Pierre Soulages vor einem seiner Gemälde
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1919–2022

Pierre Soulages ist tot

Der französische Maler Pierre Soulages ist tot. Er sei im Alter von 102 Jahren gestorben, teilte die Stadtverwaltung seines südfranzösischen Geburtsorts Rodez am Mittwoch mit. Bis zuletzt stand Soulages, der als Meister der Farbe Schwarz galt, vor der Leinwand. Schwarz war für ihn keine Farbe, sondern Licht, mit dem er malte.

Soulages war ein Hauptvertreter der abstrakt-ungegenständlichen Richtung der französischen Gegenwartsmalerei. Typisch für seine Kompositionen sind breite, schwarze Balkenformen – mal matt, mal glänzend – vor hellem Grund. Der Nachwelt hinterlässt Soulages ein umfassendes Werk, das aus mehr als 1.500 Gemälden bestehen soll sowie aus mehreren hundert grafischen Arbeiten.

Seine minimalistisch-gestischen Gemälde in Schwarz haben Soulages schon früh international bekannt gemacht. Im Jahr 1948 waren seine Kompositionen in der ersten Ausstellung französischer Maler in Deutschland zu sehen. Einzelausstellungen in Galerien in Paris, München und New York folgten. 1955 nahm er an der ersten documenta in Kassel teil, seine ersten Retrospektiven in internationalen Museen fanden bereits in den 1960er Jahren statt.

Pierre Soulages vor einem seiner Gemälde
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Soulages posiert im Oktober 2010 vor seinem Werk „Peinture"

Gemälde ab Mitte der 1940er Jahre

Die ersten abstrakten Kompositionen sind ab Mitte der 40er Jahre entstanden. Es sind Darstellungen, auf denen er mit Nussbeize, einem Material zum Aufpeppen alter Möbel, schwungvoll breite schwarz-bräunliche Linien geschaffen hat. In diesen Werken benutzte Soulages die Farbe Schwarz noch, um durch sie den Lichteffekt von Weiß und anderen Farben zum Ausdruck zu bringen.

Im Jahr 1979 sollte sich das ändern. Er begann, die Leinwand ganz mit Schwarz zu bedecken und die Farbe zur Reflexion des Lichts zu nehmen. Überdimensionale Triptychen und Polyptychen sind entstanden, bei denen die Struktur der schwarzen Farbpaste das Licht moduliert. „Outrenoir“, jenseits von Schwarz, nannte er diese Kompositionen, die seitdem seine Arbeit bestimmten und ihn international bekannt gemacht haben.

Pierre Soulages vor einem seiner Gemälde
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Minimalistische Gemälde in Schwarz als Markenzeichen

Schwarz als Licht

Das sei nicht einfach schwarze Farbe, das sei Licht, mit dem er male, sagte Soulages einmal. Schwarz sei die erste Farbe in der Kunstgeschichte gewesen. Mit dem Licht seien zwar die Farben geboren worden, doch das Schwarz habe es schon zuvor gegeben, so Soulages, der sich auch stets in Schwarz kleidete.

Bürsten, Besen und Holzstangen: Soulages arbeitete mit den ungewöhnlichsten Werkzeugen, um in der auf der Leinwand dick aufgetragenen schwarzen Acrylfarbe Rillen und Furchen zu erzeugen, mal dicke, mal dünne, mal schräge, mal gerade, die je nach Lichteinfall neue Strukturen erscheinen lassen. Dadurch machte er das Licht zum festen Bestandteil seines Werkes. Keines der Bilder gleicht dem anderen.

Gemälde von Pierre Soulages
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Soulages überließ Rodez 500 Werke

Museum in Geburtsstadt Rodez

Soulages wurde am 24. Dezember 1919 in Rodez im Süden Frankreichs als Sohn eines Kutschenbauers geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging er 1946 nach Paris und befasste sich nun ausschließlich mit der Malerei. Dort lernte er neben Hans Hartung und Francis Picabia Vertreter der amerikanischen Kunstszene kennen, darunter Mark Rothko und Robert Motherwell. Mit seinen schwarzen, kalligrafiehaften Bildwelten galt er als europäisches Pendant zu den amerikanischen abstrakten Expressionisten.

Dabei sind diese Werke eher aus einer künstlerischen Krise heraus entstanden. Nachdem er stundenlang vor einer Leinwand gestanden und ratlos mit der Farbe Schwarz experimentiert habe, habe er verzweifelt sein Atelier verlassen, erzählte Soulages in mehreren Interviews. Als er später in sein Atelier zurückgekehrt sei, habe sich das Schwarz bereits über die ganze Leinwand verbreitet.

Kirchenfenster der Kirche Saint-Foy entworfen vom französischen Maler Pierre Soulages
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Kirchenfenster im Benediktinerkloster Sainte-Foy

Der Nachwelt hinterlässt er ein umfassendes Gesamtwerk, das aus über 1.500 Gemälden und mehreren hundert grafischen Arbeiten bestehen soll. Rund 500 Werke überließ Soulages schon vor Jahren seiner Geburtsstadt Rodez. Der Wert der Schenkung wurde auf bis zu 80 Millionen Euro geschätzt und ist heute teilweise in dem 2014 eröffneten Soulages-Museum zu sehen, das die Stadt dem Meister der Farbe Schwarz gewidmet hat.

Zu Soulages’ Gesamtwerk gehören auch die berühmten Fenster der Klosterkirche Sainte-Foy im südfranzösischen Conques. Zwischen 1986 und 1994 hat er dort mehr als 100 Werke entworfen: milchig-weiße, von schwarzen Bleibändern quer und diagonal durchzogene Fenster.