der österreichische Künstler André Heller
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Hellers „Basquiat-Rahmen“

Kindischer Scherz oder Schaden für Kunst?

Der österreichische Künstler Andre Heller hat einen selbst gefertigten Bilderrahmen als Original des 1988 gestorbenen Malers Jean-Michel Basquiat ausgegeben. Einen „kindischen Streich“, „Angeberei", „eine dumme Mischung aus Dichtung und Wahrheit“ nannte das Heller gegenüber dem „Falter“, der die Geschichte aufdeckte. Diese Einschätzung teilen nicht alle.

„Es wäre ein Scherz gewesen, wenn Heller es bis zur Bezahlung hätte kommen lassen und sich dann als Urheber zu erkennen gegeben hätte“, sagte dazu der Kunstexperte und Auktionator Otto Hans Ressler. Nachdem aber Geld geflossen sei, sehe er die Sache anders. Er sei kein Anwalt, um das rechtlich zu beurteilen, hielt Ressler fest. Doch: „Der Schaden für den Kunstmarkt ist angerichtet und irreversibel.“

Fälschungen seien „ein Riesenproblem für den Kunstmarkt, vergleichbar mit der Korruption in der Politik. Das untergräbt das Vertrauen und verleidet die Freude an der Kunst.“ Als Teil des Problems empfindet er den Umstand, „dass die Gerichte völlig unangemessen mit diesen Fällen umgehen, obwohl es oft um hohe Summen geht“. Verfahren in Fälschungsfällen würden regelmäßig eingestellt.

Basquiat-Experten Dieter Buchhart, den Heller mit seiner Geschichte überzeugt habe, könne man jedenfalls nicht verurteilen: „Jeder von uns kann sich irren. Manchmal sind Fälschungen so gut, dass sogar die Künstler selbst darauf hereinfallen.“

Fälschungsvorwürfe gegen Künstler Heller

Gegen den Künstler Andre Heller wurden Fälschungsvorwürfe erhoben. Es geht dabei um eine Porträtzeichnung von Jean-Michel Basquiat bzw. vor allem um den Bilderrahmen.

Schwierige Zertifizierung bei Basquiat

Patricia Palffy, im Auktionshaus Dorotheum die zuständige Expertin für die internationale Moderne und zeitgenössische Kunst, verweist allgemein auf die Herausforderung der Zertifizierung bei Basquiat. „Der Faktor der Oral History ist selbstredend sehr wichtig. Aber zentral ist, dass man danach verifizieren kann, was gesagt wurde“, sagte die Kunsthistorikerin im APA-Gespräch.

Im Falle von Basquiat sei das Problem, dass es mittlerweile keine zentrale Zertifizierungsstelle mehr gebe. So war das Authentification Committee of Jean-Michel Basquiat, in dem auch der Basquiat-Vater Gerard vertreten war, nur bis 2012 tätig. Experten müssen seither die Provenienzforschung ohne diese Anlaufstelle betreiben.

Experte Buchhart: „Rahmen nie authentifiziert“

Buchhart selbst hielt unterdessen gegenüber der APA fest: „Im Zuge eines am 1. Juni 2016 mit Herrn Andre Heller geführten Interviews gab Herr Heller an, dass der Künstler Jean-Michel Basquiat einen Rahmen mit kleinen Zeichnungsfragmenten Basquiats selbst angefertigt hat. Ich habe den Rahmen weder authentifiziert, noch habe ich jemals behauptet, dies getan zu haben.“

Der in Linz tätige Rechtsanwalt Oliver Plöckinger, der über „Raubkopie und Kunstfälschung“ habilitiert hat, beurteilte die Sache so: Habe man ein Werk selbst hergestellt und unter dem Deckmantel, es stamme von einem anderen Künstler, verkauft, so könne der Tatbestand des Betrugs erfüllt sein. Notwendig für Betrug sei eine Täuschung über Tatsachen, etwa die Herkunft – wenn man etwa behaupte, das selbst gemachte Werk sei ein Basquiat.

