Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro
Reuters/Carla Carniel
Nach verlorener Wahl

Warten auf Statement Bolsonaros

Nach der Präsidentenwahl in Brasilien hat sich Amtsinhaber Jair Bolsonaro bisher nicht zu seiner Niederlage geäußert. Medienberichten zufolge traf er am Montagvormittag (Ortszeit), dem Tag nach der Stichwahl, im Amtssitz des Präsidenten ein, gab aber noch kein Statement zum Wahlausgang ab. Der linke Ex-Präsident Lula ging aus der Stichwahl nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit 50,90 Prozent der Stimmen als Sieger hervor.

Ein Parteisprecher sagte, Bolsonaro wolle sich noch am Montag äußern. Sein langes Schweigen nährte Spekulationen, dass Bolsonaro das Ergebnis nicht anerkennen und den Vorwurf der Wahlmanipulation erheben könnte. Er hatte schon vor der Wahl immer wieder Zweifel an den automatisierten Wahlmaschinen geäußert und angedeutet, die Wahl möglicherweise anzufechten, sollte er nicht gewinnen. Wichtige Verbündete des rechten Amtsinhabers wie der Präsident der Abgeordnetenkammer, Artur Lira, und der Gouverneur des Bundesstaates Minas Gerais, Romeu Zema, erkannten Lulas Wahlsieg allerdings bereits an.

Zuvor war befürchtet worden, dass es nach dem knappen Wahlsieg von Lula zu Gewaltausbrüchen kommen könnte. In Belo Horizonte wurde ein 27-Jähriger bei Feiern nach der Wahl erschossen. Vier weitere Menschen erlitten Verletzungen. Das Todesopfer habe in einem Lokal, in dem Lulas und Bolsonaros Anhängerinnen und Anhänger anwesend waren, den Wahlsieg des linken Ex-Präsidenten gefeiert. Der alkoholisierte Schütze sei festgenommen worden, berichteten Lokalmedien, ob es einen politischen Hintergrund gibt, werde untersucht.

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Blockadeaktionen in fünf Bundesstaaten

Am Montag blockierten Lkw-Fahrer und andere Demonstrantierende mehrere Fernstraßen im Land. Im landwirtschaftlich geprägten Bundesstaat Mato Grosso, in dem Bolsonaro starken Rückhalt hat, wurden mehrere Straßen von Lastern, anderen Fahrzeugen sowie brennenden Reifen blockiert, wie das für den Betrieb dieser Straßen zuständige Unternehmen mitteilte.

Laut brasilianischen Medien fanden die Blockadeaktionen in insgesamt fünf Bundesstaaten statt. So sei auch eine Straße zwischen den Metropolen Rio de Janeiro und Sao Paulo von Protestierenden gesperrt worden. Zunächst war unklar, ob die Straßenblockaden zentral organisiert waren. Die brasilianischen Fernfahrenden sind in einer Bewegung organisiert, die deutlich hinter Bolsonaro steht.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro im Alvorada Palace in Brasilia
APA/AFP/Evaristo Sa
Bolsonaro am Montag im Präsidentenpalast in Brasilia: Auf eine Reaktion wartete das ganze Land

Lula will Land versöhnen

Der Wahlsieger Lula kündigte noch in der Nacht auf Montag an, Brasilien versöhnen zu wollen. „Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren“, sagte Lula in seiner ersten Rede nach der Wahl in Sao Paulo. Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wiederherzustellen. Der frühere Gewerkschafter Lula hatte das mit mehr als 210 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern größte Land in Lateinamerika bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert. Er ist der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens, der in eine dritte Amtszeit geht.

Auf Twitter veröffentlichte Lula am Sonntag ein Bild der brasilianischen Flagge mit einer Hand. Darüber stand „Demokratie“. Tausende Anhängerinnen und Anhänger des Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) feierten Lulas Sieg auf der Prachtstraße Avenida Paulista in Sao Paulo.

„In jedem Land der Welt hätte mich der unterlegene Kandidat angerufen, um seine Niederlage einzugestehen“, sagte Lula. „Ich wäre gern nur glücklich, aber ich bin zur Hälfte glücklich, zur Hälfte besorgt.“ Brasilien brauche „Frieden und Einheit“, sagte der 77-Jährige. Niemand wolle in einem Land leben, „das sich in einem Zustand des ständigen Krieges befindet“. Er sei „zuversichtlich, dass wir einen Ausweg finden werden, damit dieses Land wieder demokratisch und harmonisch leben kann“, sagte Lula. „Wir können sogar den Frieden zwischen denen, deren Meinungen auseinandergehen, wiederherstellen.“

Anhänger des brasilianischen Präsidentschaftskandidaten Luiz Inacio Lula da Silva
Reuters/Amanda Perobelli
Lulas Wählerinnen und Wähler feierten am Sonntag den Sieg ihres Kandidaten

Der Wahlsieger bezeichnete die vor ihm stehenden Aufgaben als „immens“. Er nannte etwa die Hungerkrise, von der mehr als 33 Millionen Menschen betroffen sind, und die Abholzung des Amazonas-Regenwalds, für deren Stopp er sich einzusetzen versprach.

Bolsonaros Partei mit Mehrheit im Kongress

Neben dem Präsidenten wurden am Sonntag auch Gouverneure in einem Dutzend Bundesstaaten gewählt – etwa im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Bundesstaat Sao Paulo. In der ersten Runde hatten Gefolgsleute Bolsonaros bereits eine Reihe wichtiger Gouverneursposten erobert. Seine Liberale Partei (PL) stellt künftig auch die stärkste Fraktion im Kongress, vor Lulas Arbeiterpartei (PT).

Lula gewinnt Präsidentenwahl in Brasilien

Mit einem hauchdünnen Vorsprung hat der linke Ex-Präsident Luiz Ignacio Lula da Silva die Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien gewonnen.

Biden gratulierte Lula

US-Präsident Joe Biden gratulierte Lula zum Sieg und betonte dabei ausdrücklich, dass die Abstimmung „frei, fair und glaubwürdig“ gewesen sei. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen bei der Bewältigung drängender globaler Herausforderungen, von der Ernährungssicherheit über den Handel bis hin zum Klimawandel“, schrieb EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßte den Wahlsieg. Bundespräsident Alexander Van der Bellen bezeichnete den Wahlsieg Lulas als Chance, den Regenwald zu erhalten und Maßnahmen zur Klimarettung zu ergreifen.