Trauernde nach der Massenpanik während eines Halloween-Festivals in Seoul (Südkorea)
Reuters/Kim Hong-Ji
Massenpanik in Seoul

Polizei räumt grobe Fehler ein

Nach der Massenpanik in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul mit mehr als 150 Toten hat der nationale Polizeichef des Landes, Yoon Hee Keun, erhebliche Fehler eingeräumt. Obwohl man bereits im Vorfeld des Unglücks Hinweise auf eine „große Menschenmenge“ bekommen habe, seien etwa lediglich 137 Einsatzkräfte in das Itaewon-Viertel entsandt worden. Zum Vergleich: Bei einer Demo am anderen Ende der Stadt waren es am selben Tag rund 6.500.

Wie Polizeichef Yoon Hee Keun am Dienstag weiter mitteilte, habe es rund um die Halloween-Feiern in dem wegen seines Nachtlebens ohnehin belebten Viertel von Seoul zwar einen „dringenden Hinweis auf Gefahr“ gegeben – mit dieser Information sei aber „unzureichend“ umgegangen worden. Ob die Katastrophe aus seiner Sicht durch frühe polizeiliche Maßnahmen hätte verhindert werden können, sagte Yoon nicht. Er wolle aber dafür sorgen, dass gründlich untersucht werde, was falsch gelaufen sei. Dazu werde auch ein unabhängiges Untersuchungsgremium innerhalb der Polizeibehörde geschaffen.

Am Samstagabend waren bei den ersten Halloween-Feiern in Itaewon seit Beginn der Coronavirus-Pandemie mindestens 156 überwiegend junge Menschen gestorben. Mindestens 97 davon seien Frauen gewesen, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Nach aktualisierten Zahlen vom Montag wurden zudem fast 150 Personen verletzt, mehr als 30 von ihnen schwer. Unter den Todesopfern befanden sich auch 26 Ausländer aus verschiedenen Ländern, darunter ein Österreicher.

Zu dem Unglück in der Millionenmetropole kam es, als in Itaewon Zehntausende Menschen dicht gedrängt zu unorganisierten Halloween-Feiern zusammenkamen. Rund 100.000 Menschen waren in der Gegend unterwegs. Da die Feiern aber nicht offiziell angekündigt worden waren, wurde die Menschenansammlung nicht systematisch von Sicherheitsexperten weder der Polizei noch örtlicher Behörden überwacht.

Rettungskräfte am Schauplatz
Reuters/Kim Hong-Ji
Polizeichef: Mit Hinweisen auf große Menschenmengen sei „unzureichend“ umgegangen worden

„Hier sind zu viele Menschen“

Von der südkoreanischen Nachrichtenagentur News1 veröffentlichte Mitschriften von Notrufen dokumentieren, wie verzweifelte Bürgerinnen und Bürger schon Stunden vor der Katastrophe auf die gefährliche Lage hingewiesen hatten. So sagte ein Anrufer der Polizei bereits um 20.09 Uhr und damit zwei Stunden vorher: „Hier sind zu viele Menschen, die geschubst, niedergetrampelt und verletzt werden. Es ist chaotisch. Sie müssen das unter Kontrolle bringen.“

Innenminister Lee Sang Min bat unterdessen vor laufenden Kameras im Parlament als „für die Sicherheit der Menschen zuständiger Minister um Verzeihung“ für das Unglück. Zuvor war er wegen seiner Versicherung, auch der Einsatz von mehr Polizei hätte das Gedränge nicht verhindern können, scharf kritisiert worden. Seouls Bürgermeister Oh Se Hoon sagte, er fühle sich für die Tragödie „uneingeschränkt verantwortlich“. Er werde dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschehen werde.

Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol sagte am Dienstag, das Land müsse dringend sein System zur Bewältigung großer Menschenmengen nach der Katastrophe verbessern. „Die Sicherheit der Menschen ist wichtig, unabhängig davon, ob es einen Veranstalter gibt oder nicht.“ Nach den Worten von Ministerpräsident Han Duck Soo könnte das Fehlen eines angemessenen Systems zur Steuerung der Menschenmenge die Ursache für das tödliche Gedränge gewesen sein.

Medien: Überwachungssystem war nicht im Einsatz

In Medienberichten wird in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass die Stadtverwaltung von Seoul an sich bereits über ein Echtzeit-Überwachungssystem für Menschenansammlungen, das mit Hilfe von Handydaten deren Größe vorhersagen kann, verfügt. Es war den Angaben zufolge am Samstagabend allerdings nicht im Einsatz.

Eine Trauernde vor Blumen und Andenken für die Opfer einer Massenpanik in Seoul (Südkorea)
Reuters/Kim Hong-Ji
Die Zahl der Todesopfer stieg zuletzt auf 156

Zudem gelten in Südkorea für das Sicherheitsmanagement von Menschenmassen ohnehin strenge Regeln. Das führt unter anderem dazu, dass bei Demonstrationen oft mehr Polizisten als Protestierende anwesend sind. Den Polizeiangaben zufolge wurden zu Halloween zwar 137 Beamte nach Itaewon entsandt. Allerdings waren bei einer Demonstration am anderen Ende Seouls, an der nur etwa 25.000 Menschen teilnahmen, Medienberichten zufolge 6.500 Polizeikräfte.

Trauer und Entsetzen

Die südkoreanische Regierung versprach am Montag eine gründliche Untersuchung. Man wolle die Ursache des Unfalls von Samstagabend herausfinden und Maßnahmen ergreifen, damit sich solch eine Tragödie nicht wiederhole. Die Katastrophe sorgte im Land für eine Welle der Trauer und des Entsetzens. Auch löste sie Fragen nach der Rolle der Behörden und den Sicherheitsvorkehrungen aus.

Südkoreas Prösident Yoon Suk Yeol am Ort der Massenpanik
Reuters/Heo Ran
Präsident Yoon Suk Yeol besuchte die Unglücksstelle

Zusammen mit forensischen Experten untersuchten Ermittler der Polizei am Montag den Unglücksort. Die Polizei habe ein Sonderteam aus 475 Personen für die Untersuchungen gebildet, sagte der Chefermittler der nationalen Polizeibehörde, Nam Gu Jun. Unter anderem soll untersucht werden, wie es zu dem plötzlichen Andrang in einer engen Gasse kam und warum die Menschen nicht entkommen konnten.