Menschen auf einer Einkaufsstraße in Wien
Reuters/Leonhard Foeger
WIFO-Schnellschätzung

Abschwung in Wirtschaft angekommen

Die heimische Wirtschaftsleistung hat sich heuer im dritten Quartal abgeschwächt. Damit schlage sich die zuletzt eingetrübte Wirtschaftsstimmung erstmals in den Wirtschaftsdaten nieder, berichtete das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Im Vergleich zum Vorjahr wird zwar ein Plus verzeichnet – dieses ist aber geringer als in der ersten Jahreshälfte.

Konkret sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem zweiten Quartal um 0,1 Prozent. Unternehmensumfragen hätten bereits eine schlechte Stimmung in der heimischen Wirtschaft bereits erahnen lassen, so das WIFO in einer Schnellschätzung. Im Vergleich zur Vorjahresperiode stand ein Plus von 1,8 Prozent zu Buche. In den ersten beiden Quartalen 2022 belief sich das Wachstum gegenüber 2021 noch auf 8,6 Prozent und 6,2 Prozent.

Kräftig verringert haben sich bedingt durch den Einbruch der internationalen Wirtschaft auch die Exporte, die im Vergleich zum Vorquartal um 3,5 Prozent sanken. Im selben Zeitkorridor flaute mit minus 0,3 Prozent auch die Investitionsnachfrage ab. Positive Impulse setzten hingegen die privaten Haushalte, deren Konsumausgaben sich um 0,6 Prozent erhöhten. Der Konsum der öffentlichen Haushalte (Bund, Gemeinden, Länder) stagnierte jedoch.

Handel und Gastronomie rückläufig

Die rückläufige Exportnachfrage fand laut der Schnellschätzung des WIFO in der heimischen Sachgüterproduktion seinen Niederschlag. Deren Wertschöpfung verringerte sich im dritten Quartal um real 1,4 Prozent, nachdem sie im zweiten Quartal noch kräftig gestiegen war (plus 1,8 Prozent).

Rückläufig war mit minus 0,3 Prozent auch die Wertschöpfung in Handel, Beherbergung und Gastronomie, wogegen leichte Zuwächse in der Produktion der öffentlichen Verwaltung (plus 0,7 Prozent), im Bauwesen (plus 0,2 Prozent) und bei den sonstigen Dienstleistungen (plus 0,1 Prozent) zu verzeichnen waren.

Bereits Anfang Oktober hatten das WIFO und das Institut für Höhere Studien (IHS) prognostiziert, dass das BIP dieses Jahr noch leicht wachsen werde, im Folgejahr aber stagnieren. „Da die Inflation auch 2023 hoch bleibt, steuert Österreichs Wirtschaft erstmals seit den 1970er Jahren auf eine Stagflation zu“, hieß es in einer ausführlichen Analyse der beiden größten Wirtschaftsforschungsinstitute.

Grafik zur Wirtschaftsentwicklung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO

Zinserhöhung gegen Krise

Angesichts der Gaskrise und anhaltend hoher Preise hatte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag einen düsteren Konjunkturausblick gezeichnet. Die wirtschaftliche Aktivität habe sich im dritten Quartal wahrscheinlich klar verlangsamt, so EZB-Chefin Christine Lagarde. „Und wir erwarten eine weitere Abschwächung im weiteren Jahresverlauf und zu Beginn des nächsten Jahres.“

Die EZB beschloss am Donnerstag, die Leitzinsen wegen der Inflation erneut stark anzuheben. Sie erhöhte alle drei Sätze um jeweils 0,75 Punkte. Der wichtigste der drei Leitzinssätze, der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen können, liegt damit bei zwei Prozent.

Die Inflation im Euro-Raum war im September auf die neue Rekordmarke von 9,9 Prozent geklettert. Damit liegt die Teuerung im Währungsraum inzwischen fast fünfmal so hoch wie das Ziel der EZB von zwei Prozent. „Die Inflation ist nach wie vor deutlich zu hoch und wird für längere Zeit über dem Zielwert bleiben“, erklärte Lagarde.

Grafik zur Zinsentwicklung
Grafik: APA/ORF.at

Aus den jüngsten Konjunkturdaten geht hervor, dass die Euro-Zone auch wegen der Schwäche ihrer größten Volkswirtschaft Deutschland auf eine Rezession zusteuert. So fiel der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft im Oktober und liegt nun deutlich unter der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. Zudem verzeichnete die Industrie den fünften Produktionsrückgang in Folge. Die Branchen Chemie und Kunststoffe sowie Grundstoffe verzeichneten die stärksten Rückgänge, was auf deren hohe Energieabhängigkeit zurückzuführen ist.

Erste Reaktionen auf Zinserhöhung positiv

Die ersten Reaktionen auf die Zinserhöhung der EZB fielen positiv aus. „Da das primäre Mandat der EZB Preisstabilität ist, war dies heute ein richtiger Schritt, dem vermutlich ein weiterer in diesem Jahr folgen wird“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen.

Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sollte die EZB die Zinsen in den kommenden Monaten weiter entschieden anheben und sich nicht von der anbahnenden Rezession irritieren lassen. „Der Euro-Raum braucht einen EZB-Einlagensatz in der Größenordnung von vier Prozent“, so Krämer. Andernfalls würden die zuletzt enorm gestiegenen Inflationserwartungen der Bürger weiter zulegen und die hohe Inflation sich dauerhaft festsetzen.

EZB hebt Leitzins weiter an

Der europäische Leitzins wird nochmals um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Das soll helfen, der Teuerung entgegenzuwirken, macht aber vor allem Immobilienkredite zunehmend schwierig zu finanzieren, vor allem für jene Menschen, die variable Kreditraten gewählt haben. Zu den Auswirkungen der erneuten Zinsanhebung ist der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Heinrich Schaller, zu Gast.

Der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Heinrich Schaller, meinte in der ZIB2, dass es mit den Zinsschritten der EZB mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen werde, die Inflation zu bremsen. „Es wird aber, glaube ich, noch lange dauern“, sagte er. „Man hat leider mit diesen Zinserhöhungen vonseiten der EZB viel zu spät begonnen. Man hat immer geglaubt, dass sich die Inflation nur kurzfristig erhöhen wird.“ Es habe sich aber gezeigt, dass das ein „langjähriger und langwieriger“ Prozess werde. „Jetzt ist man offensichtlich sehr nervös geworden, denn die Höhe dieser Zinsschritte ist schon beachtlich.“