Rechnungshof in Wien
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CoV-Hilfen

Rechnungshof zerpflückt COFAG

Der Endbericht des Rechnungshofes (RH) geht mit der Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) hart ins Gericht. Die Prüfer und Prüferinnen kritisieren die Ausgestaltung der Coronavirus-Hilfen, von „beträchtlichem Überförderungspotenzial“ ist hier die Rede. Kritik gibt es auch an der Besetzung der Leitungsorgane. Das Finanzministerium will die Hilfen verstärkt prüfen lassen. Die COFAG-Geschäftsführung wies am Freitag darauf hin, dass die Agentur ihren Zweck erfolgreich erfüllt habe.

Für die Abwicklung der Coronavirus-Hilfen an Unternehmen wurde im Auftrag des damaligen Finanzministers Gernot Blümel (ÖVP) binnen weniger Tage die COFAG gegründet. Insbesondere das Kabinett habe die Vorbereitungen dazu übernommen, die „Linienorganisation“, also die eigentliche Verwaltung samt ihrer Expertise, wurde laut RH lediglich „selektiv“ beigezogen.

Das Finanzministerium hielt dagegen fest, dass man die Rolle des Kabinetts in der Geschäftseinteilung bereits definiert habe. Der RH widersprach allerdings, weil die Kompetenz des Kabinetts die eigentliche Rolle während der Pandemie überschritten hatte. Zudem seien die Gespräche und Maßnahmen zur Gründung der COFAG „auf verschiedene Weise und in unterschiedlichem Umfang dokumentiert“ worden.

Für die Prüferinnen und Prüfer ist ohnehin unklar, wozu es mit der COFAG überhaupt eine neue Abwicklungsstelle gebraucht habe. Immerhin hätte das Finanzministerium auf bereits vorhandene Strukturen zurückgreifen können, wie Finanzämter, die bereits über alle Unternehmensdaten verfügen, oder die staatliche Förderbank AWS. Die zuständige Finanzabteilung im Ministerium sei kaum eingebunden worden.

Finanzminister Gernot Blümel
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Unter dem damaligen Finanzminister Blümel wurde die COFAG errichtet

Viele Externe bei COFAG

Mit Stand Juni 2021 sei für die COFAG eine Arbeitskapazität von deutlich mehr als 200 Vollzeitstellen tätig gewesen. Das lag hauptsächlich an Externen, denn die Finanzierungsagentur kam damals inklusive der beiden Geschäftsführer nur auf etwa 16 Mitarbeitende (Vollzeitäquivalente).

Für den Zukauf von Beratungsleistungen fielen von März 2020 bis Mitte 2021 rund 21 Mio. Euro an, bis Jahresende 2021 knapp 36 Mio. Euro. Die COFAG kaufte Expertise im Förder- und Beihilfenrecht zu, über die professionelle Förderstellen üblicherweise selbst verfügen, heißt es dazu im Bericht.

Überförderungen statt gezieltes Fördern

Einer Simulation des RH zufolge verursachte das Förderdesign des Fixkostenzuschusses I im Zeitraum September 2020 bis Ende Juni 2021 Mehrauszahlungen von 101 Mio. bis 117 Mio. Euro. „Vermeidbares Überförderungspotenzial“ orten die Prüferinnen und Prüfer beim Lockdown-Umsatzersatz für November und Dezember 2020. Dieses Instrument habe Unternehmen bei Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche ermöglicht, Zuschüsse zu erlangen, ohne einen finanziellen Schaden nachweisen zu müssen.

„Beträchtliches Überförderungspotenzial“ habe bei Konzernen bestanden, weil mangels Konzernbetrachtung jede Filiale als einzelnes Unternehmen Zuschüsse bis zum Höchstbetrag beanspruchen konnte. Das habe die Treffsicherheit der Zuschüsse beeinträchtigt und potenziell zu Wettbewerbsverzerrungen geführt.

zwei Personen spazieren an einem geschlossenen Geschäft vorbei
APA/Hans Punz
Die Coronavirus-Pandemie ließ Milliarden Euro sprudeln

Die unkomplizierte Gewährung von Zuschüssen sei bei Kleinst- und Kleinunternehmen wegen ihrer geringeren Widerstandsfähigkeit in Krisen gerechtfertigt, heißt es im Bericht. Für mittlere und große Unternehmen hingegen wäre es laut Rechnungshof zumutbar und auch zweckmäßig gewesen, die finanziellen Einbußen konkret nachweisen zu lassen. „Dies hätte die Treffsicherheit der Zuschüsse verbessert und mögliche Überkompensationen verhindert.“

COFAG-Geschäfstführung: Überförderung nicht möglich

Die COFAG-Geschäftsführung hielt dem am Freitag entgegen, dass eine Ungleichbehandlung von Konzernen und kleinen Unternehmen durch die Verordnung nicht vorgesehen gewesen sei und eine solche Differenzierung potenziell auch zu Klagen geführt hätte. „Wir hatten überhaupt keine Spielräume für Überförderungen“, sagte Kogeschäftsführer Marc Schimpel gegenüber der APA. „Wir haben ordnungsgemäß ausgezahlt und so genau geprüft, wie wir konnten.“

Finanzministerium appelliert an Unternehmen

Das Finanzministerium, das im RH-Bericht versuchte, die Schritte der CoV-Hilfe zu argumentieren, sagte am Freitag, dass die Empfehlungen aktuell evaluiert oder bereits teilweise umgesetzt wurden. So seien die Wirtschaftshilfen im Laufe der Pandemie immer wieder angepasst und in ihrer Treffsicherheit verbessert worden. Hilfen, die zu Unrecht bezogen wurden, sollen zurückgefordert werden.

