Elon Musk und Twitter-Logo
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Musk-Übernahme

Twitter steuert in unklare Zukunft

Nach monatelangem Hin und Her übernimmt Tech-Milliardär Elon Musk Twitter. Das Unternehmen informierte die US-Wertpapieraufsicht SEC am Freitag über den Rückzug von der Börse und bestätigte damit den Vollzug der Übernahme. Noch bevor der 44-Mrd.-Dollar-Deal überhaupt offiziell bestätigt wurde, mussten wichtige Führungskräfte das Unternehmen verlassen. Den Chefposten will offenbar gleich Musk höchstselbst übernehmen, wie berichtet wird. Klar scheint derzeit nur eines: Das neue Kapitel von Twitter birgt noch viele Unklarheiten.

Diese Unklarheiten werden durch die Entlassungen in der Führungsetage jedenfalls nicht geringer: Unter den Betroffenen des Starts in die Ära Musk sind unter anderem Twitter-Chef Parag Agrawal, Finanzchef Ned Segal und Topmanagerin Vijaya Gadde, wie der Sender CNBC und das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichten. Gadde war zentral für den Kampf gegen Hassrede und falsche Informationen zuständig.

Die Härte des von US-Medien kolportierten Vorgehens von Musk wurde auch augenscheinlich: Mindestens einer der Manager sei aus der Firmenzentrale herausbegleitet worden, schrieb die „New York Times“ („NYT“) unter Berufung auf informierte Personen. Dem Finanzdienst Bloomberg zufolge war es der Chefjurist Sean Edgett. Auch berichtet Bloomberg, dass Musk künftig vorerst selbst den Chefposten übernehmen will – bestätigt ist freilich auch diese Information nicht.

Handverlesene Führungsetage?

Ob Musk längerfristig für sich selbst den Posten des Chief Executive Officers (CEO) anstrebt, der wie bisher Agrawal das operative Geschäft leitet, kann bezweifelt werden – schließlich fungiert Musk bereits beim Elektroautobauer Tesla und beim Weltraumunternehmen SpaceX als CEO. Wahrscheinlicher scheint, dass er Personen in die Führungsetage setzt, die ihm gegenüber wohlgesonnen agieren und mittels derer er die gewünschte Linie bei Twitter fahren kann.

Furcht bei Belegschaft vor gravierenden Einschnitten

Doch nicht nur Spitzenmanagern könnte es bei Twitter an den Kragen gehen: Die „Washington Post“ berichtete zuletzt, Musk wolle nach einer Übernahme von Twitter fast drei Viertel der Belegschaft entlassen. So hieß es, der Milliardär beabsichtige, die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 7.500 auf rund 2.000 zu senken.

Ein solcher Kahlschlag könnte die Fähigkeit von Twitter einschränken, Inhalte zu moderieren und Netzwerke und Daten zu schützen. Musk soll entsprechende Berichte intern zuletzt angeblich zurückgewiesen haben. Am Freitag will Musk sich laut US-Medien in größerem Stil den Beschäftigten vorstellen. Das dürfte angesichts der Verunsicherung und der hochrangigen Rauswürfe kein leichter Auftritt für ihn werden.

Unklarer Umgang mit Hass und Falschinformationen

Und weil sich Musk als radikaler Vertreter des Rechts auf Redefreiheit darstellt, befürchten Kritiker der Übernahme, dass er die Moderation von Inhalten etwa im Kampf gegen Hassbotschaften und Falschinformationen auf ein Minimum zurückfahren wird.

Auch sagte Musk im Vorfeld, er wolle die Twitter-Verbannung von Ex-Präsident Donald Trump („moralisch falsch und einfach nur dumm“) aufheben. Trumps Konto war nach der Kapitol-Erstürmung vom 6. Jänner 2021 und angesichts von Befürchtungen vor weiterer Gewalt gesperrt worden.

Trump: Twitter bei Musk „in vernünftigen Händen“

Trump äußerte sich am Freitag bereits erfreut über die Übernahme. Twitter sei bei Musk „in vernünftigen Händen“, schrieb der ehemalige US-Präsident auf seiner von ihm ins Leben gerufenen Onlineplattform Truth Social. Ob er zu Twitter zurückkehren werde, ließ der Republikaner aber offen.

Unlängst veröffentlichte der für Provokationen bekannte Musk auf Twitter eine Bildmontage, die ihn, Trump und den umstrittenen Rapper Kanye West als die drei Musketiere mit gekreuzten Degen zeigt. Der wegen antisemitischer Ausfälle in Verruf geratene West will das besonders bei Rechten beliebte Netzwerk Parler kaufen.

Elon Musk hat Twitter übernommen

Der weltweit reichste Mann, Elon Musk, hat schließlich um 44 Milliarden Dollar das soziale Netzwerk Twitter gekauft. Einige Top-Manager mussten bereits ihre Sessel räumen.

