Getreidelager
Reuters
Ukraine

Russland kehrt zu Getreideabkommen zurück

Russland beteiligt sich wieder an dem Getreideabkommen mit der Ukraine. Moskau habe von Kiew „schriftliche Garantien“ erhalten, dass der für den Getreidetransport genutzte Schiffskorridor nicht für militärische Zwecke genutzt werde, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch. Vorausgegangen waren Vermittlungen der Türkei.

Das sei für den Moment ausreichend, um das Abkommen zu erfüllen, hieß es in Moskau. Die Transporte würden noch am Mittwoch fortgesetzt, bestätigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Russland hatte nach den Drohnenangriffen auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim das Abkommen zum Transport von ukrainischem Getreide aus den Häfen im Schwarzen Meer am Samstag überraschend ausgesetzt. Grund waren nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums die „Terroranschläge“ auf die Schwarzmeer-Flotte in Sewastopol.

Das Ministerium warf der britischen Marine vor, die Anleitungen zum Beschuss der Halbinsel mit Drohnen gegeben zu haben. Dabei wurde nach russischen Angaben auch ein Minenräumschiff beschädigt. Großbritannien wies die Vorwürfe zurück.

Kiew dankt Erdogan

Die ukrainische Regierung bedankte sich am Mittwoch bei der Türkei und den Vereinten Nationen für ihre Rolle bei der Vermittlung. Infrastrukturminister Olexander Kubrakow hob insbesondere die Bemühungen Erdogans und des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres hervor. Ein Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Entscheidung der Führung in Moskau sei vor allem auf den Druck der Türkei zurückzuführen.

Getreidefrachter Ikaria Angel bei Chornomorsk
Reuters/
Fast zwei Drittel der Getreideausfuhren gehen nach Afrika oder Asien

Rückkehr zu Getreidedeal ist Ende russischer „Erpressung“

Im Präsidialamt der Ukraine wird die Rückkehr Russlands zum Getreideabkommen als „Ende der Erpressung“ durch Moskau verstanden. „Aus geopolitischer Sicht setzt das, was an diesem Tag passiert ist, einen Punkt hinter die viele Jahre lange Diplomatie der Erpressung, die Russland betrieben hat“, schrieb Andrij Jermak, der Stabschef des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, auf Telegram. „Eine andere Diplomatie kennen sie dort nicht, deshalb verlieren sie auch in der modernen Welt“, schrieb er.

Der russische Präsident Wladimir Putin relativierte die Einigung später allerdings wieder: Sobald die Ukraine abgegebene Garantien verletze, werde Russland das Abkommen erneut kündigen. Die Ukraine habe sich Putin zufolge dazu verpflichtet, keine neuen Angriffe aus dem Schwarzen Meer zu starten. Falls diese Garantien verletzt werden sollten, werde Russland die Kooperation beenden, Getreidelieferungen aus der Ukraine über die Türkei jedoch nicht verhindern.

Russland hatte davor schon seit Wochen mit einem möglichen Stopp des Kornabkommens gedroht, durch das seit Sommer wieder ukrainische Lebensmittel auf den Weltmarkt kommen. Selenskyj beklagte bereits in den vergangenen Tagen, dass Russland die Durchfahrt der mit Getreide beladenen Schiffe blockiere.

Stete Drohungen Moskaus

Er betonte die Bedeutung dieser Lieferungen für die Bekämpfung des Hungers in der Welt. Obwohl der Krieg die Exporte weiter behindere, habe die Ukraine seit dem Inkrafttreten des Getreideabkommens fast acht Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Seeweg ausgeführt, sagte Selenskyj unlängst. 60 Prozent der Menge seien nach Afrika und Asien gegangen.

Im Juli hatte Russland unter Vermittlung der UNO und der Türkei den Getreideausfuhren zugestimmt, aber stets auch gedroht, die auf vier Monate angelegte Vereinbarung platzen zu lassen. Moskau beklagt seit Langem, dass ein Teil der Vereinbarung vom Sommer nicht umgesetzt werde. Im Abkommen hat sich Russland zur Beendigung der Blockade ukrainischer Seehäfen für den Getreideexport bereiterklärt, forderte aber im Gegenzug Erleichterungen für die eigene Ausfuhr von Dünge- und Lebensmitteln. Russland und die Ukraine sind beide große Getreideexporteure, die mit den Ausfuhren Milliarden verdienen.

Welternährungsprogramm sieht gute Nachricht

Nach Ansicht der USA hat Russland mit dem Schwenk eingesehen, dass es sich der weltweiten Lebensmittelversorgung nicht in den Weg stellen kann. Sie sei „hocherfreut“ über die russische Ankündigung, sich wieder an dem Abkommen zu beteiligen, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, dem Sender CNN.

Das Welternährungsprogramm (WFP) sieht in dem Wiedereinstieg Russlands eine gute Nachricht für Hungernde auf der Welt. „Für Millionen Notleidende weltweit sind diese Schiffe Hoffnungsträger, die Leben retten können“, sagte Martin Frick, Leiter des Berliner Büros der UNO-Organisation, der Deutschen Presse-Agentur. Seit der Unterzeichnung des Abkommens im Sommer habe das WFP mehr als 220.000 Tonnen Weizen von ukrainischen Häfen aus für Hungernde in Afghanistan, Äthiopien und Jemen abtransportiert. Weitere 160.000 Tonnen sollten bald folgen.