Getreideschiff auf Meer
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Angriffe als Begründung

Russland setzt Getreidedeal mit Ukraine aus

Russland setzt seine Teilnahme an dem von UNO und der Türkei vermittelten Abkommen mit der Ukraine zum Schiffsexport von Getreide aus. Als Begründung verweist Moskau auf angebliche Angriffe auf Schiffe im Schwarzen Meer. Die Ukraine ortet einen „falschen Vorwand“, London spricht von „falschen Behauptungen epischen Ausmaßes“.

Samstagabend informierte Russland UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in einem Schreiben offiziell über die Aussetzung des Abkommens. Wegen Drohnenangriffen auf russische Schiffe aus dem geschützten Korridor im Schwarzen Meer könne Russland „die Sicherheit von zivilen Schiffen, die im Rahmen der oben genannten Initiative reisen, nicht garantieren“, schrieb der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensja Guterres am Samstag.

Wegen der Angriffe setze Moskau das Abkommen aus dem Juli „auf unbestimmte Zeit“ aus. „Den russischen Vertretern im gemeinsamen Koordinierungszentrum in Istanbul, das für die Umsetzung der Initiative zuständig ist, wurden entsprechende Anweisungen erteilt“, hieß es weiter. Zudem beantragte Russland in der Angelegenheit eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates für Montag, wie es aus Kreisen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen verlautete.

Ukraine kritisiert „falschen Vorwand“ Moskaus

Die ukrainische Regierung warf Russland in einer ersten Reaktion Erpressung vor. Russland erfinde Angriffe auf eigene Einrichtungen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sprach von einem „falschen Vorwand“ der Russen, um den Getreidedeal auszusetzen. Moskau blockiere unter einem Vorwand die Transporte, „die Lebensmittelsicherheit für Millionen Menschen bedeuten“, schrieb Kuleba am Samstagabend auf Twitter.

Genauso argumentierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Er forderte überdies eine scharfe Reaktion der Vereinten Nationen (UNO) und der G-20-Staaten. Die Gruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer (G-20) solle Russland ausschließen, so der ukrainische Präsident. Der G-20 gehören neben mehreren westlichen Ländern unter anderem auch China, Indien und Brasilien an.

UNO: Stehen in Kontakt mit Russland

Der Getreidedeal war zunächst für vier Monate bis November geschlossen worden. Russland hatte das Abkommen zuletzt aber immer wieder kritisiert, weil es sich durch die Sanktionen des Westens im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine bei den eigenen Getreideexporten ausgebremst sieht.

ZIB-Korrespondent Krisai aus Moskau

Paul Krisai spricht über mögliche Gründe für Russlands Ausstieg aus dem Getreidedeal mit der Ukraine.

Die UNO wollten die Hoffnung auf ein Fortbestehen des Deals aber noch nicht aufgeben. Man habe die Berichte über die Aussetzung gesehen, sagte ein UNO-Sprecher am Samstag in New York. „Wir stehen mit den russischen Behörden in dieser Sache in Kontakt“, hieß es weiter. „Es ist unerlässlich, dass alle Seiten jegliche Handlungen unterlassen, die das Getreideabkommen gefährden, das eine entscheidende humanitäre Anstrengung ist, die eindeutig einen positiven Einfluss auf den Zugang zu Lebensmitteln für Millionen von Menschen weltweit hat.“

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hatte bereits in der Nacht zum Samstag alle Seiten aufgefordert, „alle Anstrengungen“ für eine Verlängerung des Abkommens zu unternehmen. Der Deal war bis zum 18. November befristet, hätte aber – wenn keine Seite widersprochen hätte – nach UNO-Angaben automatisch verlängert werden können.

London: „Erfundene Geschichte“

Das russische Verteidigungsministerium warf laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur TASS auch Großbritannien eine Beteiligung an den Angriffen vor. Überdies sei Großbritannien auch an den „Nord Stream“-Explosionen Ende September beteiligt gewesen zu sein. Das wurde von London empört zurückgewiesen.

„Um von ihrem katastrophalen Umgang mit der illegalen Invasion in der Ukraine abzulenken, greift das russische Verteidigungsministerium auf die Verbreitung falscher Behauptungen epischen Ausmaßes zurück“, hieß es aus dem Verteidigungsministerium in London.

„Diese erfundene Geschichte sagt mehr über Streitigkeiten innerhalb der russischen Regierung aus als über den Westen. Die britische Marine besitzt gar nicht die Fähigkeit, die Gasleitungen zu sprengen“, sagte der frühere Royal-Navy-Admiral Chris Parry dem Sender Sky News.

Ukraine will Krim zurückerobern

Die Ukraine hat wiederholt erklärt, die von Russland seit 2014 besetzte Krim zurückerobern zu wollen. Die Stadt Sewastopol auf der Halbinsel ist für Moskau als Basis der Schwarzmeer-Flotte wichtig. Immer wieder wird die Halbinsel auch von Explosionen erschüttert, für die Russland die Ukraine verantwortlich macht. Kiew schweigt dazu meist. Am 8. Oktober etwa war die für den Nachschub der russischen Invasionstruppen in der Ukraine wichtige Kertsch-Brücke zwischen Russland und der Krim durch eine Explosion schwer beschädigt worden.

Ein hochrangiger Mitarbeiter des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schloss inzwischen weitere Vereinbarungen mit Russland vor einem Ende des Kriegs aus. „Für Russland ist das ein Krieg der Zerstörung, für uns ist das ein Krieg des Überlebens“, schrieb Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak auf Twitter. „Solange sie uns als Staat und Nation beseitigen wollen, sind jegliche Vereinbarungen mit Russland zum Scheitern verurteilt.“