Der designierte Präsident Brasiliens, Luiz Inacio Lula da Silva
Reuters/Carla Carniel
Knapper Wahlsieg

Lula will Brasilien versöhnen

Nach seinem knappen Sieg bei der Präsidentschaftswahl hat der linke Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva erklärt, Brasilien versöhnen zu wollen. „Es gibt keine zwei Brasilien, nur ein Volk“, sagte Lula am Sonntag. Der bisherige Amtsinhaber Jair Bolsonaro hat den Wahlsieg seines Herausforderers nach wie vor nicht anerkannt.

Nach einem erbittert geführten Wahlkampf gewann Lula denkbar knapp. Der frühere Staatschef kam in der Stichwahl auf 50,90 Prozent der Stimmen. Der rechte Amtsinhaber Bolsonaro erhielt 49,10 Prozent. „Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren“, sagte Lula in seiner ersten Rede nach der Wahl in Sao Paulo.

Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wiederherzustellen. Der frühere Gewerkschafter Lula hatte das mit mehr als 210 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern größte Land in Lateinamerika bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert. Er ist der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht.

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Auf Twitter veröffentlichte Lula am Sonntag ein Bild der brasilianischen Flagge mit einer Hand. Darüber stand „Demokratie“. Tausende Anhänger des Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) feierten Lulas Sieg auf der Prachtstraße Avenida Paulista in Sao Paulo.

Gewalttat bei Feier

In Belo Horizonte wurde ein 27-Jähriger bei Feiern nach der Wahl erschossen. Vier weitere Menschen erlitten Verletzungen. Das Todesopfer habe in einem Lokal, in dem Lulas und Bolsonaros Anhängerinnen und Anhänger anwesend waren, den Wahlsieg des linken Ex-Präsidenten gefeiert. Der alkoholisierte Schütze sei festgenommen worden, berichteten Lokalmedien, ob es einen politischen Hintergrund gibt, werde untersucht.

In mehreren Bundesstaaten des südamerikanischen Landes protestierten indes Lkw-Fahrer gegen den Wahlsieg des Ex-Präsidenten, berichtete die Zeitung „Folha de S. Paulo“ unter Berufung auf die Polizei. Auf Videos in den sozialen Netzwerken waren brennende Reifen zu sehen. Bolsonaro-Anhänger mit Brasilien-Flaggen riefen dazu auf, die Autobahnen des Landes zu blockieren, einige forderten einen Eingriff des Militärs.

Noch keine Äußerung von Bolsonaro

Bolsonaro äußerte sich auch zwei Stunden nach Lulas Wahlsieg noch nicht. Aber Verbündete des Amtsinhabers erkannten Lulas Wahlsieg an. Das Schweigen Bolsonaros schürte Sorgen, er könnte seinem US-Vorbild Donald Trump folgen und das Wahlergebnis nicht anerkennen – womit die brasilianische Demokratie einer schweren Belastungsprobe unterzogen würde.

„In jedem Land der Welt hätte mich der unterlegene Kandidat angerufen, um seine Niederlage einzugestehen“, sagte Lula. „Ich wäre gern nur glücklich, aber ich bin zur Hälfte glücklich, zur Hälfte besorgt.“ Brasilien brauche „Frieden und Einheit“, sagte der 77-Jährige. Niemand wolle in einem Land leben, „das sich in einem Zustand des ständigen Krieges befindet“. Er sei „zuversichtlich, dass wir einen Ausweg finden werden, damit dieses Land wieder demokratisch und harmonisch leben kann“, sagte Lula. „Wir können sogar den Frieden zwischen denen, deren Meinungen auseinandergehen, wiederherstellen.“

Anhänger des brasilianischen Präsidentschaftskandidaten Luiz Inacio Lula da Silva
Reuters/Amanda Perobelli
Lulas Wählerinnen und Wähler feierten am Sonntag den Sieg ihres Kandidaten

Der Wahlsieger bezeichnete die vor ihm stehenden Aufgaben als „immens“. Er nannte etwa die Hungerkrise, von der mehr als 33 Millionen Menschen betroffen sind, und die Abholzung des Amazonas-Regenwalds, für deren Stopp er sich einzusetzen versprach.

Bolsonaros Partei mit Mehrheit im Kongress

Neben dem Präsidenten wurden am Sonntag auch Gouverneure in einem Dutzend Bundesstaaten gewählt – etwa im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Bundesstaat Sao Paulo. In der ersten Runde hatten Gefolgsleute Bolsonaros bereits eine Reihe wichtiger Gouverneursposten erobert. Seine Liberale Partei (PL) stellt künftig auch die stärkste Fraktion im Kongress, vor Lulas Arbeiterpartei (PT).

Biden gratulierte Lula

US-Präsident Joe Biden gratulierte Lula zum Sieg und betonte dabei ausdrücklich, dass die Abstimmung „frei, fair und glaubwürdig“ gewesen sei. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen bei der Bewältigung drängender globaler Herausforderungen, von der Ernährungssicherheit über den Handel bis hin zum Klimawandel“, schrieb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßte den Wahlsieg. Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezeichnete den Wahlsieg Lulas als Chance, den Regenwald zu erhalten und Maßnahmen zur Klimarettung zu ergreifen.

Wahlbehörde ging gegen Falschinformation vor

Erst zehn Tage vor der Stichwahl verabschiedete die höchste Wahlbehörde des Landes neue Regeln, um Desinformation im Wahlkampf einzuschränken. Das Oberste Wahlgericht TSE verpflichtete die Betreibenden von Onlinemedien dazu, als falsch eingeschätzte Inhalte binnen zwei Stunden zu entfernen.

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Seit Beginn des Wahlkampfs für die Stichwahl habe es „eine starke Ausbreitung von nicht nur falschen Informationen, sondern auch von Aggressivität in diesen Informationen, von Hassrede“ gegeben, begründete TSE-Chef Alexandre de Moraes den Schritt.

Warnung vor „Zersetzung der Demokratie“

Die Falschinformationen hätten eine „Zersetzung der Demokratie“ zur Folge, warnte Moraes, der sich mit Vertretenden der Wahlkampfteams von Bolsonaro und Lula traf. Zuvor hatte er mit Vertreterinnen und Vertretern von Facebook, Instagram, WhatsApp, Google, TikTok, Telegram und YouTube gesprochen. Für jede Stunde, die betreffende Inhalte länger als die festgelegten zwei Stunden online bleiben, wurde eine Strafe zwischen 100.000 und 150.000 Real (20.000 bis 29.000 Euro) festgelegt.