Wien am frühen Abend
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Zeitumstellung

Was vom Energiespargedanken übrig blieb

In der Nacht auf Sonntag ist die Sommerzeit zu Ende gegangen – um 3.00 Uhr wurden die Uhren um eine Stunde zurückgestellt. Damit ist es nun früher hell und dafür nachmittags früher finster. Und wie jedes Jahr im Frühjahr und Herbst wird die Frage laut, ob die Regelung Aufwand und Nebenwirkungen wert ist. Im österreichischen Zeitzählungsgesetz werden drei Gründe für die Zeitumstellung angegeben – unter anderem die Einsparung von Energie. In Zeiten hoher Energiepreise klingt das wieder höchst aktuell – doch die diesbezügliche Relevanz der Maßnahme ist eher enttäuschend.

Seit 1976 heißt es im Bundesgesetz zur Zeitzählung, dass in Österreich die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) – landläufig auch „Winterzeit“ genannt – als Normalzeit gilt. „Als Sommerzeit im Sinne dieses Gesetzes gilt die gegenüber der Normalzeit um eine Stunde vorverlegte Stundenzählung“, so die Festlegung. Die Regierung wurde damals bevollmächtigt, durch Verordnung die Zeitumstellung einzuführen, was 1980 auch tatsächlich umgesetzt wurde. Schon vor 1979 gab es zwei Phasen, in denen zweimal pro Jahr an der Uhr gedreht wurde: das erste Mal 1916 bis 1920, ein zweites Mal 1940 bis 1948.

„Aus volkswirtschaftlichen Gründen“ erhoffte man sich drei Effekte: Die „Einsparung von Energie“, eine „Abstimmung mit der Regelung der Stundenzählung anderer Staaten“ und die „Erzielung eines Erholungsgewinnes der Bevölkerung Österreichs“.

Mehr Tageslicht, weniger Energieverbrauch?

Die zugrundeliegende Idee war, den Lebensrhythmus der Menschen im Sommer an die Tageslichtzeit anzugleichen und damit vor allem den Energieverbrauch durch Beleuchtung zu reduzieren. Da nach der Zeitumstellung im Frühling abends eine Stunde länger Tageslicht zur Verfügung steht, könnte dadurch Strom gespart werden. Weil es zumindest in gemäßigten Breiten ohnehin deutlich vor der Tagwache der meisten Menschen heller wird, entsteht nur kurz vor und nach der Zeitumstellung ein zusätzlicher Beleuchtungsbedarf in der Früh, so die Theorie.

Technisch einfach

Rein technisch ist der Zeitwechsel kaum mehr der Rede wert: Handyuhren und Zeitanzeigen von smarten Haushaltsgeräten überspringen die Stunde im Normalfall automatisch. Sie bekommen, wie auch die meisten Uhren im öffentlichen Raum, ein Signal von der Atomuhr bei Frankfurt. Eine größere Herausforderung ist für viele Menschen die Umstellung der Digitalanzeige in älteren Autos und noch schwieriger die der inneren Uhr.

Schon von Beginn an zeigten aber Studien, dass der Effekt der Einsparung marginal war und in Zeiten von LEDs und Energiesparleuchten deutlich geringer bis nicht vorhanden ist. Eine Metaanalyse des deutschen Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung im Auftrag des deutschen Bundestags beschäftigte sich 2016 mit zahlreichen internationalen Studien zum Energieverbrauch. Das Fazit bleibt vage: Es seien durch eine Zeitumstellung in den Sommermonaten sowohl positive als auch negative Effekte möglich, die in Ausprägung und Höhe stark vom klimatischen und wirtschaftlichen Rahmen abhängen würden – aber, so heißt es: „mit ziemlicher Sicherheit meist sehr gering sind“.