Durch die bereits erfolgte Kontrolltätigkeit der COFAG seien im Zusammenspiel mit der Finanzverwaltung den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen bisher über 300 Mio. Euro an reduzierten Auszahlungsbeträgen eingespart worden. Zudem evaluiere seit Ende 2021 die Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen die Richtigkeit bezogener Covid-Hilfen nach dem Covid-19-Förderungsprüfungsgesetz.

Das Finanzamt für Großbetriebe prüfe in den kommenden Wochen und Monaten verstärkt die ausbezahlten Wirtschaftshilfen. Das Finanzministerium appelliert daher an alle Unternehmerinnen und Unternehmer, zu hoch bezogene Hilfen rechtzeitig und freiwillig zurückzubezahlen und zu melden. Das unrechtmäßige Beziehen von Coronavirus-Hilfen würde „konsequent geahndet“.

ABBAG-Geschäftsführer war COFAG-Geschäftsführer

Weiterer Kritikpunkt des RH sind die Verflechtungen der COFAG und ihrer Muttergesellschaft ABBAG. Der frühere COFAG-Geschäftsführer, Bernhard Perner, war gleichzeitig Geschäftsführer der ABBAG. Das führte zu praktischen Problemen: Bei der ersten Generalversammlung der COFAG im März 2021 durfte er als Eigentümervertreter der ABBAG seine eigene Entlastung als Geschäftsführer, die Entlastung seines Aufsichtsrates und die Höhe der Vergütung für Aufsichtsräte nicht beschließen.

Schließlich habe es vier Rechtsgutachten gebraucht, um den Jahresabschluss für 2020 rechtmäßig fertigzubringen. Kürzlich kündigte Perner, der in mehreren ÖVP-Kabinetten tätig war, auch seinen Rückzug aus der ABBAG an, um in die Privatwirtschaft zu wechseln. Der ABBAG-Geschäftsführer war auch Prokurist bei der Staatsholding ÖBAG und arbeitete mit Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid zusammen. Nach Ansicht der Opposition half Perner, die Ausschreibung für den ÖBAG-Chefposten auf Schmid zuzuschreiben.

Bernhard Perner beim „Ibiza“-U-Ausschuss
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Perner war bereits im „Ibiza“-U-Ausschuss als Auskunftsperson geladen

Fehler gab es bei Ausschreibung und Bestellung der Geschäftsführung des COFAG: Diese entsprachen nicht dem Stellenbesetzungsgesetz. Zudem sei Perner auf doppelter Gehaltsschiene gefahren. Das sei geschehen, obwohl Perner laut Arbeitsvertrag mit der ABBAG Dienste bei Töchtern – wie eben der COFAG – ohne zusätzliches Entgelt leisten müsste. Perners Arbeitszeiten in den Gesellschaften seien darüber hinaus nicht aufeinander abgestimmt gewesen. Die Doppelbezüge seien mittlerweile aber zurückgezahlt worden, hieß es aus dem Finanzministerium.

Nur wenige Anträge mussten genehmigt werden

Außerdem sei der Umgang mit Interessenkonflikten im COFAG-Aufsichtsrat nicht ausreichend geregelt gewesen, etwa bei den Aufsichtsratsmitgliedern, die gleichzeitig Führungspositionen in Immobilienunternehmen bekleideten. Bereits im Vorfeld der Gründung nahmen Personen, die später Positionen in der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat der COFAG innehatten, maßgeblich Einfluss auf die Gestaltung ihrer späteren Rahmenbedingungen, heißt es im RH-Bericht.

Um die Höhe der Jahresvergütung des Aufsichtsrates zu ermitteln, beauftragte die ABBAG eine Studie, die als Vergleichsgruppe österreichische Banken mit einer Bilanzsumme von acht bis 20 Mrd. Euro heranzog. Aus Sicht des RH hinkt der Vergleich aber. Denn: Die COFAG war weder auf dem Markt tätig, noch hatte sie finanzielle Risiken zu tragen. Folglich sei die Vergütung des Aufsichtsrates zu hoch angesetzt worden.

Die COFAG-Geschäftsführung genehmigte bis Ende Juni 2021 fast 700.000 Anträge. Nur 221 Anträge mussten vom Aufsichtsrat genehmigt werden, weil sie über 800.000 Euro lagen. Da keine Konzernbetrachtung erfolgte, hatte die Geschäftsführung nur für diese geringe Anzahl von Fällen vor Genehmigung der Anträge die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Insgesamt 79 Prozent der Anträge führten zu einer Auszahlung von Zuschüssen. Der höchste an ein Unternehmen ausbezahlte Zuschuss betrug 13,94 Mio. Euro.