Auf der Gegenseite müsse ein Irrtum vorliegen, etwa einen Basquiat zu kaufen und einen Heller zu erhalten, und ein Vermögensschaden entstehen. Außerdem brauche es einen Bereicherungsvorsatz. „Es kann reichen, dass man den Käufer täuscht“, sagte Plöckinger.

„Tätige Reue“ kommt in Betracht

Nachdem Heller den Rahmen zurückgekauft habe, könnte allerdings der Strafaufhebungsgrund „tätige Reue“ erfüllt sein. Auch hier gibt es Voraussetzungen: eine vollständige Schadenswiedergutmachung, die freiwillig und rechtzeitig passieren muss – nämlich bevor eine Strafverfolgungsbehörde von dem Ereignis Kenntnis erlangt hat. Dann würde die eingetretene Strafbarkeit aufgehoben werden, es könne zu keiner Bestrafung mehr kommen.

Basquiat-Zeichnung und ein Künstlerrahmen
Katalog Wienerroither & Kohlbacher
Das inkriminierte Heller-Basquiat-Werk

Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist aktuell kein Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang anhängig, wie Sprecherin Nina Bussek am Donnerstag mitteilte. Sollte noch Anzeige erstattet werden, wird diese wie üblich von einer Staatsanwältin bzw. einem Staatsanwalt auf einen etwaigen Anfangsverdacht hin geprüft werden.

Skizzen, Besenstiel und Nägel

Hellers und Basquiats Wege kreuzten sich in den 1980er Jahren, Heller war auf der Suche nach Mitwirkenden an seinem Projekt „Luna Luna“, mit dem er das Konzept eines Kirtags neu erfinden wollte. Über Andy Warhol lernte er schließlich Basquiat in New York kennen. Er konnte den jungen Street-Art-Künstler für die Zusammenarbeit gewinnen.

Jahre später bastelte Heller einen Rahmen aus den ihm verbliebenen Skizzen von Basquiat dazu. Er klebte sie auf Holzleisten, fügte rote Farbe hinzu, ergänzte Stücke eines schwarz gefärbten Besenstiels und schlug Nägel ein. In den Rahmen hängte Heller eine 1990 in New York erworbene echte Porträtzeichnung Basquiats von 1983 unter dem Titel „Untitled“. Beides wurde durch eine Wiener Galerie in New York 2017 zum Verkauf angeboten. Das Bild sollte zwei Millionen Euro bringen, der Rahmen drei. Ein Käufer fand sich damals allerdings nicht.

Im Jahr 2018 ging der Rahmen schließlich um 800.000 Euro als „echter“ Basquiat über den Ladentisch – ohne Echtheitszertifikat, wie Heller betonte. Das habe er auch in den Kaufvertrag hineinschreiben lassen. „Ich bin ein vom Glück gesegneter Mensch und bringe mich doch nicht durch einen Fälschungsvorwurf in Gefahr“, sagte er dem „Falter“.

„Falter“ sieht etwaiger Klage gelassen entgegen

Nach den Recherchen der Zeitung kaufte Heller den Rahmen allerdings nun wieder zurück. Warum er überhaupt ein eigenes Werk als fremdes ausgab, erklärte er mit dem Wunsch, Kunsthistoriker Buchhart einen Streich zu spielen. „Das war eine Art Turnier zwischen zwei Buben.“

Sein Fehler sei gewesen, dass er vor Jahren einem bekannten Kurator eine etwas zu sehr ausgeschmückte Geschichte erzählt und diese nicht richtiggestellt habe, sagte Heller gegenüber dem „Kurier“. Dabei wies er auch „weite Teile des ‚Falter‘-Artikels als unwahr entschieden zurück“ – er behalte sich eine Klage gegen den „Falter“ vor. Dort hieß es in einem Kommentar dazu: Der Artikel sei von Hellers Anwälten autorisiert gewesen, „nun aber macht Heller eine Kehrtwendung und droht mit Klage. Aber vielleicht ist das ja Teil eines Spektakels zwischen Dichtung und Wahrheit, Fälschung und Original. Der ‚Falter‘ sieht einer Klage jedenfalls gelassen entgegen.“