Inklusion

Dreimal Kampf ins Leben rein

Gerald Alt ist Musiker, Valentin Bräuer Landarbeiter, Michael Hagleitner arbeitet bei der ÖBB-Infrastruktur. Unbeschreibliche Karrieren sind es, die der Film „It works II“ begleitet. Den drei Protagonisten mit Lernschwierigkeiten und körperlichen Beeinträchtigungen sind eindrucksvolle Porträts gewidmet. Im Interview mit der Inklusiven Lehrredaktion des ORF erzählt Gerald „Golden G“ darüber, wie er das Leben schaffte (siehe Video oben).

Als „Golden G“ kennt man ihn von YouTube, den Musiker Alt. Da gibt es zum Beispiel den Song „Der Wein“, der ein Fass mit doppeltem Boden ist. Zuerst denkt man, er sei eine Liebeserklärung an den Rebensaft. Aber mit viel Humor, Tiefgang und einem ordentlichen Beat führen die Lyrics zu einer Synthese, mit der man nicht gerechnet hätte. Die Bilder unterstreichen den Witz des Textes – vom Tschocherl bis zur Oma mit dem Kopftuch.

Alt wurde sein Erfolg nicht in die Wiege gelegt. Schon vor 25 Jahren drehte Regisseur Friedolin Schönwiese einen kunstvollen Schwarz-Weiß-Kurzfilm mit ihm und den anderen: „It works“. Damals waren sie Kinder, mit einer ungewissen Zukunft vor sich, abhängig von intensiver Betreuung. Alt sah man da mit einem Kassettenrekorder spielen, Hagleitner kommunizierte mit seiner Mutter, sie half ihm beim Sprechen.

Mitten im Leben

Mittlerweile sind sie in ihren 30ern und haben sich ihren Platz im Leben erkämpft. Schönwiese verbringt Zeit mit ihnen, viel Zeit. Irgendwann sagt Alt im Scherz, während die Kamera läuft: „Was ich esse, wie ich heiße, wo meine Lieblingspornos sind – ihr wisst ja eh schon alles.“ Dabei hat die Doku nichts von sensationalistischer Distanzlosigkeit an sich, im Gegenteil. Hier wird beobachtet und gewartet – auf das, was die Protagonisten herzeigen wollen.

Szenen aus dem Film „It Works“
itworksfilm.com
Michael Hagleitner ist als Race Runner erfolgreicher Sportler

Hagleitner etwa arbeitet bei der ÖBB-Infrastruktur im Bereich Logistik auf einem betreuten Arbeitsplatz. Er nimmt Bestellungen auf, verwaltet eine Datenbank und hat den Überblick über eine Containerverladestation. Bei der Kommunikation hilft ihm ein Betreuer, der aber nie „übernimmt“, sondern nur unterstützt, wo es gerade notwendig ist. Im Urlaub an der Nordsee ist ein Assistent dabei, ebenso bei einem Sportevent in Dänemark, wo Hagleitner erfolgreich als Race-Runner teilnimmt. Er steht mitten im Leben.

„Hätte ich mir vor 20 Jahren nicht gedacht“

Alt sieht man im Interview beim Besuch eines Konzerts, beim Schneiden seiner Videos und bei einem eigenen Liveauftritt als „Golden G“ auf Facebook. Im Interview mit Scholz von der Inklusiven Lehrredaktion des ORF sagt er auf die Frage, was ihm einfällt, wenn er den alten Film Schönwieses und jetzt den neuen sieht: „Ich hätte mir vor 20 Jahren nicht gedacht, dass ich jetzt in meiner eigenen Wohnung sitz’, mit einer 24-Stunden-Betreuung, und alleine und selbstbestimmt leben kann und leben darf. Und dass ich das machen darf, was mir Spaß macht.“

Szenen aus dem Film „It Works“
itworksfilm.com
„Apfelmeister“ Valentin Bräuer mit einer Perchte

Diesen Spaß vermittelt der Film auch bei Bräuer, der am Land lebt, in einer Welt, die viele Städter so nicht mehr kennen. In seiner Welt wird noch mit der „Quetschn“ fidel musiziert; da kommen ihn die Perchten besuchen, necken ihn und lassen sich von ihm necken. Und bei der Arbeit ist er überall dabei: im Heim beim Knödelkochen genauso wie in einer Imkerei oder beim Äpfelpflücken, vermittelt durch die Caritas. Wie er seinen Beruf bezeichnen würde? „Landwirt? Äpfelpflücker? Äpfelwirt? Apfelmeister!“

Szenen aus dem Film „It Works“
itworksfilm.com

„Bewusstseinserweiternde“ Porträts

Gegenüber Scholz von der Lehrredaktion erzählt Regisseur Schönwiese, wie er auf die Idee für den ersten Film vor 25 Jahren kam. Als Zivildiener hatte er damals an einer Schule mit unterschiedlichen Kindern mit Behinderungen gearbeitet: „Es entstand die Idee eigentlich aus dem heraus, dass ich anderen nach dem Zivildienst nicht erklären konnte, was ich da an der Schule mache.“ Er wollte zeigen, wie viel Kraft die Kinder aufbringen, um ihren Alltag zu schaffen – weil er es in Worten nicht erklären konnte.

Dem Prinzip, zu zeigen, was Worte nicht erklären können, ist Schönwiese auch bei „It works II“ treu geblieben. Er muss seine Protagonisten nicht im Sinne von positiver Diskriminierung als Helden stilisieren. Er bekundet ihnen einfach Respekt, indem er sie sein lässt. Bei der Diagonale lief der Film mit großem Erfolg. Im Katalog hieß es da treffend, es handle sich dabei um „drei filmische Porträts, die unsere Wahrnehmung verändern und bewusstseinserweiternd nachwirken“.