Brasiliens Präsidentschaftskandidat Luiz Inacio Lula da Silva
APA/AFP/Carl De Souza
Hauchdünne Mehrheit

Lula gewinnt Präsidentenwahl in Brasilien

Mit einem hauchdünnen Vorsprung hat der linke Ex-Präsident Luiz Ignacio Lula da Silva die Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien gewonnen. Lula kam auf 50,83 Prozent, wie das Wahlamt in Brasilia am Sonntag (Ortszeit) bekanntgab. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt 49,17 Prozent. Er ist damit der erste Präsident seit Einführung der zweiten Amtszeit 1998, dem die Wiederwahl misslang.

Die Wahllokale hatten um 17.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MEZ) geschlossen. Rund 120 Millionen Bürgerinnen und Bürger waren aufgerufen, ihre Stimme mit elektronischen Wahlmaschinen abzugeben. Bolsonaro lag in ersten Zwischenergebnissen erwartungsgemäß vorne, weil er in jenen Regionen besonders viele Unterstützerinnen und Unterstützer hat, in denen die Auszählung rascher vonstattengeht. Mit zunehmendem Auszählungsgrad war sein Vorsprung jedoch geschmolzen, und Lula übernahm die Führung.

Nach seinem Wahlsieg kündigte Lula an, ein extrem gespaltenes Brasilien versöhnen zu wollen. „Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren“, sagte er in seiner ersten Rede nach der Wahl in Sao Paulo. „Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk.“ Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wieder herzustellen.

Lula gewinnt Präsidentenwahl in Brasilien

Mit einem hauchdünnen Vorsprung hat der linke Ex-Präsident Luiz Ignacio Lula da Silva die Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien gewonnen.

Lula hatte bereits nach seiner Stimmabgabe in Sao Bernardo do Campo im Südosten des Landes erklärt, er sei „zuversichtlich für den Sieg der Demokratie“. Für den Fall seines Wahlsieges wolle er den Frieden zwischen den Brasilianerinnen und Brasilianern wiederherstellen.

Anhänger des brasilianischen Präsidentschaftskandidaten Luiz Inacio Lula da Silva
Reuters/Amanda Perobelli
Lulas Anhängerschaft feiert

Bolsonaros Partei mit Mehrheit im Kongress

Neben dem Präsidenten wurden am Sonntag auch Gouverneure in einem Dutzend Bundesstaaten gewählt – etwa im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Bundesstaat Sao Paulo. In der ersten Runde hatten Gefolgsleute Bolsonaros bereits eine Reihe wichtiger Gouverneursposten erobert. Seine Liberale Partei (PL) stellt künftig auch die stärkste Fraktion im Kongress, vor Lulas Arbeiterpartei (PT).

Brasiliens Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro
Reuters/Pilar Olivares
Bolsonaro wählte in Rio de Janeiro

Bolsonaro hatte sich noch bei der Stimmabgabe am Nachmittag siegessicher gezeigt: „Die Erwartung ist ein Sieg – zum Wohle Brasiliens“, so der rechte Politiker in Rio de Janeiro, wo er in einem gelben Brasilien-T-Shirt seine Stimme abgab. Dazu machte er das Victory-Zeichen. „So Gott will, werden wir heute siegreich sein. Oder besser gesagt: Brasilien wird heute siegreich sein.“

Ähnlich wie Ex-Präsident Donald Trump in den USA hat auch Bolsonaro unbelegte Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Wahlmaschinen geäußert und damit Ängste geschürt, er könnte das Ergebnis nicht anerkennen. Am Wahltag hatten Straßenkontrollen der Polizei bei Anhängern Lulas Befürchtungen ausgelöst, sie sollten an der Stimmabgabe gehindert werden.

Knapper Lula-Sieg auch in erster Runde

Lula hatte auch die erste Runde der Präsidentenwahl in dem größten Land Lateinamerikas am 2. Oktober überraschend knapp mit 48 Prozent vor Bolsonaro mit 43 Prozent gewonnen. Das politische Klima ist extrem polarisiert, der Wahlkampf wurde mit harten Bandagen geführt. Mehrfach kam es vor dem Hintergrund des Wahlkampfs zu politisch motivierten Gewaltakten.

