Nationalratssitzung
APA/Helmut Fohringer
NR-Sondersitzung

Causa Schmid wird politische Bühne bereitet

Die innenpolitische Woche steht ganz im Zeichen von Thomas Schmid. Am Mittwoch beschäftigt sich der Nationalrat ab Mittag mit Aussagen des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), in denen er Vorwürfe gegen eine Reihe von ÖVP-Politikern erhoben hat. Am Donnerstag erscheint der Ex-ÖBAG-Chef – nach mehrmaligem Ignorieren von Ladungen – als Auskunftsperson im ÖVP-U-Ausschuss.

Anlass für die Sondersitzung des Nationalrats ist ein gemeinsames Verlangen von SPÖ und FPÖ. Die beiden Oppositionsparteien fordern eine Erklärung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Parlament. Die SPÖ wird einen Neuwahlantrag stellen, FPÖ und NEOS dürften mitziehen, gehofft wird auch auf ein paar Stimmen aus den Reihen der Grünen.

„Unser Land ist gestraft mit einigen Krisen, die das Leben der Menschen massiv belasten und beschweren“, erklärte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in der Vorwoche das Ansinnen auf die bereits dritte Sondersitzung seit dem Tagungsbeginn im September. Eine dieser Krisen sei die „demokratiepolitische Krise“, die durch die ÖVP ausgelöst worden sei, weil sie für sich beschlossen habe, „dass die Grenze für politische Verantwortung ausschließlich das Strafrecht ist“.

Vorschau: Sondersitzung im Nationalrat

Auf Verlangen von SPÖ und FPÖ wird am Mittwoch eine Sondersitzung abgehalten. Die beiden Oppositionsparteien bringen einen Misstrauensantrag gegen die Regierung und einen Neuwahlantrag ein.

Auch Antikorruptionspaket Thema

Eine weitere Initiative im Nationalrat betrifft ein Antikorruptionspaket. Die SPÖ werde alle ihre diesbezüglichen Anträge noch einmal einbringen, sagte Justizsprecherin Selma Yildirim. Das beinhaltet unter anderem das Informationsfreiheitsgesetz, den weisungsfreien Bundesstaatsanwalt und mehrere Transparenzgesetze, etwa das Medientransparenzgesetz. Yildirim zeigte sich verärgert über die „fehlende Einsicht der ÖVP“, die noch immer der Meinung sei, kein Korruptionsproblem zu haben.

Konkret fordert die SPÖ unter anderem Regierungsvorlagen, um Mandatskauf und Kandidatenbestechung strafbar zu machen, verschärfte Korruptionsstrafbestimmungen für Spitzenpolitiker mit längeren Verjährungsfristen, Informationsfreiheit sowie einen weisungsfreien und unabhängigen Bundesstaatsanwalt.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
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Schmid erhob auch Vorwürfe gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka – dieser wehrt sich vehement

FPÖ-Chef Herbert Kickl lud indessen Bundespräsident Alexander Van der Bellen per offenem Brief zur Sondersitzung ein. So könne er „Augen- und Ohrenzeuge“ werden, wie sich ÖVP und Grüne verhielten, und sich ein Bild davon machen, „wie Nationalratspräsident Sobotka (Wolfgang, Anm.), der sich in der Rolle des Garanten der Würde des Hohen Hauses gefällt, längst selbst zur größten Bürde für diese Würde geworden ist“. Auch ohne die jüngsten Vorwürfe gegen ihn wäre allein seine parteiische Vorsitzführung im Untersuchungsausschuss ein Rücktrittsgrund, so Kickl.

Unklarheit um Erwin-Pröll-Stiftung

Schmid hatte in seiner Einvernahme durch die WKStA ausgesagt, dass Sobotka Steuerprüfungen bei der Alois-Mock-Stiftung oder beim Alois-Mock-Institut sowie bei der Erwin-Pröll-Stiftung erfolgreich verhindert habe. Der Nationalratspräsident bestreitet diesen Vorwurf vehement. Wie Recherchen der ZIB2 des ORF ergaben, gab es 2017 doch eine Steuerprüfung der Erwin-Pröll-Stiftung. Die Deutungshoheit bleibt aber umstritten: NEOS nahm das Bekanntwerden der Steuerprüfung zum Anlass, neuerlich Neuwahlen zu fordern, die ÖVP hingegen sah Schmid widerlegt.