Knapp zwei Drittel der untersuchten Studien gehen demnach von geringfügigen Einsparungen beim Stromverbrauch aus, der in erster Linie auf verringerte Beleuchtung bei privaten Haushalten zurückgeführt wird. Bei Industrie und Gewerbe würden dagegen meist kaum Unterschiede erkennbar, so die Analyse.

Grafik zur durchschnittlichen Tageslänge in Wien
Grafik: ORF.at; Quelle: ZAMG

Wien Energie: „Kein sinkender Energieverbrauch“

Auch die Wien Energie bestätigt die Erkenntnisse der deutschen Analyse. „In unseren Aufzeichnungen zeigt sich keine Auswirkung der Zeitumstellung auf den Energieverbrauch im Haushalt. Nur etwa zwei Prozent der Gesamtenergie werden im Haushalt für Licht aufgewendet. Das heißt, dieser Hebel ist einfach zu gering, um einen Unterschied zu machen", schreibt die Unternehmenssprecherin der Wien Energie, Lisa Grohs, auf der Website des Unternehmens.

Auch das veränderte Energieverbrauchverhalten sei ein Grund für die geringe Ersparnis. Zwar würden die Menschen im Sommer an hellen Abenden weniger häufig das Licht einschalten, als sie es ohne Sommerzeit tun würden, allerdings werde im Frühjahr und Herbst in der Früh mehr geheizt, heißt es seitens der Wien Energie.

Klagen über gestörten Biorhythmus

Nicht nur würde die Zeitumstellung ihren ursprünglichen Zweck nicht erfüllen, Kritikerinnen und Kritiker weisen auch auf gesundheitliche Belastungen und andere negative Effekte hin. Müdigkeit und Schlappheit, Einschlafprobleme und Schlafstörungen, eine schlechtere Konzentration und Übellaunigkeit: Die in Umfragen meistgenannten Probleme mit der Zeitumstellung klingen nicht dramatisch, aber doch zumindest lästig.

Vor allem Eltern beklagen in den traditionellen Befragungen die einstündige Zeitverschiebung – kein Wunder, der eigene Schlafhaushalt lässt sich leichter austricksen als jener von Kindern.

EU müht sich mit Abschaffung

Eine 2018 durchgeführte EU-weite Onlineumfrage führte dazu, dass sich das jährliche Jammern in ein Politikum verwandelte. Bei dieser hatten sich 84 Prozent der Teilnehmer für ein Aus der Zeitumstellung ausgesprochen. 4,6 Millionen Antworten, davon die überwiegende Mehrheit von drei Millionen aus Deutschland, gingen ein – ein Rekord bei EU-Umfragen, aber immer noch weniger als ein Prozent der EU-Bürger.

Das Europaparlament stimmte daraufhin im März 2019 mit großer Mehrheit für die Abschaffung der Zeitumstellung per 2021 – oder ein Jahr später, wenn es Schwierigkeiten für den Binnenmarkt geben sollte. Dem müssen die Mitgliedsstaaten jedoch mehrheitlich noch zustimmen, damit es Realität werden kann. Kommt es zu keiner Einigung, könnte das Vorhaben noch scheitern. Theoretisch könnten sich die Länder dann selbst entscheiden, ob sie bei ewiger Sommer- oder ewiger Normalzeit bleiben wollen.

In vielen Ländern gibt es Bedenken gegen diesen Plan, da unter anderem für die Wirtschaft eine einheitliche Zeitzone wünschenswert erscheint, zumindest in Mitteleuropa. Andernfalls würden zwischenstaatliche Zeitunterschiede den Handelsverkehr noch mehr beeinträchtigen. Zudem sind die Auswirkungen für EU-Länder an den Rändern der Mitteleuropäischen Zeitzone nicht positiv: Käme die dauerhafte Sommerzeit, hieße das für Spanien im Winter Dunkelheit bis kurz vor 10.00 Uhr. Einigen sich alle auf Winterzeit, würde es in Warschau im Sommer schon um 3.00 Uhr hell. Die Zeitumstellung zweimal im Jahr dämpft diese Extreme.