Thomas Schmid
APA/Hand Punz
Kurz rief an

Schmid ging von Aufnahme aus

Die Aussagen von Ex-Finanzgeneralsekretär Thomas Schmid über Causen, die unter anderem in Zusammenhang mit Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stehen, haben vergangene Woche Wellen geschlagen. Daraufhin veröffentlichte Kurz das Transkript eines heimlich aufgenommenen Telefonats mit Schmid. Dieses sollte ihn entlasten – doch Schmid ging offenbar im Gespräch schon von einer Aufnahme aus, wie nun bekanntwurde. Kurz soll nun erneut befragt werden. Weit fortgeschritten sind die Ermittlungen in Sachen Falschaussagen.

In dem aufgenommenen Telefonat von Anfang Oktober fragte Kurz mehrmals bei Schmid nach, wie man darauf komme, dass er in die Umfragenaffäre rund um Meinungsforscherin Sabine Beinschab verwickelt sei. Schmid erklärte ihm dann in groben Zügen die Kooperation und wie diese funktioniere. Kurz hatte das Transkript einer ausgewählten Zahl von Journalisten und Journalistinnen präsentiert – und die Audiodatei offenbar auch der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übergeben.

Diese hatte nur wenig später Schmid, der sich mit seinen Aussagen als Kronzeugen anbieten will, erneut einvernommen. Dabei sagte Schmid aus, er sei zum Zeitpunkt des Telefonats davon ausgegangen, dass behördliche Telefonüberwachungen laufen. „Wir haben zwar bewusst nur mehr über Signal oder WhatsApp telefoniert und gechattet, dennoch wusste keiner, ob man nicht auch das überwachen kann“, so Schmid laut dem Protokoll der Staatsanwaltschaft, das mehreren anderen Medien vorliegt.

Schmid sagte gegenüber der WKStA auch, dass er bereits in den ersten Minuten des Telefonats den Eindruck gewonnen habe, dass Kurz das Telefonat aufzeichnen könnte. Er habe angenommen, dass es eine „Verteidigungsrede“ von Kurz für die möglicherweise überwachende Staatsanwaltschaft oder dessen eigene Aufnahme sei. Daraufhin habe er versucht auszuweichen, die Dinge kleinzureden, sagte Schmid.

Kaum Antworten wegen vermuteter Überwachung

Die Staatsanwälte wollten darauf von Schmid wissen, warum er nicht klar formuliert habe, dass Kurz involviert gewesen sei. Schmid begründete seine ausweichenden Antworten mit der „extremen Drucksituation“ und der vermuteten Überwachung. „So eine Antwort wäre damals daher keinesfalls in Betracht gekommen, weil sie ja der gemeinsamen Verteidigungslinie widersprochen hätte“, so Schmid.

Schmid gab gegenüber der WKStA auch an, dass Kurz ihn bereits gleich nach den Hausdurchsuchungen – unter anderem bei der ÖVP – Anfang Oktober angerufen habe. Kurz habe ihm damals sinngemäß gesagt, dass er, Schmid, die Schuld auf sich nehmen müsse – und ihm auch einen entsprechenden Text diktiert.

Er habe zu Kurz gesagt, er müsse sich das überlegen. Sein Anwalt habe ihm aber davon dringend abgeraten, so Schmid. Kurz habe danach versucht, ihn mehrmals – über den Messenger-Dienst Signal – anzurufen. Er habe aber nicht zurückgerufen, so Schmid.

Sprecher sieht Kurz weiter entlastet

Ein Sprecher von Kurz erklärte in Reaktion auf die Aussagen von Schmid, man sei froh, dass die erfundenen Behauptungen von Schmid weiter in sich zusammenbrächen. Es sei mittlerweile erwiesen, dass er der WKStA das Telefonat mit Kurz in seiner Kronzeugenaussage verschwiegen habe. Dessen Inhalt bringe Schmid „massiv in Bedrängnis“ und widerspreche „seinen Behauptungen vor der WKStA diametral“. „Der Versuch, seinen Kopf auch noch aus dieser Schlinge zu ziehen, werde scheitern“, so der Sprecher gegenüber Ö1.

