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APA/AFP/Constanza Hevia
Büros gesperrt, warten auf Entlassungsmails

Twitter stößt Belegschaft vor den Kopf

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Twitter sollen am Freitag per E-Mail erfahren, ob sie nach der Übernahme durch Elon Musk noch einen Job haben. Medienberichten zufolge könnte rund jeder zweite Arbeitsplatz wegfallen. Die Büros des Unternehmens bleiben den ganzen Tag gesperrt, um Protesthandlungen zu verhindern. Mit einer Sammelklage will die Belegschaft nun gegen die Entlassungswelle vorgehen.

Laut dem Finanzdienst Bloomberg klagen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Bundesgericht in San Francisco, weil das Unternehmen Personal ohne ausreichende Vorankündigung entlassen wolle und damit gegen Bundes- und kalifornisches Recht verstoße.

Der Konzern kündigte am Donnerstagabend (Ortszeit) an, die Belegschaft bis Freitag, 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit per E-Mail zu informieren, wer gehen müsse und wer bleiben dürfe. „In dem Bemühen, Twitter auf einen gesunden Weg zu bringen, werden wir den schwierigen Prozess eines Abbaus der weltweiten Belegschaft gehen“, heißt es in der E-Mail, die unter anderem auf Twitter selbst kursierte. Spekulationen reichten von einem Viertel bis zu zwei Drittel der rund 7.500 Mitarbeitenden, die nach den Vorstellungen von Musk ihren Arbeitsplatz verlieren sollen.

Das Schreiben werde mit dem Betreff „Ihre Rolle bei Twitter“ versehen sein, heißt es in der Ankündigung. Dem zufolge sollen die Mitarbeitenden, die bei Twitter bleiben können, die E-Mail an ihre Firmenadresse bekommen. Wer seinen Job verliert, erhält demnach Informationen über die weiteren Schritte an seine private E-Mail-Adresse. Bei Twitter verstehe man, dass es ein „herausforderndes Erlebnis sei“, stand in der Rundmail, die mit der Anrede „Team“ begann und nur mit „Twitter“ signiert war.

Berichte über bereits gesperrte Mitarbeiteraccounts

Die Twitter-Büros werden am Freitag geschlossen bleiben und alle Zugangskarten deaktiviert sein, wie es weiter hieß. „Wenn Sie in einem Büro oder auf dem Weg in ein Büro sind, kehren Sie bitte nach Hause zurück.“ Die Maßnahme solle die Sicherheit der Mitarbeitenden sowie der Twitter-Systeme und der Nutzerdaten gewährleisten.

Einige Mitarbeitenden schrieben auf ihren Twitter-Accounts, ihre Zugänge zur IT seien schon blockiert – ein Zeichen, dass sie wohl ihren Job verlören. „Sieht so aus, als wäre ich arbeitslos. Ich bin gerade aus meinem dienstlichen Laptop ausgeloggt worden und von (dem Kurznachrichtendienst) Slack entfernt worden“, schrieb ein Nutzer, der sich als ehemaliger leitender Community Manager bei Twitter beschreibt.

Twitter spart Hälfte der Mitarbeiter ein

3.700 Arbeitsplätze und damit die Hälfte der Jobs könnte der neue Twitter-Besitzer, Elon Musk, laut Medienberichten streichen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen per E-Mail erfahren, ob sie weiter bei Twitter beschäftigt bleiben.

Angst vor Sabotageaktionen durch entlassene Belegschaft

Der Schritt dürfte somit eine Vorsichtsmaßnahme sein, um eventuelle Protesthandlungen Entlassener auszuschließen. Beispiellos wäre das nicht: Im November 2017 deaktivierte ein Support-Mitarbeiter an seinem letzten Tag im Job den Twitter-Account des damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Es dauerte rund zehn Minuten, bis der Account wieder online war.

Berichten der „Washington Post“ und der „New York Times“ zufolge soll rund die Hälfte der 7.500 Twitter-Angestellten ihre Jobs verlieren. „In dem Bemühen, Twitter auf einen gesunden Weg zu bringen, werden wir den schwierigen Prozess des weltweiten Personalabbaus beginnen“, heißt es in der E-Mail. Das werde „zahlreiche Menschen treffen, die einen wertvollen Beitrag für Twitter geleistet haben“, sei aber „leider nötig, um den künftigen Erfolg des Unternehmens zu sichern“.