Anhänger des brasilianischen Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro
Reuters/Ueslei Marcelino
Aufgeheizte Stimmung im Bolsonaro-Lager

Für Aufsehen sorgte am Samstag die PL-Abgeordnete Carla Zambelli, die in Sao Paulo nach einem Streit einen Mann mit vorgehaltener Waffe verfolgte. Um Gewalttaten zu verhindern, untersagte das Oberste Wahlgericht Zivilisten in den Tagen rund um die Stichwahl das Tragen von Waffen. Brasilianische Medien zitierten Zambelli am Sonntag nach dem Verlassen einer Polizeistation mit den Worten: „Ich werde bewaffnet wählen, auch mit einer kugelsicheren Weste. Ich werde bewaffnet und vorbereitet sein.“

Wahlbehörde ging gegen Falschinfos vor

Erst zehn Tage vor der Stichwahl verabschiedete die höchste Wahlbehörde des Landes neue Regeln, um Desinformation im Wahlkampf einzuschränken. Das Oberste Wahlgericht TSE verpflichtete die Betreibenden von Onlinemedien dazu, als falsch eingeschätzte Inhalte binnen zwei Stunden zu entfernen.

Seit Beginn des Wahlkampfs für die Stichwahl habe es „eine starke Ausbreitung von nicht nur falschen Informationen, sondern auch von Aggressivität in diesen Informationen, von Hassrede“ gegeben, begründete TSE-Chef Alexandre de Moraes den Schritt.

Warnung vor „Zersetzung der Demokratie“

Die Falschinformationen hätten eine „Zersetzung der Demokratie“ zur Folge, warnte Moraes, der sich mit Vertretenden der Wahlkampfteams von Bolsonaro und Lula traf. Zuvor hatte er mit Vertreterinnen und Vertretern von Facebook, Instagram, WhatsApp, Google, TikTok, Telegram und YouTube gesprochen. Für jede Stunde, die betreffende Inhalte länger als die festgelegten zwei Stunden online bleiben, wurde eine Strafe zwischen 100.000 und 150.000 Real (20.000 bis 29.000 Euro) festgelegt.

Das TSE verlangte zudem, dass die beiden Wahlkampfteams eine Reihe von im Internet veröffentlichten Botschaften beseitigen. So sollte Bolsonaros Team Videos entfernen, die Lula in die Nähe von Abtreibungsbefürworterinnen und -befürworter und Drogen rückten und ihm vorwarfen, Kirchen schließen zu wollen. Lulas Lager musste Material löschen, das den rechtsextremen Präsidenten in Verbindung zu Kannibalismus und Pädophilie bringt.

Wegen Korruptionsskandalen im Gefängnis

Lula regierte Brasilien bereits von 2003 bis 2010. Wegen unterschiedlicher Korruptionsskandale auch im Zusammenhang mit dem Petrobras-Skandal wurde er inhaftiert und verbrachte 2018 und 2019 insgesamt 18 Monate im Gefängnis. Seine Verhaftung war damals umstritten. Vergangenes Jahr wurden die gegen ihn verhängten Urteile vom Obersten Gerichtshof Brasiliens aus formalen Gründen aufgehoben.

Bolsonaro kam bei der Präsidentenwahl 2018 als Außenseiter an die Macht. Seine Anhänger mögen seinen radikalen Stil, seine Angriffe auf das „Establishment“ und seine Auftritte in Social Media. Seine Kritikerinnen und Kritiker halten Bolsonaro vor, er habe wenig vorzuweisen außer hasserfüllte Sprüche, Missmanagement der Coronavirus-Pandemie und eine verheerende Umweltbilanz.

Unter Bolsonaros Führung wurde nicht nur die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes vorangetrieben, auch der Hunger kam zurück nach Brasilien. Das Land stand 2021 wieder auf der Hungerkarte des Welternährungsprogramms (WFP), weil rund 29 Prozent der Bevölkerung in „mittlerer oder schwerer Ernährungsunsicherheit“ leben. Mit seinen Erlässen erleichterte der Staatschef und Ex-Militär zudem den Zugang zu Schusswaffen stark. Inzwischen gibt es fast doppelt so viele private Waffenbesitzer wie Polizisten.