Neuerliche Einvernahme von Kurz Ende November

Wie der „Standard“ berichtete, soll Kurz nun aber noch einmal befragt werden. Die WKStA habe dessen Anwalt um einen „zeitnahen“ Termin gebeten, dieser habe aber entgegnet, dass Kurz erst Ende November zur Verfügung stehe. Als Termin für die Einvernahme des Ex-Kanzlers sei nun der 28. November ins Auge gefasst worden.

Dabei soll es nicht nur um das brisante Schmid-Telefonat gehen, sondern auch um den Verdacht auf falsche Beweisaussage. Die WKStA teilte auf ORF.at-Anfrage am Freitag mit, dass ihre Ermittlungen gegen den Ex-Bundeskanzler wegen Falschaussage vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss weit fortgeschritten, aber „noch nicht abgeschlossen“ seien. Ob sich bereits ein Ende abzeichnet, wollte die Staatsanwaltschaft gegenüber ORF.at nicht kommentieren. „Ich kann Ihnen nur so viel sagen, dass wir sehr weit, aber noch nicht fertig sind“, so eine Sprecherin.

Aussagen in Widerspruch zu Chats

Teil der Ermittlungen sind auch die Aussagen von Kurz’ früherem Kabinettschef, Bernd Brünner, gegenüber der WKStA. Brünner ist aktuell noch Generalsekretär von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), zieht sich aber mit 31. Oktober zurück – laut Bundeskanzleramt aus „persönlichen Gründen“, wie die „Presse“ berichtete. Brünners Rücktritt kommt acht Tage, nachdem er von der WKStA befragt wurde. An Absprachen, wie sie Schmid beschrieben hatte, konnte sich Brünner vor der WKStA nicht erinnern.

Misstrauen und Angst vor Abhörung

Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu jenem Gespräch mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) befragt, welches Kurz aufgenommen hat und ihn, Kurz, entlasten soll.

Aus dem Vernehmungsprotokoll ergeben sich Ö1 zufolge deutliche Widersprüche zwischen Brünners Aussagen und mehreren Chatnachrichten, die er geschrieben hat. Zudem widerspricht er auch den Aussagen des möglichen Kronzeugen Schmid. Dieser hat etwa ausgesagt, dass er im Sommer 2018 als Generalsekretär im Finanzministerium die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sebastian Kurz im Bundeskanzleramt über alle Personalbesetzungen in staatlichen Beteiligungsunternehmen informieren musste.

Brünner sagte gegenüber der Staatsanwaltschaft aus, er erinnere sich nicht an solche Gespräche. Auch an eine Chatrunde mit seinen Kollegen und eine Chatnachricht von ihm selbst – in der es unter anderem um Funktionen bei den Casinos Austria ging, konnte sich Brünner in der Vernehmung nicht erinnern.

Anwalt sieht Kurz entlastet

Ein Staatsanwalt warf ihm daraufhin laut Vernehmungsprotokoll vor, dass das im Widerspruch zu seinen Nachrichten stehe, und hat ihn ermahnt, sich an die Wahrheit zu erinnern. Er könne sich den Widerspruch nicht erklären, sagte Brünner.

Von Brünner gab es dazu keine Stellungnahme. Einem Sprecher von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zufolge sei zu dem Wechsel „alles gesagt“. Ein Sprecher von Kurz-Anwalt Werner Suppan sah seinen Mandanten durch die Aussagen Brünners entlastet: „Es ist ein gutes Zeichen, dass dieser Fall zum Abschluss gebracht wird.“ Immerhin hätten 29 Zeugen Sebastian Kurz entlastet, so die Argumentation.

Kein Nachweis für Bevorzugung von Kurz’ Lebensgefährtin

Zu einem anderen Vorwurf von Schmid, wonach Kurz’ Lebensgefährtin ungerechtfertigt eine Gehaltserhöhung und Bonuszahlungen als Mitarbeiterin im Finanzministerium bekommen habe, ermittelte die WKStA ebenfalls. In einem Aktenvermerk stellen die Ermittler allerdings fest, dass alle Mitarbeiter die gleichen Bonuszahlungen bekommen haben. Eine Gehaltserhöhung konnte die WKStA aus den Daten nicht ableiten.