Ex-US-Präsident Barack Obama
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US-Midterms

Obama als Joker für Demokraten

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama ist wieder zurück auf dem politischen Parkett: Er soll den Demokraten im Wahlkampf kurz vor den Zwischenwahlen am 8. November dabei helfen, die Kontrolle über beide Senatskammern zu behalten. Im Gegensatz zu seinem Nachfolger Joe Biden genießt er nach wie vor hohe Beliebtheitswerte und könnte auch in umkämpften Bundesstaaten überzeugen. Ob er noch ausreichend mobilisieren kann, ist fraglich – das Rennen um das Repräsentantenhaus dürfte denkbar knapp werden.

Seine Rückkehr in den Wahlkampf eröffnete Obama mit einem Seitenhieb gegen den republikanischen Senatskandidaten Herschel Walker aus Georgia. Walker sei ein großartiger Footballspieler, so der 61-Jährige, das qualifiziere ihn aber genauso wenig für das Amt des US-Senators wie für das Fliegen eines Flugzeugs oder die Durchführung von Operationen. „Im ganzen Land kandidieren Menschen, die versucht haben, unsere Demokratie zu untergraben“, sagte Obama. Es müsse verhindert werden, dass diese noch mehr Einfluss gewinnen.

Zudem plädierte der 61-Jährige dafür, bei der kommenden Wahl von seinem Stimmrecht Gebrauch zu machen. „Legt euer Handy weg, lasst TikTok in Ruhe – geht wählen.“ Am Samstag trat Obama auch in den umkämpften US-Bundesstaaten Michigan und Wisconsin auf. Den Anschlag auf den Ehemann der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nahm er zum Anlass, auf die Spannungen zwischen den beiden politischen Lagern einzugehen: „Wenn unsere Rhetorik gegeneinander so gemein wird, entsteht ein gefährliches Klima.“

Die Republikaner hätten auch weiter keine Pläne zur Eindämmung der Preise und könnten Programme des sozialen Sicherheitsnetzes angreifen. „In Ihrem Bauch sollten Sie ein Gefühl dafür haben: Wer kümmert sich um Sie?“, sagte er in Wisconsin. Zudem warnte er, dass die Demokratie in Gefahr sei, und warb dafür, dass seine Partei ernsthaftere Lösungen für die Probleme anbiete, die den Wählerinnen und Wählern am Herzen lägen, darunter Inflation, aber auch Abtreibungsrechte und Kriminalität.

Wirtschaft entscheidender als Abtreibungsverbot

In den letzten Tagen vor den Zwischenwahlen war es wohl weniger die Sorge um die Zukunft der Demokratie, sondern vor allem um die Zukunft der Demokratischen Partei, die Obama zu seiner Wahlkampftour bewegt habe, schreibt das US-Magazin „Politico“. Die Partei hält aktuell nur dank einer hauchdünnen Mehrheit die Kontrolle über beide Parlamentskammern im Senat – und Umfragen räumen den Republikanern gute Chancen ein, bei der Wahl die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu holen.

Obwohl den Demokraten zu Beginn des Wahlkampfs mit ihrer Kritik des Abtreibungsverbotes auch gute Chancen attestiert wurden, scheint das Thema mittlerweile von den trüben Wirtschaftsaussichten überholt. Den Republikanern, die in der Abtreibungsdebatte zwischenzeitlich um eine gemeinsame Linie rangen, kommt das zugute: Sie setzten bereits im Sommer auf die steigende Inflation als entscheidendes Wahlkampfthema.

Dass die Demokraten nun einen ehemaligen Präsidenten in den aktuellen Wahlkampf einspannen, liegt aber auch daran, dass ihnen ein beliebter Spitzenkandidat fehlt, sind sich US-Medien einig. Bidens Zustimmungswerte sind in den vergangenen Wochen gesunken, weshalb sich der amtierende Präsident kurz vor den Wahlen von umkämpften Bundesstaaten fernhielt und Spenden sammelte. Laut der Politplattform FiveThirtyEight sind 53 Prozenten Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner mit Bidens Amtsführung aktuell nicht zufrieden.

US-Präsident Joe Biden
APA/AFP/Tasos Katopodis
Biden bereitet sich auf die vorgezogene Stimmabgabe bei den Zwischenwahlen vor

Nach wie vor hohe Beliebtheitswerte für Obama

Obama hingegen sei nach wie vor beliebt wie kein anderer und in der Lage, die Basis zu motivieren, ohne gleichzeitig die andere Seite zu verärgern, schreibt die „Washington Post“. Doug Herman, ein Stratege der Demokraten, erklärte gegenüber „Politico“, Obama bringe eine Stimme des Pragmatismus, der Hoffnung und des gesunden Menschenverstandes ein, die es so nicht mehr gebe. „Seine Unterstützung ist die stärkste für jeden Demokraten, der in einem umstrittenen Rennen antritt“, so Herman. Das sei wohl der Grund, weshalb er nun in den umkämpften Bundesstaaten mitmische.

