „schneller arbeiten“, um den militärischen Flügel der Partei, die Volksbefreiungsarmee, zu modernisieren und „die strategischen Fähigkeiten des Militärs zu verbessern“. China hat bereits die zweithöchsten Militärausgaben der Welt nach den USA und versucht, seine Reichweite durch die Entwicklung von U-Booten, ballistischen Raketen und anderen Technologien zu vergrößern.

Xis Vorstellung von „Sicherheit“ und die der westlichen Welt dürften dabei wenig konvenieren. In einem Kommentar der italienischen „La Stampa“ hieß es: „Es gibt mehr Zensur und mehr Kontrolle für alle, zumal die mit dem Kampf gegen Covid-19 eingeführten Gesundheitsvorschriften mehr als je zuvor digitale Ermittlungen in Echtzeit erlauben. Bereiten wir uns also auf ein weniger stabiles und offenes China vor. Machen wir uns bereit für eine Rückkehr zur Tradition und einen aggressiveren Nationalismus. Was in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt passiert, betrifft uns alle.“