Polizisten feuern auf Drohne über Kiew
Reuters/Vadim Sarakhan
Ukraine

Kiews Kampf gegen iranische Drohnen

Im Ukraine-Krieg stehen die von Russland massenhaft verwendeten iranischen Drohnen derzeit im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit ihnen greift Moskau fast täglich zahlreiche Ziele, oft weit abseits der Front, an. Nach westlichen Angaben hat Kiew mittlerweile ein relativ effizientes System entwickelt, um das Gros der Drohnen abzuschießen. Doch der Preis ist hoch. Kiew will Hilfe von Israel und bietet sich selbst als Übungsgelände gegen dessen größten Feind an.

Seit der symbolträchtigen Explosion auf der Krim-Brücke und den andauernden militärischen Rückschlägen versucht Russlands Präsident Wladimir Putin, mit Drohnenangriffen gegenzusteuern. Im Visier sind dabei vor allem zivile Ziele und Infrastruktur, beispielsweise Kraftwerke. Der unmittelbare militärische Nutzen ist bisher eher gering. Es geht offensichtlich vor allem darum, Schrecken und Panik zu verbreiten – und die Kriegsbefürworter und -treiber im eigenen, russischen, Lager zu besänftigen.

Für die Ukraine stellen die Drohnen, die Russland vom Iran zur Verfügung gestellt bekommt, eine neue Bedrohung dar. Mittlerweile dürfte das ukrainische Militär aber relativ effiziente Wege zur Abwehr gefunden haben und einen Großteil der Drohnen rechtzeitig abschießen. Das geht sowohl aus dem aktuellen Lagebericht der britischen Geheimdienste als auch aus einem „New York Times“-Artikel hervor.

Zerstörung nach Drohnenanschlag in Kiew
Reuters/Vladyslav Musiienko
Einsatzkräfte letzte Woche vor einem Wohngebäude in Kiew, nachdem es von einer Drohne getroffen worden war

Die Syrien-Connection

Wichtige Informationen zur Funktionsweise und den Schwächen der iranischen Drohnen erhielt Kiew demzufolge aus Israel. Der Iran ist ein Todfeind, und vor allem operiert die von Teheran unterstützte Hisbollah-Miliz im Südlibanon direkt an der Grenze zu Israel. Die Hisbollah setzte bereits mehrfach iranische Drohnen gegen Israel ein, bisher ohne großen Erfolg. Dennoch sieht Israel – trotz eigener ausgeklügelter Luftabwehrsysteme – in diesen Drohnen eine besondere Bedrohung für die eigene Sicherheit. Kiew forderte Israel erneut dazu auf, dem Land Luftabwehrsysteme zur Verfügung zu stellen.

Israel versucht seinerseits einen schwierigen Spagat: Einerseits will es die Ukraine unterstützen und selbst Teil der westlichen Allianz sein – andererseits will es Russland nicht vor den Kopf stoßen. Moskau hat seit der Rettung des syrischen Regimes von Machthaber Baschar al-Assad eine zentrale Rolle in Israels Nachbarland.

Insbesondere beherrscht es den dortigen Luftraum. Bisher gab es ein stillschweigendes Verständnis, dass Israel Miltärziele der zweiten Schutzmacht Assads, des Iran, in Syrien angreifen kann.

Kiews „Angebot“ an Israel

Es ist noch unklar, ob die iranischen Drohnenlieferungen an Russland, die nun Moskau von Teheran abhängig machen, die komplizierte Gleichung verändern. Kiew setzt jedenfalls alles daran und machte Israel nun erneut ein „Angebot“: Wenn es seine Luftabwehrsysteme an die Ukraine liefere, könne Israel so deren Effizienz gegen die iranische Bedrohung testen und etwaige nötige Verbesserungen vornehmen.

Israels Verteidigungsminister Benni Ganz lehnte laut öffentlich-rechtlichem Sender Kan erneut ab. Man werde Aufklärungsgerät zur Verfügung stellen, aber keine Luftabwehrsysteme, mit denen die Drohnen abgeschossen werden können.