USA: Pennsylvania vor den Midterms

Nächste Woche wird in den USA das Parlament gewählt – alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus, wo alle Bundesstaaten nach Einwohnerzahl vertreten sind, und ein Drittel der 100 Senatorinnen und Senatoren. Pennsylvania ist einer der wenigen Staaten, in denen die Demokraten bei diesen sogenannten Midterm-Elections eine Chance haben, einen Senator von den Republikanern zu gewinnen. Für die weitere Amtszeit von Präsident Joe Biden könnte das von entscheidender Bedeutung sein.

Die Reaktionen der US-Bürgerinnen und -Bürger belegen, dass Obama es nach wie vor versteht, die Bevölkerung durch seine Reden anzusprechen. Ein Video, in dem er am Samstag den Senator von Wisconsin, Ron Johnson, beschuldigte, seine reichen Partner zu schützen und gleichzeitig die Sozialversicherung zu gefährden, wurde mehr als zwölf Millionen Mal im Internet angesehen. In Georgia warteten rund 7.000 Menschen stundenlang auf den Wahlkampfauftakt des Ex-Präsidenten, brachten Sessel mit und trugen T-Shirts aus Obamas Wahlkampfzeiten 2008.

„Obama hat die Fähigkeit, gleichzeitig mit der Basis der Demokraten zu sprechen, die die Partei mobilisieren muss, und mit den Swing-Wählern in den Vororten, die sie in diesen letzten Tagen überzeugen müssen“, sagte David Axelrod, Obamas Chefstratege im Weißen Haus, gegenüber der „Washington Post“. „Wie (der ehemalige Präsident, Anm.) Clinton ist auch Obama großartig darin, eine größere Geschichte über das Land, die Zeit und die Wahl zu erzählen.“

Midterms als inoffizieller Stimmungstest

Dass im aktuellen Wahlkampf der Demokraten nicht der jetzige, sondern ein ehemaliger Präsident die Hauptrolle spielt, sorgt freilich für Kritik bei den Republikanern. „In der Politik sollte man nie rückwärts schauen“, zitiert die „Washington Post“ den republikanischen Spender Dan Eberhart. Es zeige, dass der Partei Vision für die Zukunft fehle. „Obama zu holen, um das Schlussplädoyer für die Demokraten zu halten, ist ein Eingeständnis, dass die Partei unter Joe Biden das Ruder nicht mehr herumreißen kann. Das ist kein guter Zug.“

Ex-US-Präsident Barack Obama
Reuters/Rebecca Cook
Obama besuchte drei umkämpfte Bundesstaaten, um die Basis für Senats- und Gouverneurskandidaten zu mobilisieren

Gleichzeitig gelten die Midterms zwei Jahre nach der Präsidentenwahl traditionell als Stimmungstest, bei dem meist die Partei des amtierenden Präsidenten abgestraft wird. „Einiges davon hängt damit zusammen, dass er (Obama, Anm.) ein Ex-Präsident und kein amtierender Präsident ist, der bei den Zwischenwahlen viel Kritik einstecken muss“, räumte auch Obamas ehemaliger Chefstratege Axelrod ein.

Die Auftritte würden für den ehemaligen und den aktuellen Präsidenten eine Art Rollentausch darstellen, so „Politico“: In der Vergangenheit sei es oft Biden gewesen, der mit seiner sympathischen Art bei knappen Wahlkämpfen, insbesondere bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus, am meisten geschätzt wurde. Während Obamas Zeit im Weißen Haus hätten die Midterms 2010 und 2014 zu seinen Tiefpunkten gehört, schreibt auch CNN.

Knappes Rennen steht bevor

Die Plattform FiveThirtyEight geht am 8. November von einem knappen Rennen um die Mehrheit im Senat aus. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, das Recht auf Abtreibung zu kippen, hätte es zwischenzeitlich eine reale Chance gegeben, dass die Demokraten auch die Kontrolle über das Repräsentantenhaus behalten könnten – die Republikaner hätten jedoch einen Großteil ihres Vorsprungs aus dem Sommer zurückgewonnen.

Dass Obama auch nach den Midterms wieder in der ein oder anderen Form politisch mitmischen könnte, ließ er kürzlich in einem Podcast seiner ehemaligen Mitarbeiter verlautbaren. Er wolle für die nächste Generation demokratischer Führungskräfte die Rolle eines Mentors übernehmen. „Eines der Dinge, die ich in den nächsten Jahren zu tun hoffe, ist, zwischen den Wahlen vielleicht einige dieser Talente zusammenzubringen und zu sehen, wie ich sie aufrichten und unterstützen kann“, so der ehemalige US-Präsident.