Später löschte Musk das Bild wieder. Solche Tweets schüren aber Befürchtungen, dass Twitter zu einer Plattform werden könnte, in der sich Rechtspopulisten und Rechtsradikale frei austoben können. Musk selbst beteuerte am Donnerstag in einem offenen Brief an Anzeigenkundinnen und -kunden (im Vorfeld der Übernahme), Twitter solle nicht zu einem „Ort des Grauens“ werden, wo alles ohne Konsequenzen gesagt werden kann.

„Der Vogel ist befreit“

Apropos Unklarheiten: Weil der Deal ja am Freitag zunächst nicht offiziell mitgeteilt wurde, musste als Hinweis auf den Vollzug auch ein Tweet Musks herangezogen werden. „Der Vogel ist befreit“, schrieb Musk in der Nacht auf Freitag ohne weitere Details – das Twitter-Logo ist ein blauer Vogel. Und vielfach wird auch das als weiterer Hinweis auf sein Vorhaben gesehen, die Plattform von den aus seiner Sicht zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu befreien.

„In Europa fliegt der Vogel nach unseren Regeln“

Eine neue Warnung schickt bereits die EU-Kommission voraus: EU-Industriekommissar Thierry Breton erinnerte Musk, dass Twitter sich auch in Zukunft an EU-Regeln wird halten müssen. Breton verwies am Freitag auf erst kürzlich endgültig verabschiedete neue Regeln für Onlineplattformen, mit denen unter anderem gegen Hassbotschaften und Falschinformationen vorgegangen werden soll. „In Europa fliegt der Vogel nach unseren europäischen Regeln“, so Breton in Anlehnung an Musks jüngstem Tweet.

Vorbild WeChat?

Was den erwarteten Umbau betrifft, dürfte Musk unter anderem auf einen Ausbau des kostenpflichtigen Angebots Twitter Blue setzen. Er scheint aber grundsätzlich anzustreben, Twitter zu einer App mit viel mehr Funktionen auszubauen, mit denen sich Geld gewinnen lässt, darunter womöglich einer Bezahlfunktion. Anfang Oktober erklärte Musk, der Kauf von Twitter sei ein Schritt hin zur Schaffung von „X, der Alles-App“. Vorbild könnte die chinesische App WeChat sein, die als „Super-App“ zahlreiche Funktionen in sich vereint.

Patrick Swanson aus der Social-Media-Redaktion des ORF kommentiert die Übernahme von Twitter durch Elon Musk. Er spricht über den Plan des neuen Eigentümers, Twitter zur „App für alles“ zu machen.

Langes Hin und Her

Der nun letztlich erfolgten Übernahme ging ein langes Hin und Her voraus: Musk hatte die Übernahme selbst eingefädelt, dann aber versucht, unter Verweis auf angeblich falsche Angaben zur Zahl von Fake-Accounts bei Twitter aus dem Deal wieder herauszukommen.

Twitter zerrte ihn vor Gericht – und Musk erklärte sich kurz vor Beginn des Prozesses im Bundesstaat Delaware bereit, Twitter zum ursprünglich vereinbarten Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen. Dass er dabei die Einstellung des Gerichtsverfahrens als Bedingung stellte, sorgte aber bis zuletzt noch für Unsicherheit.

Dass Musk sich doch noch mit seiner neuen Rolle als Twitter-Besitzer abgefunden hat, zeichnet sich schon seit Tagen ab. Bereits am Mittwoch tauchte er in der Konzernzentrale in San Francisco auf und bezeichnet sich in seinem Twitter-Profil fortan als „Chief Twit“.

Verkaufte Tesla-Aktien und Kredite

Zur Finanzierung des Kaufpreises von rund 44 Mrd. Dollar (rund 44 Mrd. Euro) musste Musk riesige Aktienpakete abstoßen und viel Geld bei Großbanken organisieren. Letztlich steuert der 51-Jährige etwa 27 Mrd. Dollar, also etwas mehr als die Hälfte der Gesamtsumme, aus eigener Tasche bei. Einen Großteil davon machte er durch den Verkauf von Tesla-Aktien flüssig.

Weitere rund 13 Mrd. Dollar schießen global agierende Großbanken wie Morgan Stanley, Mizuho, Barclays und Societe Generale in Form von Krediten zu dem Deal zu. Laut öffentlich zugänglichen Dokumenten der US-Finanzaufsicht etwa steuert allein die US-Bank Morgan Stanley rund 3,5 Mrd. Dollar bei. Die Rückzahlungsgarantie für die Kredite übernimmt dabei Twitter selbst.

Der mit etwa 5,2 Mrd. Dollar kleinste Teil der Kaufsumme wird Musk von Investmentfonds und Privatinvestoren zur Verfügung gestellt, die dafür Twitter-Aktien erhalten. Eine Milliarde US-Dollar stammen von dem vermögenden US-Geschäftsmann Larry Ellison, der den Softwareriesen Oracle mitgründete. Auch der staatliche Investitionsfonds des Emirats Katars beteiligt sich.