Drohne über Kiew
Reuters/Roman Petushkov
Eine Drohne letzte Woche über Kiew

Bindet Ressourcen

Kiew behilft sich vorerst mit einem System aus Sichtung der Drohnen per GPS-Tracking und Verfolgung durch Abfangjäger oder Boden-Luft-Raketen. Werden Drohnen nicht frühzeitig entdeckt – wegen der geringen Größe und der langsamen Geschwindigkeit sind sie fürs Radar oft kaum sichtbar oder leicht mit Lkws oder anderem zu verwechseln –, werden sie teils von Soldaten mit Sturmgewehren abgeschossen. Denn da sie sehr laut sind und niedrig fliegen, sind sie schon von mehreren Kilometern Entfernung zu hören.

Und das langsame Flugtempo macht sie – egal ob für Raketen, Luftabwehrsysteme am Boden oder eben Sturmgewehre – zum leichten Ziel. Zumindest laut ukrainischen Angaben werden so mittlerweile rund 70 Prozent aller von Russland losgeschickten Drohnen abgefangen. Freilich ist der Einsatz von Kampfjets und vor allem der mengenmäßig knappen Boden-Luft-Raketen immens teuer und eher eine Verschwendung von Mitteln. Russland dagegen kann damit sein ebenfalls mittlerweile offenbar stark geschrumpftes Arsenal an Raketen schonen.

Schwärme von Drohnen

Russland setzt derzeit vor allem die kleinen Schahed-136-Drohnen mit einer Flügelspannweite von rund zwei Metern ein. Sie werden oft in Schwärmen von ein oder zwei Startrampen abgeschossen. Dabei werden mindestens fünf, aber bis zu zwölf Drohnen gleichzeitig losgeschickt. Damit soll die ukrainische Luftabwehr ausgespielt werden.

Der andere vom Iran an Russland gelieferte Drohnentyp, Mohajer-6, ist deutlich größer mit einer Flügelspannweite von rund zehn Metern. Diese Drohnen können in bis zu 4.500 Meter Höhe fliegen. Da sie auch langsam fliegen, sind sie ebenfalls ein relativ leichtes Ziel. Das könnte der Grund sein, warum Moskau diese – deutlich teurere – Waffe bisher wenig eingesetzt hat.

Vorwurf zu radioaktiver Bombe

Russland wirft der Ukraine vor, eine Bombe mit radioaktivem Material einsetzen zu wollen. Die Ukraine dementiert das jedoch. Nun haben sich auch die USA, Frankreich und Großbritannien zusammengeschlossen und eine gemeinsame Erklärung verfasst, in der steht, dass diese Behauptungen nicht stimmen.

Motoren aus Oberösterreich?

Der „Standard“ berichtete letzte Woche, dass laut CNN Fotos von ukrainischer Seite einer ins Meer gestürzten Drohne einen Motor des oberösterreichischen Unternehmens Rotax zeigen. Auch laut der Fachzeitschrift „Aviation Week“ sind in Schahed-Drohnen Rotax-Motoren verbaut. Das Unternehmen baut vor allem Motoren für Modellflugzeuge.

Bereits 2020 wurde nach einer entsprechenden Recherche des „Standard“ ein Lieferverbot an die Türkei und den Iran erlassen. Seit 2020 ergreife man alle notwendigen Maßnahmen, um den Einsatz der eigenen Motoren in Kriegsgebieten zu verhindern, so das Unternehmen in einer Stellungnahme gegenüber der Zeitung. Man versuche nun in der Ukraine die Quelle der Motoren herauszufinden.

In einer Stellungnahme am Freitag bezog sich Rotax dagegen auf Mohajer-6-Drohnen. Vertriebspartnern habe man „keine Genehmigung erteilt, militärische Drohnenhersteller im Iran oder in Russland zu beliefern“, und man habe das auch selbst nicht getan.