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Reuters/Carlos Barria
Nach Musk-Übernahme

Trollkampagne stellt Twitter auf die Probe

Nach der Übernahme von Twitter durch den Hightech-Milliardär Elon Musk hat eine Trollkampagne die Richtlinien des Onlinedienstes mit einer Flut verunglimpfender Botschaften auf die Probe gestellt. Am Wochenende sei die Plattform von „einer kleinen Anzahl von Konten“ mit Zehntausenden Tweets „mit Verleumdungen und anderen abfälligen Ausdrücken“ geflutet worden, hieß es von Unternehmensseite.

„Fast alle“ der Konten seien unecht gewesen, teilte der Abteilungsleiter für Sicherheit und Integrität des Dienstes, Yoel Roth, am Sonntag mit. Es sei etwa ein bestimmtes verunglimpfendes Wort in 50.000 Tweets enthalten gewesen, die aber nur von 300 Konten versendet worden seien.

Twitter habe Schritte eingeleitet, um „die an dieser Trollkampagne beteiligten Nutzer zu sperren“, erklärte Roth. Das Unternehmen werde zudem weiter daran arbeiten, den Dienst sicher und einladend für alle zu machen. Als Trolle werden Internetnutzende bezeichnet, die gezielt Onlinediskussionen stören und deren Atmosphäre vergiften.

Twitter-Abteilungsleiter Roth hob hervor, dass sich die Richtlinien des Kurzbotschaftendienstes seit der Übernahme durch Musk nicht geändert hätten. Hasserfülltes Verhalten habe dort keinen Platz. „Und wir ergreifen Maßnahmen, um organisierten Bemühungen Einhalt zu gebieten, wonach Menschen glauben könnten, das sei anders“, schrieb Roth auf Twitter.

Musk beginnt mit Umbau

Beobachter warnen davor, dass sich unter Musk künftig Extremisten und Verschwörungserzählende ungestört auf Twitter austoben könnten. Als Reaktion auf solche Bedenken hatte Musk am Freitag in dem Dienst angekündigt, ein neues Gremium zum Umgang mit kontroversen Inhalten zu schaffen. Bevor ein solcher Rat zusammentrete, werde es keine großen Entscheidungen zur Inhaltepolitik oder der Wiederherstellung von Accounts geben, schrieb er bei Twitter.

Damit wäre auch die von Musk in den vergangenen Monaten ins Gespräch gebrachte Freischaltung des Accounts von Ex-Präsident Donald Trump nicht umgehend zu erwarten. Zugleich versprach Musk am Wochenende per Tweet: „Alle, die aus geringfügigen und zweifelhaften Gründen gesperrt wurden, werden aus dem Twitter-Gefängnis freikommen.“

Er zeigte sich zudem offen dafür, für Tweets die Begrenzung auf 280 Zeichen aufzuheben. Auch fand er es eine gute Idee, wenn Nutzerinnen und Nutzer die Wahl zwischen verschiedenen Versionen des Dienstes haben könnten: „Wie eine Alterseinstufung im Kino.“

Gebühren für das blaue Häckchen?

Musk plant zudem eine umfassende Überarbeitung der Echtheitsprüfung. „Der gesamte Verifizierungsprozess wird gerade überarbeitet“, schrieb Musk am Sonntag in einem Tweet, ohne weitere Details zu nennen. Twitter erwägt einem Medienbericht zufolge, für das blaue Häkchen, das die Identität des Kontoinhabers verifiziert, Gebühren zu verlangen. Das berichtete die Technologiewebsite Platformer unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Dem Bericht zufolge müssten die Nutzer dann ein Abonnement von Twitter Blue für 4,99 Dollar pro Monat abschließen, um ihr Verifikationssiegel nicht zu verlieren. Twitter Blue wurde im vergangenen Jahr als erster Abodienst der Social-Media-Plattform eingeführt. Er bietet Zugang zu Premium-Funktionen auf monatlicher Basis, einschließlich der Möglichkeit, bereits veröffentlichte Tweets zu bearbeiten.

Medien berichten von Personalabbauplänen

Laut Medienberichten sollten auch umgehend Stellenstreichungen bei Twitter eingeleitet werden. Der Finanzdienst Bloomberg schrieb, Musk habe Softwareentwickler des von ihm geführten Elektroautobauers in die Twitter-Zentrale geholt, um den Programmcode der Plattform zu begutachten. „Business Insider“ berichtete, Musk sei in internen Profilen mit dem Titel Firmenchef aufgetaucht. Zuvor war bereits berichtet worden, er wolle den Posten zusätzlich zum Spitzenjob unter anderem bei Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX übernehmen.

Musk hatte am Donnerstag die rund 44 Milliarden schwere Übernahme des Onlinedienstes abgeschlossen. Offizielle Angaben zum Geschehen bei Twitter blieben seitdem weitgehend aus. Auch die Entlassung von Topmanagern rund um den bisherigen Chef Parag Agrawal wurde zunächst nur über Medienberichte bekannt. Details zu seinen Plänen für die Twitter-Zukunft nannte Musk bisher ebenfalls nicht. Das könnte auch so weitergehen: Mit dem Kauf nimmt Musk Twitter von der Börse und muss danach nicht mehr über die Entwicklung des Geschäfts informieren.

Musk kritisierte oft fehlende Redefreiheit auf Twitter

Musk hatte oft kritisiert, bei Twitter werde die Redefreiheit zu sehr eingeschränkt. Das weckte Sorgen, bei Twitter könnte es unter seiner Kontrolle mehr Hass und Hetze geben. Musk sprang zuletzt auf eine Beschwerde aus dem rechten politischen Spektrum auf, wonach Twitter im Sinne „der Linken“ zensiert werde. „Ich werde das prüfen“, schrieb er. Twitter solle keine der Seiten bevorzugen. Der Dienst fährt seit Jahren einen strikten Kurs gegen falsche Informationen zu Wahlen – und vor allem Trump-Anhängerinnen und -Anhänger sprechen von Zensur.

Musk selbst äußert sich aber häufig politisch im Sinn der Republikanischen Partei. Die Demokraten von US-Präsident Joe Biden seien zur „Partei der Spaltung und des Hasses geworden“, schrieb er etwa im Mai.

Verschwörungserzählung zu Pelosi-Angriff verbreitet

Am Sonntag verbreitete Musk selbst an seine 112 Millionen Followerinnen und Follower eine rein spekulative Verschwörungserzählung über den Angriff auf den Politikergatten Paul Pelosi weiter. Der 82-jährige Ehemann der Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, war im Haus des Paars angegriffen und mit einem Hammer am Kopf verletzt worden. In der von Musk retweeteten Verschwörungserzählung wurde grundlos gemutmaßt, dass Pelosi in einen Streit mit einem Mann geraten sein könnte, den er selbst ins Haus gelassen habe. Die Polizei spricht eindeutig von einem Einbruch. Einige Stunden später war der Tweet gelöscht.