Rauchende Schlote
Reuters/Peter Andrews
UNO-Schelte

Klimaziel in weiter Ferne

Rund zehn Tage vor dem Start der UNO-Klimakonferenz (COP27) in Ägypten haben die Vereinten Nationen der internationalen Gemeinschaft ein verheerendes Zeugnis ausgestellt: Die Bemühungen reichten bei Weitem nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel auch nur annähernd zu erreichen. Eine ähnliche Einschätzung kam von der Internationalen Energieagentur (IEA), die zugleich aber mit einer positiven Nachricht aufhorchen ließ.

Ein verheerendes Bild zeichnete der am Donnerstag erschienene „Emissions Gap“-Bericht des UNO-Umweltprogramms (UNEP): Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichten, müssten die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 Prozent reduziert werden. Die „Emissions Gap“ bezeichnet die Differenz zwischen den von der Weltgemeinschaft versprochenen CO2-Einsparungen und den benötigten Reduktionen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. „Diese Lücke muss geschlossen werden, angefangen bei der COP27 in Ägypten“, sagte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in einer Videobotschaft.

Nur radikale Veränderungen in allen Wirtschaftszweigen – etwa in den Bereichen Energie, industrielle Produktion, Transport, Baugewerbe, Nahrungsmittelindustrie sowie im Finanzsystem – könnten noch verhindern, dass es eine Klimakatastrophe geben werde, heißt es in dem in der kenianischen Hauptstadt Nairobi vorgestellten Bericht weiter.

UN Generalsekretär Antonio Guterres
Reuters/Amr Alfiky
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres mahnt

Schlechtes Zeugnis für Klimaschutzpläne

Mit den bei der letzten Weltklimakonferenz in Glasgow auf den Weg gebrachten CO2-Einsparungen werde sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um 2,4 bis 2,6 Grad erwärmen. Das ist deutlich mehr als der im Pariser Klimaabkommen beschlossene Wert von 1,5 Grad.

„Die derzeitigen Klimaschutzpläne wurden zwar verbessert, bringen in Summe aber immer noch keine Senkung der Treibhausgasemissionen, sondern sogar eine Steigerung bis 2030. Das ist, als würden wir mit hohem Tempo auf einen Abgrund zufahren und nur etwas abbremsen. Das ist zu wenig, es braucht jetzt eine echte Trendwende. Auch in Österreich müssen Klimaschutzblockaden endlich gelöst werden und ein wirksames Erneuerbaren-Wärmegesetz beschlossen werden“, sagte der Klima- und Energiesprecher von Global 2000, Johannes Wahlmüller, anlässlich der heutigen Publikation.

Warnung vor Klimakollaps

Laut einem neuen UNO-Bericht sind die derzeitigen Klimapläne der Staaten ungenügend. Die bisherigen Bemühungen für den Klimaschutz reichen nicht, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen. Ändert sich nichts, könnte sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um 2,8 Grad erwärmen.

„Auch in Österreich wird mehr geredet als gehandelt“

Obwohl die Staaten in Glasgow ihre Vorhaben nachgeschärft hätten, reduziere das die Treibhausgase nur um eine halbe Gigatonne, ein Bruchteil der benötigten Minderung: „Die Herausforderung ist, dass wir nur sieben Jahre haben, um die Lücke von 20 Gigatonnen Reduktion zu schließen, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Es ist also völlig unzureichend, in einem Jahr nur eine halbe Gigatonne zu reduzieren“, sagte John Christensen, der an dem UNEP-Bericht mitgearbeitet hat.

„Einmal mehr wird deutlich, dass die jetzigen Klimaversprechen unzureichend sind, um die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu stoppen“, so Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich. Mit den laschen Zielen der Länder würden wir uns auf eine um 2,6 Grad heißere Welt zubewegen und damit die Zerstörung der Heimat von Millionen Menschen und den Kollaps ganzer Ökosysteme in Kauf nehmen. „Auch in Österreich wird mehr geredet als gehandelt.“ So fehle mit dem Klimaschutzgesetz seit rund zwei Jahren der Fahrplan, wie Österreich die Klimaneutralität 2040 erreichen will und damit einen fairen Beitrag zum Pariser Klimaziel leistet.

Krise treibt Energiewende an

Von einer zweiten großen internationalen Organisation kamen unterdessen zum Teil positivere Aussichten. Die beispiellose globale Energiekrise habe trotz aller wirtschaftlichen Erschütterung das Potenzial, die Energiewende zu beschleunigen, erklärte die Internationale Energieagentur (IEA) am Donnerstag in ihrem Jahresbericht in Paris.

Wie die IEA schreibt, führe die durch Russlands Einmarsch in die Ukraine ausgelöste Krise neben kurzfristigen Schutzmaßnahmen der Verbraucher vor steigenden Preisen dazu, dass viele Staaten nun versuchten, den Strukturwandel bei der Energieerzeugung zu beschleunigen. „Die Reaktionen der Regierungen auf der ganzen Welt versprechen, dass es zu einem historischen und endgültigen Wendepunkt hin zu einem saubereren, erschwinglicheren und sicheren Energiesystem kommt“, erklärte IEA-Direktor Fatih Birol.

Saubere Energie werde zu einer großen Chance für Wachstum und Beschäftigung und zu einem wichtigen Feld des internationalen wirtschaftlichen Wettbewerbs. Wenn die Pläne verwirklicht werden, bedeute das einen Anstieg der weltweiten Investitionen in saubere Energien bis 2030 um 50 Prozent, so die IEA-Analyse. Die Energiemärkte und die Energiepolitik veränderten sich nicht nur kurzfristig, sondern für die kommenden Jahrzehnte.

IEA: Bei fossilen Brennstoffen Höhepunkt in Sicht

Nach dem IEA-Bericht kommt für die weltweite Nachfrage nach fossilen Brennstoffen erstmals ein Höhepunkt in Sicht. Unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen wird mit einem Rückgang der Kohlenutzung in den nächsten Jahren gerechnet, die Erdgasnachfrage erreiche bis zum Ende des Jahrzehnts ein Plateau. Der steigende Absatz von Elektroautos führe dazu, dass die Erdölnachfrage Mitte der 2030er Jahre abflacht und bis Mitte des Jahrhunderts leicht zurückgeht. Im globalen Mix sinkt der Anteil fossiler Energie nach der Analyse von 80 Prozent auf 60 Prozent bis zum Jahr 2050.

Aber reicht das Tempo der Veränderungen für den Klimaschutz aus? Nach der IEA-Analyse wird der weltweite CO2-Ausstoß zwar zurückgehen, doch zurückgehen allein reicht nicht, denn jede zusätzliche Tonne CO2 in der Atmosphäre heizt den Planeten weiter auf. Das kann so weit gehen, dass Teile der Erde unbewohnbar werden.

Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen geht die Energieagentur von einer globalen Erderwärmung um 2,5 Grad bis zum Jahr 2100 aus – weit entfernt vom 1,5-Grad-Ziel, das gravierendere Auswirkungen des Klimawandels verhindern helfen soll. Zwischen den Ambitionen der Staaten und Industriezweige zum Klimaschutz und der tatsächlichen Umsetzung klaffe noch eine große Lücke, beklagte die IEA.