Twitter-Zentrale in San Francisco
Reuters/Nathan Frandino
Twitter-Büros bleiben am Freitag geschlossen, in der Früh (Ortszeit, 17.00 MEZ) werden die Entlassungsmails erwartet

Wichtige Manager sofort nach Übernahme entlassen

Der neue Twitter-Chef Elon Musk hatte zuvor erhebliche Einsparungen angekündigt. Musk hatte Twitter Ende Oktober nach monatelangem Ringen für 44 Milliarden Dollar (rund 44 Milliarden Euro) übernommen und umgehend den Chef des Kurzbotschaftendienstes, Parag Agrawal, sowie weitere wichtige Manager entlassen.

Für Twitter-Mitarbeitende war die Rundmail die erste offizielle Kommunikation, seit Musk am Donnerstag vergangener Woche den Twitter-Kauf abgeschlossen hatte, wie unter anderem die „Washington Post“ berichtete. Ursprünglich sei für den Freitag darauf eine allgemeine Zusammenkunft mit Musk angekündigt gewesen. Diese sei jedoch abgesagt worden – genauso wie auch ein späterer Termin dafür, hieß es unter Berufung auf Mitarbeitende.

Zwei Insidern zufolge hat Musk auf einem internen Slack-Kanal gefordert, mehr als eine Milliarde Dollar Infrastrukturkosten – etwa für Server und Cloud-Dienste – einzusparen, zwischen 1,5 und drei Millionen Dollar pro Tag. Betitelt war seine Nachricht mit „Deep Cuts Plan“ (Plan für tiefe Einschnitte). Mitarbeitende fürchten nun, dass das Twitter-Netzwerk bei großem Datenverkehr – etwa zu den Midterms am Dienstag – zusammenbrechen könnte.

Elon Musk und das Twitter-Logo
Reuters/Dado Ruvic
Musk sorgt mit seiner Informationspolitik für Ärger

Mitarbeiterinformation via kryptischer Tweets

Über Musks Ideen für die Zukunft des Dienstes erfuhren die Angestellten demnach am ehesten aus den Tweets des Tech-Milliardärs. So seien seine öffentlich gemachten Pläne für neue Funktionen im kostenpflichtigen Aboangebot Twitter Blue für die meisten Mitarbeitenden des zuständigen Bereichs eine Überraschung gewesen, schrieb die „Washington Post“ in der Nacht auf Freitag. „Wir arbeiten alle für das Weiße Haus von Donald Trump“, zitierte sie einen Mitarbeiter. Er spielte darauf an, dass Trump Ankündigungen bei Twitter zum Teil ohne Rücksprache mit Beamten machte und selbst einige seiner Minister von ihrer Entlassung aus Tweets des US-Präsidenten erfuhren.

Twitter schrieb zuletzt rote Zahlen. Auch hatte Musk für den Übernahmedeal Kredite von rund 13 Milliarden Dollar aufgenommen – und deren Bedienung erfordert laut Medienberichten mehr Geld als das Twitter-Geschäft an freien Mitteln dafür abwirft. Musk hatte als finanzielles Ziel für Twitter ausgegeben, den Jahresumsatz von fünf Milliarden Dollar im vergangenen Jahr bis 2028 auf mehr als 26 Milliarden zu steigern.

Unternehmen frieren Werbebudgets ein

Unterdessen gerät das Unternehmen nach der Übernahme durch Musk finanziell unter Druck: Mehrere internationale Konzerne, darunter der Lebensmittelriese General Mills und Autobauer Volkswagen, froren am Donnerstag ihre Werbebudgets bei Twitter ein. In der vergangenen Woche hatte bereits der US-Autokonzern General Motors seine Werbung auf Twitter infolge der Übernahme durch Musk eingestellt.

Musk beklagte sich am Freitag in einem – mittlerweile gelöschten – Tweet über einen Umsatzeinbruch durch den Rückgang der Werbeeinnahmen. Musk machte dafür „Aktivistengruppen“ verantwortlich, die Druck auf Werbetreibende ausübten. Dabei habe sich beim Umgang mit kontroversen Inhalten nichts verändert, und man habe alles unternommen, um diese Aktivisten zufriedenzustellen, schrieb Musk. „Sie versuchen, die Redefreiheit in Amerika zu verstören“, behauptete er, ohne die Gruppen näher zu benennen.

Regierungsvertreter und Bürgerrechtsaktivisten hatten ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass Musk den Kurzbotschaftendienst für unkontrollierte Hassbotschaften und Falschinformationen öffnen und bisher gesperrte Nutzerkonten wie das des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wieder freigeben könnte. Werbung ist die wichtigste Einnahmequelle für Twitter. Musk versuchte zuletzt, die Lage zu beruhigen, indem er versicherte, das Portal werde nicht zu einer „kostenlosen Höllenlandschaft“.