Thomas Schmid
APA/Hans Punz
Schmid hat intensive Tage vor sich

Entlang dieser Linie wird wohl die gesamte Sondersitzung verlaufen: Die ÖVP wird nichts unversucht lassen, Schmid als unglaubwürdig darzustellen – Sobotka selbst hatte Schmid unlängst als „Baron Münchhausen“ bezeichnet. Auch August Wöginger wird dabei eine tragende Rolle spielen, hatte Schmid doch auch gegen den ÖVP-Klubobmann Vorwürfe erhoben. Er soll laut einem Auslieferungsbegehren der WKStA für die Bestellung eines Parteifreundes zum Vorstand eines Finanzamts in Oberösterreich interveniert haben.

Weitere Vernehmungen folgen

Schmid war seit den 2000er Jahren in Büros führender ÖVP-Bundespolitiker, später Generalsekretär im Finanzministerium, dann ÖBAG-Chef. Seine von den Behörden sichergestellten Chats bergen für die ÖVP großes Ungemach. Die WKStA ermittelt in mehreren Fällen, etwa in der Inseraten- und Umfragenaffäre, auch gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz selbst und seine engsten Mitarbeitenden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Mitte Oktober hatte die WKStA bekanntgegeben, dass Schmid bereits im April mit dem Wunsch nach einer Kronzeugenregelung an die Anklagebehörde herangetreten war. Seit Juni fanden 15 ganztägige Vernehmungen statt, zwei weitere sollen kommende Woche folgen.

Schmids Aussagen bei der WKStA werden auch am Donnerstag im Zentrum der Befragung im ÖVP-U-Ausschuss stehen. Wozu genau die Parlamentarierinnen und Parlamentarier Schmid befragen, ist noch offen. Die WKStA befürchtet, dass Fragen zu Themen, zu denen er noch nicht vernommen wurde, die Ermittlungen behindern könnten. Die Staatsanwaltschaft trat deshalb mit einer Liste an Themengebieten, zu denen Schmid bereits ausgesagt hatte, an die Fraktionen heran. Eine Einigung konnte bisher jedoch nicht erzielt werden, da die ÖVP – als einzige Fraktion – einem Übereinkommen dieser Art nicht zugestimmt hatte.

Im Hinblick auf die Befragung Schmids im U-Ausschuss am Donnerstag stellte die SPÖ am Mittwoch in den Raum, dass die ÖVP-Abgeordneten „die Ermittlungen der WKStA offenbar aktiv behindern“ wollen.

ÖVP kommt für Rechtsanwalt von Kurz auf

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker verteidigte am Montagabend in der ZIB2 die Position der ÖVP. Wie er zudem bestätigte, bezahlt die ÖVP nach wie vor den Rechtsanwalt von Ex-Parteichef Kurz. Stocker verwies auf den Beschluss des Bundesparteivorstandes 2020, dass bestimmte Funktionäre Rechtsschutz genießen, wenn sie in Ausübung ihrer Funktion in die betreffende Situation kamen. Wer von den aktuell Beschuldigten sonst noch davon profitiert, wusste Stocker „nicht auswendig“; es sei in dem Beschluss definiert, wem dieser Rechtsschutz zustünde. Dass auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) darunter fällt, glaube er nicht. Ob es auch im Fall einer Verurteilung dabei bleibt, „werden wir bewerten, wenn wir am Ende des Verfahrens stehen“.

ÖVP-Generalsekretär Stocker zur Schmid-Befragung

Die Befragung von Thomas Schmid diese Woche im ÖVP-Untersuchungsausschuss sorgt schon jetzt für heftige Debatten. In der ZIB2 nimmt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker dazu Stellung.

Unterdessen wurde der Mitschnitt des Telefonats zwischen Kurz und Schmid nun veröffentlicht. Bisher war nur ein Protokoll des Gesprächs bekannt, nun publizierte der ehemalige BZÖ-Politiker Stefan Petzner auf Twitter die Audiodatei.