RH: Nach Aufgabenende COFAG auflösen

Für die Finanzierungsagentur, die es nach Ansicht des RH nicht gebraucht hätte, lautet nun die nüchterne, aber deutliche Empfehlung an das Finanzministerium: „Bei Auslaufen der finanziellen Maßnahmen zu prüfen, welche Leistungen (…) von der COFAG noch zu erbringen sind, und die Gesellschaft nach Abschluss der Aufgaben aufzulösen.“ Der RH prüfte den Zeitraum März 2020 bis Juni 2021.

RH empfiehlt Auflösung der COFAG

Im Rechnungshof-Bericht zur COFAG ist eine Überförderung festgestellt worden. Die Prüfer und Prüferinnen empfehlen die Auflösung der Gesellschaft, die einen großen Teil der CoV-Hilfen abgewickelt hat.

Die Auflösung der COFAG mit Pandemieende, spätestens aber Mitte 2026, sei aber von Anfang an klar gewesen, hieß es am Freitag von Seiten der COFAG-Geschäftsführung. Das bisher gesammelte Wissen sei sorgfältig dokumentiert worden und werde daher auch nicht verloren gehen, versicherte sie. Eine der offenen Aufgaben der COFAG sei nun, Rückforderungen im dreistelligen Millionenbereich abzuwickeln, großes Thema dabei seien Bestandszinsen.

Auch gerade weil die Förderstelle nur auf Zeit gegründet wurde, habe man vermehrt auf externe Prüfer zurückgegriffen. Potenzielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe man immer auf den Umstand hingewiesen, dass sie bei der COFAG „nicht in Pension gehen werden“. Diese Aussicht habe die Suche nach qualifiziertem Personal freilich erschwert.

VfGH leitete Mitte Oktober Prüfverfahren ein

Auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat jüngst Bedenken gegenüber der Abwicklung der Coronavirus-Hilfen geäußert und daher Mitte Oktober ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet. Das Höchstgericht bezweifelt, dass die Auszahlung der Hilfen über einen privaten Rechtsträger wie die COFAG zulässig ist. Aus Sicht der Mitglieder gehören derartige Finanzhilfen zu den Aufgaben der staatlichen Hoheitsverwaltung. Mehrere verfassungsrechtliche Grundsätze könnten verletzt worden sein.

Die Bundesregierung hatte die Coronavirus-Hilfen unter dem Slogan „Koste es, was es wolle“ gestartet, wie es der damalige Bundeskanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz formuliert hatte. 1.475 Euro Steuergeld pro Österreicherin und Österreicher sind 2020 für Coronavirus-Wirtschaftshilfen ausgegeben worden. Österreich war bei den Hilfen Spitzenreiter in Europa. Im EU-Durchschnitt waren es nur 325 Euro.

U-Ausschuss gefordert

SPÖ und FPÖ sehen sich in ihrer Kritik durch den Endbericht des Rechnungshofs bestärkt. „Der Bericht des Rechnungshofs bestätigt, dass die COFAG eine unnötige und höchst undurchsichtige Konstruktion ist und offensichtlich nur als Selbstbedienungsladen für türkise Günstlinge und VP-nahe Berater eingerichtet wurde“, so SPÖ-Rechnungshof-Sprecherin Karin Greiner. Eine parlamentarische Aufarbeitung sei daher unumgänglich, daher fordert sie einen kleinen Untersuchungsausschuss.

Die FPÖ sieht die „Blackbox“ COFAG als „heißen Kandidaten für den nächsten parlamentarischen Untersuchungsausschuss“. „Der heute präsentierte Endbericht des Rechnungshofs zur COFAG bestätigt alle unsere Vorwürfe, die wir von Anfang an zu diesem Geldverteilungskonstrukt außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle geäußert haben“, meinte der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker.

Kritik kam auch von NEOS, für Finanzsprecherin Karin Doppelbauer ist die COFAG „eine groteske Fehlkonstruktion der türkis-grünen Bundesregierung“. Mit der COFAG sei „zukunftsvergessen und verantwortungslos Steuergeld in Milliardenhöhe beim Fenster hinausgeworfen“ worden – Geld, das zur Entlastung in der jetzigen Krise fehle.

Anders sieht das der ÖVP-Wirtschaftsbund. „Die Einführung der COFAG war die absolut richtige Entscheidung. Zu Pandemiebeginn war es das Um und Auf, möglichst rasch und effizient zu handeln“, so Generalsekretär Kurt Egger. In ein ähnliches Horn stieß der Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Klares Ziel der COFAG sei es gewesen, „die Zahlungsfähigkeit unserer Unternehmen bestmöglich zu erhalten, krisenbedingte Liquiditätsschwierigkeiten zu überbrücken – und damit Pleiten zu verhindern und Beschäftigung zu erhalten.“ Diese Ziele habe man erreicht.